Neue Regeln für die Paketbranche

Das Bundeskabinett hat Mitte September das Paketboten-Schutz-Gesetz beschlossen. Ziel ist es, die Nachunternehmerhaftung - auch Generalunternehmerhaftung - auf die Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP) auszuweiten, um Verstöße gegen die Lohn- und Sozialvorschriften zu bekämpfen. Die Neuregelung soll noch 2019 in Kraft treten und künftig die korrekte Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im KEP-Sektor sicherstellen. Das sollten Sie dazu wissen: Was soll die Gesetzesänderung bewirken und für wen soll sie gelten? KEP-Dienstleister sollen nicht nur wie bisher dafür aufkommen, wenn von ihnen beauftragte Subunternehmer ihren Mitarbeitern den gesetzlichen Mindestlohn vorenthalten, sondern auch zahlen müssen, wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht korrekt gezahlt werden. Dafür möchte die Regierung das Sozialgesetzbuch ändern. "Die Idee der Nachunternehmerhaftung ist nicht neu", erklärt Kira Falter, Rechtsanwältin in der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle. Sie orientiere sich an Regelungen, die bereits seit Jahren in der Bau- und Fleischwirtschaft bestehen, da sich diese bewährt hätten. "Auf die Größe der zu befördernden Pakete kommt es dabei nicht an", sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht. Eine Ausnahme soll gelten, wenn die Dienstleister nur Briefsendungen befördern, weil diese eine Erlaubnis der Bundesnetzagentur brauchen. Bei Solo-Selbstständigen greifen die Neuregelungen mangels Beschäftigten auch nicht. Die Nachunternehmerhaftung in der Paketbranche soll mit Blick auf eine geplante Evaluierung zunächst bis zum 31. Dezember 2025 gelten. Was kommt genau auf General- und ihre Subunternehmer zu? Große Paketdienstleister sollen für von ihren Subunternehmern abzuführende Sozialbeiträge wie dem Mindestlohn gesamtschuldnerisch haften. "Das heißt, der Auftraggeber muss im Zweifel zunächst alle Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen, wenn sein direkter Auftragnehmer für dessen Mitarbeiter zu wenig oder nichts abgeführt hat", erklärt Falter. Hinzu kommen Zinsen, die im Laufe der Zeit bei Beitragsansprüchen aufgelaufen sind. Anschließend können sich die Beteiligten zum Beispiel wegen Pflichtverletzungen untereinander in Regress nehmen. Damit will der Gesetzgeber die Solidargemeinschaft der Beitragszahler schützen und Schwarzarbeit sowie illegale Beschäftigung eindämmen. Dies soll auch die Nachunternehmer davor schützen, dass sie sich selbst einem Risiko aussetzen. Der Auftraggeber muss sich umgekehrt bei seinen direkten Auftragnehmern vergewissern, dass sie seriös sind. "Diese Selbstkontrolle des Marktes soll zudem den Zoll entlasten", vermutet die Fachfrau von der Kanzlei CMS Hasche Sigle. Klar ist seit der Einführung des Mindestlohngesetzes allerdings: Dem Blick in fremde Bücher sind rechtlich Grenzen gesetzt. Wie können sich die Beteiligten künftig vor Verstößen absichern? Um Hauptunternehmer zu entlasten, ohne die Pflichten der Nachunternehmer zu vernachlässigen, können Krankenkassen und Berufsgenossenschaften dem Subunternehmer, der die Sozialbeiträge bisher ordnungsgemäß abgeführt hat, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausstellen. Wer einen Auftrag an eine Firma weitergibt, die so etwas vorweisen kann, ist von der Haftung für Sozialversicherungsbeiträge befreit, wenn diese Firma die Beiträge wider Erwarten doch nicht abführt. "Zudem soll die Nachunternehmerhaftung entfallen, wenn der Auftraggeber die Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit seines Subunternehmers durch eine sogenannte Präqualifikation nachweist", sagt Falter. Darunter ist eine wettbewerbliche Eignungsprüfung für die Subunternehmer zu verstehen, die nach speziellen Vorgaben und unabhängig von einer konkreten Ausschreibung abläuft. Der Gesetzgeber schlägt vor, dass sich der Nachunternehmer oder der von ihm beauftragte Verleiher durch Industrie- und Handelskammern in das bundesweite amtliche Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich eintragen lassen. Was können KEP-Unternehmer jetzt tun, um vorbereitet zu sein? "Für den Generalunternehmer ist es wichtig, dass die von ihm beauftragten Subunternehmer die Sozialversicherungsbeiträge stets in der richtigen Höhe abführen und auch sonst zuverlässig sind, wenn es um die Zahlung der Löhne an ihre Mitarbeiter geht", betont Falter. Die Unternehmen der Branche sollten sich rechtzeitig um die entsprechenden Nachweise kümmern und sich vorbereiten, indem sie sämtliche Unterlagen über die richtige Anmeldung der Mitarbeiter und die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge entsprechend aufbereiten und bereithalten. "Nur durch eine genaue Lohnbuchhaltung ist eine kurzfristige Unbedenklichkeitsbescheinigung möglich, weil nur dann die Krankenkassen ihre Jahresdaten für das gesamte Personal aufdröseln und Angaben zu Einzelnen machen können", sagt die Arbeitsrechtlerin. Auftraggeber seien gut beraten, ihre Auftragnehmer jetzt darauf hinzuweisen. Immerhin soll die Gesetzesverschärfung bereits zum Jahresende gelten. Welcher Verwaltungsaufwand kommt auf die Branche zu? Laut Rechtsanwältin Falter kommt zu dem organisatorischen Mehraufwand für die Haftungsbefreiung eine Erweiterung der Dokumentationspflichten bei den täglichen Arbeitszeiten: "Sämtliche KEP-Unternehmen müssen künftig für die rund 240.000 in der Branche tätigen Arbeitnehmer differenzierte Entgeltunterlagen führen, um für den jeweiligen Auftrag konkret nachweisen zu können, für welchen Mitarbeiter welche Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden", so die Expertin von CMS Hasche Sigle. Das soll es Prüfern der Rentenversicherung und der Berufsgenossenschaften erleichtern, zu kontrollieren, ob Voraussetzungen der Nachunternehmerhaftung vorliegen. "Die von der Bundesregierung vorgenommene Schätzung eines Aufwandes von circa fünf Minuten pro Monat je Mitarbeiter dürfte dabei eher optimistisch sein", warnt sie Vertreter der KEP-Branche. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Arbeitsrecht" www.verkehrsrundschau.de/dossiers In Kürze Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) möchte der Ausbeutung von Paketboten einen Riegel vorschieben. Noch im Jahr 2019 plant er eine Nachunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge, die von KEP-Dienstleistern beauftragte Subunternehmer nicht richtig abführen. Für die Branche steigt nun der Verwaltungsaufwand.