Schrumpfender Absatz, sinkende Erlöse selbst bei den Branchenriesen – die deutsche Automobilindustrie sieht sich in einer tiefen Krise. Die Gründe für den Abschwung sind vielfältig, reichen von US-Zöllen bis hin zu Absatzproblemen im wichtigen chinesischen Markt. Einige Beispiele: Bei BMW brach der Gewinn im ersten Halbjahr 2025 um mehr als ein Viertel ein, bei VW um mehr als ein Drittel, bei Mercedes-Benz um mehr als die Hälfte. Die Angaben entstammen einer aktuellen Meldung der dpa.
VDA warnt vor überhöhten Hoffnungen
Die deutsche Fahrzeugindustrie leidet nach Angaben der dpa unter Auftragsrückgängen und hohen Kosten durch den Wandel zur Elektromobilität. Zulieferer wie ZF, Bosch und Continental bauen Stellen ab – auch in der Region. Vor diesem Hintergrund prüfen Unternehmen den Einstieg in die Produktion von Rüstungs- und Dual-Use-Gütern.
Der Verband der Automobilhersteller (VDA) sieht laut dpa darin zwar eine Option, warnt jedoch vor überzogenen Erwartungen: „Gleichzeitig werden sich die öffentlich debattierten Erwartungen an die Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen aber mit hoher Wahrscheinlichkeit als überhöht herausstellen“, so ein Sprecher. Auch Karsten Tacke von der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz betont, dass rüstungsnahe Technologien nicht zu jedem Geschäftsmodell passen. Die Umstellung sei komplex, neue Arbeitsplätze könnten die durch Transformation gefährdeten Stellen nicht ersetzen. „Am Ende zählt die unternehmerische Entscheidung jedes Betriebs – selbstverständlich im Rahmen von Exportkontrollen und Compliance“, sagt Tacke.
Potenzial vor allem im Nutzfahrzeugsektor
Wie Branchenexperten sagen, geht es um andere Sicherheitsanforderungen an die Produktion. Zertifizierungs-, Prüf- oder Normierungsverfahren sind in der Wehrtechnik ganz anders als im Pkw- und im zivilen Nutzfahrzeugsektor.
Ein Fachmann für Nutzfahrzeuge ist Martin Thul vom Commercial Vehicle Cluster Südwest in Kaiserslautern, ein Netzwerk von in der Branche tätigen Akteuren. Er sieht für Unternehmen aus diesem Bereich einen wesentlich kürzeren Weg hin zu Dual-Use- oder Rüstungsgütern als im Pkw-Segment. Pkw seien ein Konsumgut, stünden die meiste Zeit herum. Nutzfahrzeuge seien intensiv im Einsatz, würden stark beansprucht – Dinge, die zu einer militärischen Nutzung passen. Ein Lkw diene dem Transport, sei es von Menschen oder Gütern – letztere könnten Nahrungsmittel oder Granaten sein.
Langwierige Prozesse, hohe Sicherheitsanforderungen
Doch auch Thul verweist auf hohe Sicherheitsanforderungen im militärischen Bereich, auch müssten für die Teilnahme an Förderprogrammen viele Auflagen beachtet werden. Im Rüstungssektor könnten von der Antragstellung für ein Projekt bis zu dessen Start gut und gerne zwei Jahre vergehen, sagt Thul. Im zivilen Bereich sei ein Projekt dann häufig fast schon vor dem Abschluss.
Hinzu komme, dass es für alle möglichen Komponenten immens hohe Anforderungen gebe und Firmen lange Service- und Instandsetzungszeiten garantieren sowie Ersatzteile lange vorhalten müssten. Es sei klüger, Produkte erst für eine zivile Nutzung zu entwickeln und sie gegebenenfalls an den militärischen Bereich anzupassen.
Deutschland hat einen Standortvorteil
„Krieg funktioniert heute anders als früher“, sagt Thul. Um dafür gewappnet zu sein und passende Innovationen zu entwickeln, müsse branchenübergreifend gedacht werden, in Systemen, nicht einzelnen Komponenten, sagt Thul. „Projektverbünde sind eine Chance für die Fahrzeugindustrie“, betont er. Es brauche Zulieferer, die chemische Industrie, IT- und Software-Lösungen, ein großes Paket. „Da haben wir in Deutschland einen Standortvorteil.“ Denn hierzulande sei das Spektrum spezialisierter Unternehmen groß. Genannt seien etwa Daimler Truck mit seinem Werk in Wörth, John Deere in Kaiserslautern, der Baumaschinenhersteller Volvo in Konz oder die General Dynamics European Land Systems-Bridge Systems GmbH in Kaiserslautern, die unter anderem militärische Brückensysteme herstellt.
Partnerschaften auch bei Daimler Truck im Fokus
Daimler Truck senkte zwar kürzlich seinen Ausblick, verspricht sich aber in Zukunft mehr Geschäft mit militärischen Lkw. 2024 machte der Umsatz damit wie in den Vorjahren rund ein Prozent des gesamten Umsatzes aus. „Vor dem Hintergrund der aktuellen verteidigungspolitischen Herausforderungen erwarten wir, dass die Nachfrage in den kommenden Jahren steigen wird und wir das Geschäft im Defence Bereich perspektivisch ausbauen werden“, heißt es. Der Defence-basierte Umsatz soll bis 2030 verdoppelt werden.
Daimler Truck setzt seinerseits verstärkt auf Partnerschaften, beispielsweise mit ARX Robotics oder Arquus. ARX Robotics ist ein Spezialist für unbemannte autonome Landsysteme in München. Hier geht es um Integration von Robotik- und KI-Technologien in Fahrzeugplattformen von Daimler Truck. Bei der Kooperation mit dem französischen Militärfahrzeughersteller Arquus ist ein Ziel, gemeinsam militärische Radfahrzeuge zu entwickeln.