Marode Brücken: Kein Überblick über Schwertransporte in NRW

04.11.2025 11:20 Uhr | Lesezeit: 4 min
Rahmede-Talbrücke im Bau
Die Freigabe der Rahmedetalbrücke auf der A45 steht bevor (hier noch im Bau). Wie es zur Sperrung im Dezember 2021 kam, ist Teil laufender Untersuchungen
© Foto: D. Kerlekin/Snowfield Photography / Snowfield Photography / picture alliance

Der Untersuchungsausschuss zur Rahmede-Talbrücke weist darauf hin, dass die Behörden in NRW keinen Überblick über Schwertransporte auf maroden Brücken haben. Über die marode Brücke rollten weiterhin schwere Lkw.

Ein früherer Ingenieur von Straßen.NRW hat nach Angaben der dpa im Landtag erklärt, dass die Behörden in Nordrhein-Westfalen nicht nachvollziehen können, wie viele Schwertransporte über bereits geschädigte Brücken fahren. Im Untersuchungsausschuss zur Rahmede-Talbrücke sagte er, Einzelfallgenehmigungen würden so erteilt, „dass kein Schaden an einer Brücke entstehen könne“. Deshalb sehe er keinen Grund, die Zahl dieser Genehmigungen zu erfassen.

Hintergrund: Vor der überraschenden Sperrung im Dezember 2021 nutzten über Jahre hinweg weiterhin Schwertransporte die A45-Brücke bei Lüdenscheid. Diese Tatsache wurde im September im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Landtags zum Brückendesaster öffentlich. Die Rahmedetalbrücke war 2014 zunächst für Groß- und Schwertransporte gesperrt worden, wurde 2015 jedoch wieder für diese Fahrzeuge freigegeben. Im Oktober 2018 trat die Sperrung erneut in Kraft, nachdem sich die damaligen Grundlagen für die Freigabe als unzutreffend erwiesen hatten. 

Genehmigungen ohne zentrale Erfassung

Außerdem gebe es laut dpa Dauergenehmigungen, etwa für sechs Monate oder drei Jahre, bei denen die Behörden „ ohnehin nicht wüssten, wie oft sie in Anspruch genommen werden“. Hinzu komme eine hohe Zahl an Schwarzfahrten, die ungenehmigt solche Brücken überquerten. Was am Ende eine Brücke zerstört habe, sei daher „nicht zu sagen“.

Verstöße auch bei genehmigten Transporten

Anscheinend werden auch bei genehmigten Schwertransporten zahlreiche Verstöße begangen. So waren bei einer Razzia in Bremerhaven bei mehr als 70 Prozent der Schwertransporte Verstöße festgestellt worden.

Ein Referatsleiter des Verkehrsministeriums sagte als Zeuge aus, er bekomme keine Rückmeldungen der Polizei bei Verstößen. Das sei „aus seiner Sicht auch nicht notwendig“. Wichtiger sei, dass die Behörden vor Ort erfahren, wer die schwarzen Schafe unter den Transporteuren sind, damit diese gegebenenfalls ihre Lizenz verlieren.

Brandbrief pensionierter Polizisten

Am Wochenende war ein Brandbrief an das NRW-Innenministerium bekannt geworden, in dem pensionierte Polizisten, die selbst Fortbildungen in dem Bereich anboten, bereits 2023 Alarm schlugen. Demnach gebe es „viel zu wenig Schulungen für Polizisten“. Zudem seien die Bußgelder „viel zu gering und keine Abschreckung für die Spediteure“. Sie berichteten von einem Schwertransport, der vor einer Brücke gestoppt wurde, weil er „viel zu schwer war“. Dieser sei kurz darauf verschwunden und habe offenbar trotz Verbots mit mehr als dem doppelten des zulässigen Höchstgewichts die Brücke überquert.

Stellungnahmen des NRW-Innenministeriums und der SPD

Das NRW-Innenministerium teilte auf Anfrage mit, dass auf Bundesautobahnen regelmäßig auch Großraum- und Schwertransporte kontrolliert würden. Seit Jahresbeginn gebe es zudem eine speziell ergänzende Fortbildung für die Überwachung solcher Transporte. Die Bußgelder gelten bundesweit und werden nicht von der Polizei NRW festgelegt.

„Jeder weiß, dass viele unserer Brücken und Straßen in die Jahre gekommen sind. Umso mehr muss die Polizei ein Auge darauf haben, dass sie nicht durch illegale Schwertransporte zusätzlich belastet werden und womöglich noch schneller an die Grenzen ihrer Funktionsfähigkeit stoßen“, teilte SPD-Obmann Gordon Dudas im Anschluss mit. „Es scheint, dass in NRW die Vorgaben für Schwerlasttransporte im großen Stil ignoriert und nicht genügend kontrolliert wurden. Es sei zu befürchten, dass Brücken und Straßen dadurch zusätzlich massiv beschädigt wurden. Wir können von Glück reden, dass noch nichts Schlimmeres passiert ist.“


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