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Shanghai-Lockdown: Industrie droht noch mehr Materialmangel

27.05.2022 11:42 Uhr | Lesezeit: 4 min
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Die Londoner Schifffahrtsberatung Drewry schätzt, dass im Hafen Shanghai allein im April 260.000 für den Export in alle Welt bestimmte Container nicht verladen wurden (Symbolbild)
© Foto: Lu Hongjie/Costfoto/picture-alliance

Seit zwei Monaten ist Shanghai im Lockdown. Der deutschen Wirtschaft droht als Folge chinesischer Lockdowns und weltweiter Schiffsstaus eine weitere Verschärfung der gravierenden Lieferprobleme.

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Nach Angaben des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel und des Rotterdamer Hafens ist die Zahl der aus China Richtung Westen fahrenden Schiffe bereits gesunken. Und die Londoner Schifffahrtsberatung Drewry schätzt, dass im Hafen Shanghai allein im April 260.000 für den Export in alle Welt bestimmte Container nicht verladen wurden.

Welleneffekt möglich

Die Auswirkungen werden nach Einschätzung des Berliner Mercator Instituts für Chinastudien (Merics) sowohl die Verbraucher als auch die Industrie spüren. Die Industrie litt schon vor dem Ukraine-Krieg und dem Lockdown in Shanghai unter Nachschubmangel.

„Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen und Wochen weiter verschärfen wird, weil bisher noch Schiffe ankamen, die den Hafen Shanghai vor der Schließung verlassen haben“, sagt Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft in München. „Die eigentlichen Folgen des Lockdowns in Shanghai werden wir erst in einiger Zeit, dann aber sehr drastisch spüren.“

Den größten Anteil bei chinesischen Exporten von Industriekomponenten haben nach Angaben des Mercator-Instituts elektronische Bauteile und Computer aller Art. „Für Deutschland besteht außerdem das Risiko übermäßiger Abhängigkeit von China als Exporteur und Verarbeiter von Schlüsselrohstoffen, vor allem in der Automobilindustrie“, sagt Merics-Analyst Jacob Gunter.

Der Analyst geht davon aus, dass die chinesischen Lockdowns eine Art weltumspannenden Welleneffekt haben werden: „Wenn ein Komponentenlieferant in Japan, Großbritannien oder Mexiko seinerseits am Beginn der Lieferkette Zulieferer in China hat, kann das Auswirkungen auf deren Produktion haben.“ Die Folge wäre dann limitierter Nachschub für deutsche Unternehmen, die am Ende der Lieferkette stehen.

Lieferungen kommen nicht komplett zum Erliegen

Dass Lieferungen aus China komplett zum Erliegen kommen, ist aber nicht zu befürchten: „Ein Rückgang des Frachtvolumens in westlicher Richtung wegen des Lockdowns in Shanghai ist zu erwarten, aber das wird ein begrenzter sein“, sagt eine Sprecherin des Rotterdamer Hafens.

Verzögerter Effekt: Container im Schnitt derzeit 101 Tage unterwegs

Der Effekt des Lockdowns in Shanghai und anderer rigider Covid-Beschränkungen in China macht sich in Europa mit erheblicher Verzögerung bemerkbar, weil eine direkte Schiffsreise schon vor Beginn der Corona-Pandemie 30 bis 40 Tage dauerte.

Üblicherweise werden mehrere Häfen angelaufen, so dass die normale Laufzeit eines Containers an die 80 Tage beträgt. Seit zwei Jahren bringt Covid die Fahrpläne durcheinander. Derzeit sind Containerschiffe laut Schifffahrts-Datenbank Alphaliner im Schnitt 101 Tage unterwegs. Das wiederum bedeutet, dass die Schiffe mit mindestens drei Wochen Verspätung wieder retour Richtung Ostasien fahren, und dort dann für die nächste Fahrt Richtung Europa fehlen.

Der Lockdown in Shanghai begann Ende März und sollte eigentlich nur ein paar Tage dauern. Mittlerweile sind die Beschränkungen gelockert, doch eine Rückkehr zur Normalität ist nicht in Sicht. Der Shanghaier Hafen stand zwar nie still, aber der Transport in und aus dem Hafen wurde hart getroffen, wie die Sprecherin des Rotterdamer Hafens erläutert.

IfW Kiel: Noch kein Rückgang in Rotterdam und Hamburg

Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel stellte bis zur vergangenen Woche noch keinen Rückgang der Importvolumina in Rotterdam oder Hamburg fest. „Auch in den kommenden Wochen dürfte sich der Effekt auf die Häfen in der Nordsee in Grenzen halten, da sich auch in der Nordsee ein Stau aufgebaut hat, quasi ein Puffer“, sagt Ökonom Vincent Stamer.

Doch Mitte Mai war laut IfW das Frachtvolumen im Roten Meer fast ein Fünftel niedriger, als es in normalen Zeiten zu erwarten gewesen wäre. Naturgemäß steuern nicht alle Schiffe im Roten Meer Rotterdam oder Hamburg an. Doch ist dies ein Indiz, dass Lieferungen ausbleiben.

ZVEI: Folgen erst in sech bis acht Wochen erkennbar

Auch der Präsident des Elektro- und Digitalbranchenverbandes ZVEI, Gunther Kegel, äußerte sich im Vorfeld der Hannover Messe gegenüber der Deutschen Presse-Agentur zum Thema: „Der mehrwöchige Stillstand in Shanghai wird einen Schock durch die Lieferketten der Welt jagen, dessen Folgen wir erst in sechs bis acht Wochen sehen werden.“ Er warnte: „Da kommt noch etwas auf uns zu.“

„Wenn man die Lieferung nicht zum Kunden bekommt, kann man auch keine Rechnung stellen“, meinte Kegel zum stockenden China-Handel aus Sicht der Exporteure. „Fehlende Zahlungseingänge werden sich für viele Mittelständler noch übel bemerkbar machen.“

Halbleitermangel „wohl noch bis 2023“

Ob wegen höherer Kosten am Ende auch Verbraucher mehr zahlen müssen, sei nicht genau abzusehen. Allgemeine Preiseffekte hätten derzeit vor allem einen anderen Ursprung als die Energiekosten: „die mangelnde Versorgung mit Halbleitern, die Unternehmen nachbestellen müssen, wo diese noch erhältlich sind“.

In Teilen der Auto- und Maschinenbauindustrie hatte man erwartet, dass sich die Lieferprobleme bei den überall verbauten Mikrochips in der zweiten Jahreshälfte entspannen. „Die Mangelversorgung wird sich wohl aber noch bis 2023 ziehen“, schätzt Kegel. „Das hat sich durch die Lockdowns in China deutlich verschärft. Auch viele internationale Chiphersteller sind von den Engpässen in Shanghai massiv betroffen. Ich befürchte, dass sich dies abermals negativ auf die Versorgungslage auswirken wird.“ (mwi/dpa)

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