Logistik-Trends 2026: Digitalisierung und flexible Strategien im Fokus

Axel Frey, CEO der Seifert Logistics Group in Ulm, gibt es zwei Mal: einmal real und einmal als KI-Klon. Der 38-Jährige hat sich von der Stuttgarter Firma "Blockbrain" seinen digitalen Zwilling bauen lassen. "Mittlerweile dürfte mein digitaler Zwilling über rund 50 Prozent meines Wissens verfügen", berichtet Frey, weil er diesen seit über einem halben Jahr jede Woche regelmäßig für einige wenige Stunden damit füttere. Ziel sei es, dass sein Team künftig auf dieses Wissen zugreifen könne, auch wenn er selbst nicht erreichbar ist. Flexibilität ist Trumpf Der Geschäftsführer ist von seinem KI-Klon so begeistert, dass er im nächsten Schritt 30 weitere Mitarbeiter seines Unternehmens vom digitalen Zwilling überzeugen will. "Wenn wir dieses Wissen, das in deren Köpfen steckt, dort bündeln", schwärmt Frey, "dann nehmen wir nochmal Geschwindigkeit auf. Das ist ein unheimlicher Enabler für unser Geschäft. Vor allem aber können wir als Seifert Logistics Group dann noch schneller und flexibler agieren." Wichtig sei das, weil Flexibilität für Mittelständler laut Frey der größte Trumpf ist. "Ohne diese Flexibilität wären wir in den letzten fünf Jahren wohl kaum so unbeschadet davongekommen", räumt er ein. Seit Corona befinde sich die deutsche Wirtschaft im Krisenmodus, sagt er. "Kaum ist die eine Krise vorbei, kommt schon die nächste." Zu dieser Einschätzung passen auch die Zahlen des Ifo-Instituts, die soeben erschienen sind: 8,1 Prozent aller befragten Unternehmen fürchten demnach um ihre Existenz. Im Oktober 2024 waren es noch 7,3 Prozent gewesen. Die größte Existenzbedrohung für die Firmen sei branchenübergreifend der Auftragsmangel, der zu erheblichen Liquiditätsengpässen führe, heißt es seitens des Ifo-Instituts. Auch gestiegene Betriebs- und Personalkosten würden die Firmen belasten. Hinzu kommen hohe bürokratische Anforderungen, die den Druck weiter erhöhen. Ins Klagelied vieler seiner Branchenkollegen will Seifert-CEO Frey trotzdem nicht einstimmen: "Klar, wir haben viele Herausforderungen - gerade in der Automobilindustrie", sagt er. "Wir haben aber auch tolle Kunden, eine tolle Mannschaft. Und wenn wir als Seifert richtig Gas geben, ist genug Geschäft im Markt da." Zumal das Ulmer Unternehmen neben seinem starken Standbein Automotive auch in den Branchen Bau, Chemie und Papier als Logistiker aktiv ist. Naht Ende der Wirtschaftskrise? Neue Geschäftschancen erwartet Frey zum Beispiel durch den technologie-offenen Ansatz der neuen Regierung. Dadurch werde in der Automobilwirtschaft die Teile-Vielfalt noch größer und das sorge bei den Herstellern für eine höhere Outsourcing-Bereitschaft. Klar sei aber auch, dass dies weniger in Deutschland als vermehrt in Osteuropa der Fall sein werde. Seifert werde auch dorthin seinen Kunden folgen, sagt er. Auch der Zuzug chinesischer Automobilhersteller nach Deutschland berge neue Chancen. "Frühestens im dritten oder vierten Quartal 2026 geht es in Deutschland also wieder nach oben. Spätestens aber Anfang 2027", ist Frey zuversichtlich. Erste Signale seitens seiner Kunden registriert er schon: "Die Baugenehmigungen ziehen deutlich an." Wird 2026 also besser? Hoffnung macht die Herbstprognose der EU-Kommission. Demnach soll die deutsche Wirtschaft 2026 wieder zulegen. Um durchschnittlich 1,2 Prozent könnte das BIP hierzulande steigen, allerdings leicht unter dem EU-Schnitt. Alles in allem klingt das etwas zuversichtlicher als im Frühjahr 2025. Da war die EU-Kommission für Deutschland noch von 1,1 Prozent BIP-Anstieg für 2026 ausgegangen. Auch namhafte deutsche Wirtschaftsinstitute sehen ein Ende der Krise nahen (Tabelle unten). Auch Kai Althoff, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Logistik ist für die Logistikwirtschaft recht zuversichtlich - trotz der aktuell unsicheren Rahmenbedingungen: "Für 2025 rechne ich da zwar noch mit einer Stagnation, aber 2026 mit einem spürbaren Wachstum", sagte er auf der BVL Supply Chain CX im Oktober - mit Verweis auf das mittlere Szenario der Herbstprognose des Expertengremiums der Logistikweisen. Diese hatten drei Szenarien für 2025 und 2026 (ein Best-Case-, ein Trend- und ein Worst-Case-Szenario) gerechnet. Demnach läge 2025 die Wirtschaftsleistung der Logistik nominal zwischen 337,7 und 338,7 Milliarden Euro. 2026 wäre diese bei 344,8 bis 349,5 Milliarden Euro. Real ergibt sich für 2025 indes ein Minus zwischen -0,5 bis -0,8 Prozent und 2026 eine Spanne von -0,4 bis +1,1 Prozent. Üppiges Wachstum sieht anders aus. Wirtschaftsinstitute sehen ein Ende der Krise Prognose zur Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland für die Jahre von 2025 bis 2027 (gegenüber Vorjahr) 2025 2026 2027 DIW: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (September) 0,2% 1,7% 1,8% ifo: Institut für Wirtschaftsforschung Universität München(September) 0,2% 1,3% 1,6% Gemeinschaftsdiagnose (September) 0,2% 1,3% 1,4% RWI: Rheinisch-Westfälisches Institut fürWirtschaftsforschung (September) 0,2% 1,1% 1,4% IWH: Institut für Wirtschaftsforschung Halle (September) 0,2% 0,8% 0,6% IfW: Institut für Weltwirtschaft Kiel (September) 0,1% 1,3% 1,2% Deindustrialisierung nagt "Wir leben in nicht einfachen Zeiten", räumt Ingo Brauckmann, CEO des Logistikunternehmens Loxxess, unverhohlen ein. "Immer mehr Produktion wandert aus Deutschland ab. Fast täglich kommen dazu Meldungen, und das merken wir natürlich auch." In erster Instanz sei dies kein Problem. Der Bedarf an Lagerflächen sei nach wie vor da, auch weil Deutschland ein Land mit über 80 Millionen Konsumenten sei. Klar sei aber, dass die Deindustrialisierung mittelfristig natürlich Spuren hierzulande hinterlassen werde - Stichwort sinkender Wohlstand, sagt er. "Erste Einschnitte spüren wir ja heute schon. Etliche Firmen halten ihre Investitionen zurück." 2026 wird knackig Den Kopf in den Sand steckt Brauckmann deshalb nicht: "Wir haben ein breites Kundenportfolio. Das macht uns ein gutes Stück krisenresilient", erklärt er. "Wir haben drei Standbeine, in denen sind wir stark. Das sind die Geschäftsbereiche Pharma und Healthcare, E-Commerce und Speziallösungen." Diese habe Loxxess schon 2023 in seinem Strategieprogramm "Nexxt" definiert. "Dadurch richten wir uns noch fokussierter auf unsere Kunden aus, und können so unser Serviceangebot weiter optimieren", erläutert er. "Gleichzeitig sehen wir uns sehr genau an, in welchen Industrien wir als Logistikdienstleister tätig sein wollen." So werde sich Loxxess in den kommenden Jahren aus dem Fashion-Bereich zurückziehen. "Da gibt es hierzulande zu viele Überkapazitäten. Das lohnt sich für uns nicht mehr." Mehr Zukunft sieht er dagegen im logistischen Handling von Medikamenten und Gesundheitsprodukten. "Gesundheit ist ein Wachstumsmarkt - das ist ein sehr wichtiges Segment für uns." So gesehen stehen gleich mehrere Investitionsprojekte im neuen Jahr an. So werde 2026 ein neuer hochspezialisierter und hochautomatisierter Pharma-Standort bei Hamburg in Betrieb gehen, kündigte er an. Zudem werde Loxxess weiter in die Automatisierung, IT und in KI investieren, mit der die Lagerbelegung vorausschauend gesteuert wird. Und natürlich werde man das Pharmageschäft weiter internationalisieren. Wichtiger Baustein ist hier die Gründung des Netzes PharmaXnet Europe, mit dem Loxxess sein 360-Grad-Angebot zur Pharmalogistik mittelfristig in weitere europäische Länder bringen will. Und wie wird sich der Umsatz 2026 entwickeln? Da will sich Brauckmann Stand heute nicht festlegen. Dazu gebe es aktuell zu viele Unwägbarkeiten. Sicher ist für ihn nur: "2026 haben wir sehr viele Projekte vor der Brust, mit Kunden wie auch intern. 2026 wird daher für uns ein sehr knackiges Jahr." Zäsur in Transport und Logistik Nicht nur für Loxxess - so viel steht fest. 2026 wird für die gesamte Transport- und Logistikbranche zum Schlüsseljahr. Oder um hier Steffen Wagner, Head of Transport & Infrastructure, des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens KPMG, zu zitieren: "2026 wird sich die strukturelle Zäsur des Transport- und Logistiksektors weiter fortsetzen. Globale Lieferketten werden regionaler, regulierter und digitaler. Entscheider in der Logistik müssen also Margendruck, CO2-Bepreisung und geopolitische Risiken zugleich managen", zählt Wagner die zentralen Themen auf, die Firmen 2026 auf ihrer Agenda haben sollten. Entscheidend werde daher die Fähigkeit, Daten intelligent zu nutzen, betont Wagner. "Künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge und digitale Zwillinge ermöglichen eine vorausschauende Steuerung von Kapazitäten und Emissionen." Zunehmend werde Nachhaltigkeit zum Wettbewerbsfaktor. "Wer Transparenz über den CO2-Abdruck schafft und Kunden echte Dekarbonisierungslösungen bietet, gewinnt." Kurzum: "Führung bedeutet 2026, Technologie-, Nachhaltigkeits- und Resilienz-Strategien zu integrieren; nicht nacheinander, sondern gleichzeitig", formuliert es Wagner. "Der globale Wettbewerb entscheidet sich künftig weniger auf der Straße oder See, sondern in der intelligent vernetzten, klimaneutralen Lieferkette."