Die weltweite Zahlungsmoral hat sich im vergangenen Jahr so stark verschlechtert wie seit 2008 nicht mehr: Die globalen "Days Sales Outstanding" (DSO) – also der Zeitraum zwischen Rechnungslegung und deren Bezahlung – sind um 3 Tage angestiegen auf nunmehr 59 Tage. Der Anstieg ist damit fast doppelt so hoch wie 2022. Zu diesem Ergebnis kommt die jüngste Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade. Deutsche Unternehmen bleiben jedoch weiterhin zuverlässige "Schnellzahler" und begleichen Rechnungen im Schnitt nach 54 Tagen (+0,8 Tage). Auch Firmen in den Niederlanden oder Skandinavien zahlen schneller als der weltweite Schnitt. In Frankreich, Italien und Spanien sowie im asiatischen Raum werden die Rechnungen im Durchschnitt deutlich später bezahlt. "Je länger Unternehmen auf ihr Geld warten müssen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Rechnung gar nicht bezahlt wird", sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Insofern ist die Zahlungsmoral ein wichtiger Indikator für potenzielle Zahlungsausfälle und damit Vorbote für Insolvenzen. Deutsche Unternehmen haben zwar immer noch eine vergleichsweise gute Zahlungsmoral, dennoch erwarten wir, dass die Insolvenzen in der Bundesrepublik im Jahr 2024 um 13 Prozent steigen werden."
2024: Zahlungsfristen dürften sich mit sinkender Rentabilität weiter verlängern
Die Rentabilität ist dabei der wichtigste Einflussfaktor auf das Zahlungsverhalten in Europa. Sie wirkt sich stärker aus als die Finanzierung oder der Konjunkturzyklus. In diesem Zusammenhang könnte eine Verlangsamung der globalen Nachfrage im Jahr 2024 in Verbindung mit weiterhin hohen Betriebskosten die Voraussetzungen für eine weitere Verschlechterung der Zahlungsbedingungen schaffen, insbesondere in Europa. "Ein Rückgang der Rentabilität um nur einen Prozentpunkt (pp) könnte die Zahlungsfristen um über 7 Tage verlängern", sagt Ano Kuhanathan, Head of Corporate Research bei Allianz Trade, "Angesichts der drohenden Rentabilitätseinbußen im Jahr 2024 sollten sich europäische Unternehmen auf längere Zahlungsfristen einstellen. Dies könnte den Cashflow unter Druck setzen und das Risiko von Zahlungsausfällen in der Region erhöhen."
EU-Verordnung würde erheblichen Kapitalbedarf mit sich bringen
Der Umgang mit Zahlungsverzug ist der Schlüssel zum Aufbau von Widerstandsfähigkeit für europäische Unternehmen. Der Vorschlag der Europäischen Kommission über eine EU-Verordnung zum Zahlungsverzug deuten darauf hin, dass die Zahlungsfristen von den derzeit empfohlenen 60 Tagen auf 30 verbindliche Tage verkürzt werden könnten. Das Europaparlament hat zwar eine Verlängerung auf 60 Tage ergänzt, wenn dies vertraglich vereinbart wurde, oder auf 120 Tage für bestimmte Waren. Trotzdem bedeutet dies deutlich weniger Flexibilität für die Unternehmen im Vergleich zu den aktuellen Bedingungen.
41 Prozent der europäischen Unternehmen warteten 2023 über 60 Tage auf ihr Geld (weltweiter Durchschnitt 42 Prozent). Für diese Unternehmen dürfte die geplante Verordnung erhebliche wirtschaftliche Folgen haben – und bringt vor allem einen erheblichen zusätzlichen Kapitalbedarf mit. "Die europäischen Unternehmen bräuchten 2 Billionen Euro an zusätzlichen Finanzmitteln, um die Zahlungsfristen auf 30 Tage zu verkürzen", sagt Ana Boata, Head of Macroeconomic Research bei Allianz Trade. "Bei den derzeitigen Zinssätzen würde dies jedoch die Zinslast der Unternehmen um 100 Milliarde Euro erhöhen, was einem Margenverlust von 2 Prozentpunkten entspricht. Darüber hinaus könnten zu starre Zahlungsbedingungen die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) in Europa gefährden, weil Unternehmen zu Lieferanten außerhalb der EU wechseln. In diesem Zusammenhang sollten die politischen Entscheidungsträger die möglichen negativen Auswirkungen berücksichtigen."