Die Grünen fordern den neuen Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) zu Tempo vor allem bei der Sanierung maroder Brücken auf. Schnieder sowie auch Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) müssten zügig alles finanziell und personell Notwendige für die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur tun, sagte die Grünen-Haushälterin Paula Piechotta der Deutschen Presse-Agentur.
Ansonsten würden sie früher oder später ihren ganz persönlichen „Rahmedetal-Moment“ erleben, den dann einzig und allein sie zu erklären und zu verantworten hätten. Die Grünen-Politikerin bezieht sich auf die Autobahn-Talbrücke Rahmede an der Sauerlandlinie, die wegen schwerer Schäden gesperrt werden musste und inzwischen gesprengt wurde. Derzeit ist eine neue Brücke im Bau.
Viele Brücken in Deutschland sind marode und müssen saniert werden. Vor drei Jahren legte das Bundesverkehrsministerium ein Programm zur Brückenmodernisierung auf. Damals hieß es, prioritär sollten 4000 Bauwerke im Kernnetz von stark belasteten Autobahnen in einem Zeitraum von zehn Jahren modernisiert werden.
Autobahnneubauprojekte statt Brückensanierungen?
Plötzliche Brückensperrungen hätten sehr konkrete, negative Folgen für Pendler und Wirtschaft sowie für Anwohnende an Umleitungstrecken, so Piechotta. Sie ist im Haushaltsausschuss Berichterstatterin für den Verkehrsetat. Unter der früheren Ampel-Koalition seien im erheblichen Umfang Investitionsmittel vom Neubau in die Erhaltung umgeschichtet worden, um insbesondere das Programm zur Brückenmodernisierung stärken zu können.
Auf eine Anfrage habe das Bundesverkehrsministerium aber nun eingeräumt, dass für die Umsetzung des Programms mehr Geld und Personal erforderlich sei. Zudem bleibe das Ministerium jegliche Angaben schuldig, wie viel zusätzliche Mittel und Personal in den nächsten Jahren erforderlich seien. Piechotta wertet dies als klares Indiz dafür, dass das Ministerium unter dem neuen Ressortchef Schnieder wieder stärker Autobahnneubauprojekte vorantreiben wolle.
Brückenmodernisierung „bei Weitem nicht im Zeitplan“
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Zwischenbilanz des Bundesrechnungshofs zum Brückenmodernisierungsprogramm der Bundesregierung, auf die der Deutsche Bundestag in einer Mitteilung verweist. Der Bundesrechnungshof unterrichtet in dem Papier den Deutschen Bundestag, dass das Modernisierungsprogramm „bei Weitem nicht im Zeitplan“ läge – anders als es das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) behauptet habe.
Die im September 2024 durch das Ministerium gezogene positive Zwischenbilanz ist für die Rechnungsprüfer laut Bundestag nicht nachvollziehbar. Das BMDV habe unter anderem fälschlicherweise sämtliche von der Autobahn GmbH fertiggestellten Teilbauwerke zum Programmerfolg gezählt, schreiben die Prüfer demnach. Weit mehr als die Hälfte davon entspreche jedoch nicht den Programmkriterien.
Tatsächlich habe die Autobahn GmbH in den letzten drei Jahren nur rund 40 Prozent der Menge an Teilbauwerken modernisiert, die das Ministerium in dem Programm für diesen Zeitraum vorgesehen hatte. Die Zahl der fertiggestellten und kriteriengerecht modernisierten Bauwerke habe von Jahr zu Jahr abgenommen.
Bereits jetzt sei absehbar, dass die Autobahn GmbH auch in den nächsten Jahren weniger Teilbauwerke fertigstellen wird als im Rahmen des Programms geplant, so die Prüfer.
Gesonderter Titel für Haushalt empfehlenswert
Da die Mittel für die Brückenmodernisierung intransparent im Bundeshaushalt veranschlagt seien und die Autobahn GmbH nicht beziffern könne, wie viel sie für die Brückenmodernisierung jährlich ausgegeben hat, „kann das BMDV nicht beurteilen, in welchem Umfang die Mittel erhöht werden müssten“, schreibt der Bundesrechnungshof. Er empfiehlt, im Bundeshaushalt einen gesonderten Haushaltstitel für die Brückenmodernisierung vorzusehen.
Mit Blick auf das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen, heißt es: Ob und in welcher Höhe davon Mittel für die Verkehrsinfrastruktur und im Speziellen für die Modernisierung von Brücken an Bundesfernstraßen zur Verfügung stehen werden, sei offen. Die Maßgabe der verbindlichen Veranschlagung sei aber auch bei einer Mittelbereitstellung aus einem Sondervermögen zu beachten.
Und wieder ist eine Brücke dicht - wie viele folgen?
Welche Auswirkungen marode Brücken haben, zeigt sich überall im Lande, ob in Berlin, Hamburg, Dresden oder auch in Hessen oder NRW.
Die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken hat exklusiv für die Deutsche Presse-Agentur die jüngsten Tabellen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ausgewertet. Hessen ist demnach - nach Nordrhein-Westfalen - das Bundesland mit der zweithöchsten Anzahl an schlecht bewerteten Autobahnbrücken, über die Verkehr fließt und die mindestens 50 Meter lang sind.
In Hessen stehen demnach 19 Brückenbauwerke diese Kategorie, die Fachleute mit den Zustandsnoten 3,3 oder schlechter bewerten. In NRW sind es 21. Keine der sächsischen Autobahnbrücken befindet sich in schlechtem Zustand. Demnach erhielten im Freistaat alle 155 Autobahnbrücken mit mindestens 50 Metern Länge mindestens eine Bewertung von 2,9 (ausreichender Zustand).
Während für Autobahnbrücken der Bund zuständig ist, tragen die Bundesländer die Verantwortung für Brücken an Bundes- und Staatsstraßen. Nach dem Teileinsturz der Dresdner Carolabrücke führt der Freistaat Sachsen bei 19 Bauwerken unabhängig von ihrer bisherigen Bewertung Sonderprüfungen durch, da sie ebenfalls mit Hennigsdorfer Spannstahl gebaut sind, bei dem eine sogenannte Spannungsrisskorrosion auftreten kann.
Ergebnisse der bisherigen Überprüfungen waren etwa die monatelange Sperrung der Elbbrücke an der B172 in Bad Schandau, über die seit April wieder der Verkehr bis 7,5 Tonnen rollt. Außerdem zählt dazu der Abriss der Bahnbrücke an der B101 bei Großenhain im vergangenen Dezember.
Das jüngste Beispiel aus Hessen: Talbrücke bei Zell
In Hessen muss die Talbrücke bei Zell, einem Ortsteil von Bad König, Ende April nach einer Brückensonderprüfung in beide Fahrtrichtungen gesperrt werden. „Auf Grund der weiteren Untersuchungen zur Statik des Brückenbauwerks ist mittlerweile klar, dass die Brücke abgerissen werden muss“, teilte die Autobahn GmbH mit.
Inzwischen dürfen „wegen akuter Einsturzgefahr“ auch Züge der Odenwaldbahn nicht mehr unter der Brücke durchfahren, wie der Betreiber Vias Mitte Mai mitteilte. Autos und Lkw müssen eine 20 Kilometer lange Umleitung fahren - wenn sie sich an die Beschilderung halten. Denn viele kürzen durch Zell ab.
Das schlimmste Beispiel aus Hessen
Den Menschen in und um Wiesbaden kommt das bekannt vor: 2021 fielen Betonbrocken von der Salzbachtalbrücke auf die darunter führende Bundesstraße. Die Brücke - Teil der A 66 zwischen dem Rheingau und Frankfurt mit täglich rund 80.000 Fahrzeugen - wurde gesperrt, ebenso wie die darunter verlaufenden Straßen und Eisenbahnstrecken. Die Landeshauptstadt Wiesbaden war quasi von der Außenwelt abgeschnitten.
In Mecklenburg-Vorpommern fordert die Wirtschaft übrigens auch mehr Tempo bei der Brückensanierung.