Auf die richtige Karte setzen

"Corona-Boom in der Logistikbranche", "Krisengewinner Logistik" oder "Corona pusht Zufriedenheitswerte in der Logistik" - so lauten einige Schlagzeilen im Internet. Aber auch "Corona und die Folgen: Logistikbranche im Krisenmodus". Die Covid-19-Pandemie hat manchen Branchenbereichen einen ordentlichen Aufschwung beschert - und andere schwächeln lassen. Einige Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen nehmen das womöglich zum Anlass, das eigene Geschäftsmodell zu überdenken. Aber in welchen Nischen lohnt sich ein Einstieg auch längerfristig? Und was müssen Firmen beachten, um mit einer Neuausrichtung erfolgreich zu sein? Über einige Krisengewinner sind sich Unternehmensberater weitgehend einig. Dazu gehören etwa der KEP-Bereich (Kurier-, Express- und Paketdienstleistungen) oder die Vermietung von Logistikimmobilien - bereits vor der Krise gab es hier eine steigende Nachfrage, die nun noch verstärkt wurde. Einen Aufschwung erfährt auch die Lebensmittellogistik oder der Pharmabereich, der stark von der Entwicklung der Impfstoffe gegen das Coronavirus profitiert. Aber auch Stückgutlogistiker gehören zu den Gewinnern. Hier kommt es allerdings darauf an, in welchen Branchen die auftraggebenden Verlader tätig sind - so gilt die Automobilindustrie weiterhin als schwächelnd. In bestimmten Segmenten bietet sich also besonders großes Potenzial, aber es gibt auch Haken: "Die Lebensmittel- und die Pharmalogistik sind beides Felder, in denen Speditionen bei einem Einstieg relativ viel in spezifische Ressourcen investieren müssen", sagt Max-Alexander Borreck. Er berät Speditions-, Transport- und Logistikunternehmen bei Oliver Wyman. Spezialisten sind gefragt Die Herausforderung ist also, das zum eigenen Unternehmen passende Geschäftsfeld und -modell zu finden. Vor allem für kleine und mittelständische Speditionen ist dabei das richtige Maß an Spezialisierung entscheidend, um die begrenzten Ressourcen effizient einsetzen zu können. In normalen Zeiten sei dabei die Fokussierung auf eine Nische von Vorteil, meint Roland Stelz, Geschäftsführer der Unternehmensberatung "Die Speditions-Berater". "Man bietet zwar nur eine oder wenige Dienstleistungen an - die aber mit einer herausragenden Qualität und in der Umsetzung hocheffizient." Je größer die Herausforderung sei, die der Kunde zu bewältigen habe, desto eher werde er sich auch an Spezialisten wenden. "Tendenziell können spezialisierte Unternehmen höhere Preisniveaus verlangen als solche, die zwar vieles mittelmäßig, aber nichts richtig gut machen", so Stelz. Tipp: Zusatzdienstleistungen anbieten Ein Beispiel dafür kennt er aus seiner Berufspraxis. So bot eine Spedition ursprünglich reguläre Nachlauftransporte von Seehäfen an - sie entpackte Container und stellte die verschiedenen Waren über die Straße deutschland- und europaweit an Kunden aus unterschiedlichen Bereichen zu. Mit der Zeit sei der Preisdruck aber immer größer geworden. "Wir haben dann mit dem Führungsteam in mehreren Workshops interessante Zielbranchen herausgearbeitet und darauf basierend spezielle Leistungspakete geschnürt", berichtet der Berater. Mit der Konsequenz, dass die Spedition neben der reinen Zustellung auch noch andere Komponenten, wie beispielsweise Verzollungsdienstleistungen, in ihr Portfolio aufgenommen habe. In einem Fall bot das Unternehmen auch Übersetzungsdienstleistungen für asiatische Bedienungsanleitungen an - und habe damit ein Alleinstellungsmerkmal für sich geschaffen. "Preise sind in so einem Fall natürlich nach wie vor wichtig, aber nicht mehr der entscheidende Punkt", betont Stelz. In der aktuellen Corona-Krise gibt es aber auch Fälle, in denen eine zu starke Spezialisierung auf ein bestimmtes Segment sich für Speditionen nachteilig auswirken kann. Bricht dem Hauptverlader ein Großteil seines Produktionsvolumens weg, hat das für eine spezialisierte Spedition schwerwiegendere Folgen als für eine stärker diversifizierte. Als Unternehmen sollte man also genau überlegen, auf welche Bereiche man setzt. "Es heißt, dass der Markt, auf den man sich fokussieren sollte, etwa das zehn- bis zwanzigfache Volumen der eigenen Kapazitäten haben sollte", rät Roland Stelz. Das bedeutet, wenn eine Spedition beispielsweise 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht, sollte sie sich auf ein Transportsegment konzentrieren, das im Jahr maximal etwa eine Milliarde Euro Umsatz generiert. Und wie sollten Betriebe es nun konkret angehen, wenn sie sich neu ausrichten wollen? Bedacht und nicht allein aufgrund einer temporären Krise, lautet die erste Empfehlung. "Bei strategischen Neuausrichtungen geht es meiner Ansicht nach nicht um hektisches Reagieren, sondern um die langfristige Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells", rät der Speditionsberater. Strebt ein Unternehmer das an, sollte er zuerst danach fragen, was die Kunden wirklich benötigen. "Spediteure gehen stattdessen oft von den bereits vorhandenen Assets aus. Nach dem Motto: 'Ich habe einen Fuhrpark, den ich auslasten muss, und suche mir Kunden, die meine Fahrzeuge füllen können'." Das sei jedoch nicht der optimale Weg. Steht fest, welche Belange der Kunde hat, empfiehlt Stelz, die Stärken des Betriebs, die Präferenzen des Teams sowie Zielgruppen und Leistungsbereiche festzulegen - am besten mit einem erfahrenen externen Projektleiter. Daraus sollten anschließend konkrete Leistungsangebote, eine passende Positionierung und auch die Umsetzung im Marketing abgeleitet werden (siehe Kasten oben). Ist die komplette Strategie beschlossen, sollte ein weiterer wichtiger Part folgen: deren konsequente Umsetzung. "Leider geht das in der Praxis neben dem normalen Tagesgeschäft oft verloren", berichtet der Unternehmensberater. Deshalb empfiehlt er auch bei diesem Schritt, einen externen Projektleiter zurate zu ziehen. Die Kunden definieren die Leistung Für eine konsequente Neuausrichtung brauche man Mut zur Veränderung. Diese müsse aber nicht zwangsläufig mit großen finanziellen Investitionen einhergehen. "Das ist ein Glaubenssatz vieler Speditionen, dass der eigene Fuhrpark eine bestimmte Größe haben muss oder dass man eine eigene Werkstatt braucht", so Roland Stelz. Stattdessen könne man auch mit Partnern zusammenarbeiten und sich Assets teilen. "Das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, dass sich Speditionen weniger als Fuhrparkbetreiber und mehr als Problemlöser für ihre Kunden verstehen." Er betont: "Die Kunden definieren die Leistung! Und ein Spediteur sollte nach Wegen suchen, wie man die am effizientesten erbringen kann." (sn) Eigene Firma neu positionieren - in sieben Schritten 1. Geschäftsmodell nicht an vorhandenen Assets, sondern an den Belangen der Zielgruppe ausrichten 2. Präferenzen des Teams und Stärken des Unternehmens definieren 3. Zielgruppen und Leistungsbereiche bestimmen 4. Konkrete Leistungsangebote und passende Positionierung herausarbeiten 5. Geeignete Marketingmaßnahmen planen 6. Notwendige Investitionen und passende Finanzierungsmodelle im Blick haben 7. Die neue Strategie konsequent umsetzen In Kürze Manche Logistiksegmente wie die Pharma- oder die Lebensmittellogistik profitieren von der Covid-19-Pandemie. Unternehmensberater geben eine Einschätzung, wo sich für mittelständische Speditionen der Einstieg lohnen könnte und wie man das eigene Unternehmen am sinnvollsten neu positioniert. Mehr zum Thema unter #Unternehmensfuehrung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag

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