Liquiditätsmanagement für Speditionen: Warnsignale erkennen und handeln

Eigentlich läuft das Geschäft gut, aber plötzlich kommen drei Tiefschläge auf einmal: Eine Krise im Nahen Osten treibt die Kraftstoffpreise hoch, bei einer Zugmaschine tritt ein Schaden auf, dann fordert die Krankenkasse eine Nachzahlung. Plötzlich ist die Liquiditätskrise da: Auf dem Geschäftskonto sind nicht mehr genug Mittel, um Löhne, Diesel und Maut für den kommenden Monat zu bezahlen. Gerade bei der derzeit schlechten Konjunktur ist das oft der Anfang vom Ende. 11.900 Unternehmensinsolvenzen gab es im ersten Halbjahr, so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr, berichtet das Auskunftsunternehmen Creditreform. Was können Transportunternehmer also tun, um ihre Liquidität mittel- und langfristig zu sichern? "Eine Liquiditätskrise wird meist zu spät bemerkt, das ist das Grundproblem", erklärt Daniel Giel, Gründer und Geschäftsführer der Beratungsfirma "Die Speditionsexperten" in Köln. Häufig handele es sich um ein "Erfolgsproblem": Die Geschäfte laufen gut und deshalb schaut man sich die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) nicht so genau an. Außerdem haben viele Betriebe beim Finanzamt eine Umsatzsteuer-Dauerfristverlängerung beantragt, was dazu führt, dass die BWA mit bis zu zwei Monaten Verzögerung kommt - Warnsignale werden so noch später bemerkt. "Genau hier muss Liquiditätsmanagement ansetzen", betont Giel, "Sie müssen früher im Bilde sein". Kennzahlen im Blick behalten Kennzahlen, an denen sich drohende Zahlungsprobleme ablesen lassen, gibt es reichlich (siehe Kasten rechts). Der Berater empfiehlt einen einfachen Indikator: "Sehen Sie sich Ihre monatlichen Mautausgaben an." Diese sollten ins Verhältnis zum Umsatz gesetzt werden, um zu kompensieren, dass die Monate unterschiedlich viele Arbeitstage haben. "Sinkt der Wert um mehr als etwa drei Prozent, sollten die Alarmglocken läuten", warnt Giel. Deutet sich eine Zahlungsunfähigkeit an, muss die Geschäftsleitung sofort handeln und sich einen Überblick über alleein- und ausgehenden Zahlungen verschaffen. Wann wird die Maut abgebucht, wann zahlt der Großkunde die Rechnung? Nur so lässt sich erkennen, wie groß der Spielraum noch ist beziehungsweise wie groß die Lücke an Barmitteln. "Parallel muss ein Liquiditätsplan für die nächsten drei und sechs Monate aufgestellt werden", rät Giel. Wobei Realismus gefragt ist: Weder das zu erwartende Auftragsvolumen noch die Zahlungsgeschwindigkeit der Kunden darf überschätzt werden. Auch zu wichtigen variablen Kostenfaktoren wie dem Kraftstoffpreis sollten realistische Annahmen gemacht werden. Nur dann lässt sich erkennen, wie viele Mittel zusätzlich benötigt werden. Handeln, bevor es zu spät ist Grundsätzlich lässt sich die Liquidität auf zwei Arten verbessern: Der Betrieb erhöht seine Einzahlungen beziehungsweise vereinnahmt sie schneller - oder die Auszahlungen werden gesenkt respektive später getätigt. Das klingt banal, doch gerade den Faktor Geschwindigkeit übersehen viele Betriebe. Wer Rechnungen zum Beispiel nicht erst an einem "traditionellen" Stichtag (etwa Ende der Woche) schreibt, sondern unverzüglich nach Abschluss eines Auftrages, verbessert seine Liquidität sofort, weil er Kraftstoff oder Löhne kürzer vorfinanzieren muss. Deshalb sollten auch kürzere Zahlungsziele vereinbart werden. Hier zeichnet sich in der Branche allerdings eher ein Negativtrend ab. Insider berichten, dass einzelne Verlader derzeit versuchen, Zahlungsziele von über 100 Tagen durchzusetzen. "Wenn es sich dabei um gute, bleibende Kunden handelt, mag das okay sein, aber nicht bei einer Rücktour, die über Timocom akquiriert wurde", findet Giel. Es sollte nicht tabu sein, Geschäftspartner, die zu lange Zahlungsziele fordern, auszusortieren, so der Berater. "Es gibt derzeit genug Kunden, die ohne Abzug sofort zahlen." Auch lohnt es sich, schnell(er) zu mahnen, früher ein Mahnverfahren einzuleiten oder ein Inkassounternehmen zu beauftragen. Nur so lässt sich verhindern, dass schleppende Zahler sich auf Kosten ihres Dienstleisters finanzieren. Härteres Forderungsmanagement Mit dieser härteren Gangart tun sich viele Transportunternehmer schwer, vor allem wenn es sich um Stammkunden handelt. Nachsicht ist jedoch fehl am Platz. Erfahrungen zeigen, dass die Zahlungswilligkeit direkt nach einem Auftrag am höchsten ist - und Problemkunden schleppend zahlen, ganz gleich wie viel Zeit man ihnen einräumt. Um zu verhindern, dass zu den bestehenden Außenständen weitere hinkommen, raten Profis zu einem stringenten Debitorenmanagement. Dazu gehört, alle Auftraggeber - ob neu oder alt - einer Bonitätsprüfung zu unterziehen. Bei Anbietern wie Creditreform, Creditsafe oder Crif Bürgel lassen sich online schnell Auskünfte zu einem Betrieb einholen. Bei schlechter Note sollte die Geschäftsbeziehung beendet oder gar nicht erst begonnen werden. Außerdem sollte für alle Kunden ein individuelles Kreditlimit festgesetzt werden, das sich nach Bonität und Wichtigkeit richtet. Wird es überschritten, kann der Kunde keine weiteren Aufträge mehr erteilen; auch bei persönlichen Bekannten sollten keine Ausnahmen gelten. Zu den größten internen Hebeln, um die Liquidität zu verbessern, gehören die Personalkosten. In Zeiten knapper Kassen sollten Überstunden nicht ausbezahlt werden, weil das sofort den Cashbestand belastet. Stattdessen empfiehlt es sich, sie über Freizeitausgleich abzubauen. Freiwillige Leistungen und Sonderzahlungen gehören ebenfalls auf den Prüfstand. Ist die Lage besonders ernst, kann mit der Belegschaft die Zahlung des Gehalts in Raten vereinbart werden. Auch ein Ausgabestopp kommt in Betracht, solange er die Zukunftsfähigkeit nicht gefährdet. So erkennen Sie eine drohende Liquiditätskrise Ein Unternehmen gilt als liquide, wenn es über ausreichende flüssige Mittel verfügt, um seine laufenden Ausgaben zu decken, ohne dass es zu finanziellen Engpässen kommt. Die Liquidität wird in drei Graden gemessen, wobei für Transportunternehmen vor allem die Grade I und II relevant sind: Liquiditätsgrad I: Gibt an, zu wie viel Prozent die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch sofort verfügbare Mittel (Kassenbestand, Bankguthaben) abgedeckt sind; Zielwert: mindestens 10 Prozent, besser 20 bis 30 Prozent Liquiditätsgrad II: Gibt in Prozent an, wie viel Prozent der kurzfristigen Verbindlichkeiten durch kurzfristig realisierbare Mittel (Kassenbestand, Bankguthaben, kurzfristige Forderungen) abgedeckt sind; Zielwert: 100 bis 120 Prozent Anzeichen für eine drohende Liquiditätskrise sind: Die Liquiditätsgrade I und II sinken Rechnungen können immer seltener fristgerecht bezahlt werden. Mahnungen nehmen zu Die Kreditlinie bei der Bank wird immer stärker ausgeschöpft Wichtige Sofortmaßnahmen: Kassensturz durchführen: Wie viel Geld steht zur Verfügung (Kasse und Bank)? Liste mit allen Verbindlichkeiten machen: Was wird wann fällig? Nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte verkaufen Mit Gläubigern über die Stundung von Verbindlichkeiten verhandeln (Bank, Lieferanten, Krankenkasse, Finanzamt) Eigene Zahlungsziele verkürzen, früher Rechnungen stellen, Mahnwesen verschärfen Ggf. Kredit von der Hausbank oder von Kunden beschaffen Kredit, Darlehen oder Factoring? Kurzfristig neue Barmittel zu beschaffen, ist generell schwierig. Mitunter lässt sich über die Hausbank ein Kredit abschließen, manchen Dienstleistern gelingt es auch, von einem großen Kunden ein Darlehen zu erhalten. Eine Möglichkeit, um sofort mehr Geld auf dem Geschäftskonto zu bekommen, ist das sogenannte Factoring. Dabei verkauft der Unternehmer seine Forderung an einen externen Dienstleister (Factor), der dann dafür sorgt, dass der entsprechende Kunde sie bezahlt. Die so zufließenden Mittel lassen sich zum Beispiel verwenden, um eingehende Rechnungen mit Skonto zu begleichen. Also ein direktes Liquiditätsplus. Allerdings verlangt der Factor eine Gebühr zwischen 0,5 und drei Prozent des Rechnungsbetrages, plus Zinsen für die Vorfinanzierung. Sanierer Giel steht dem Instrument deshalb skeptisch gegenüber. "Die Kosten sind auf lange Sicht einfach zu hoch." Liege die Umsatzrendite des Betriebs nur zwischen zwei und vier Prozent, stellten die Factoringkosten eine zu starke Belastung dar. Der Berater würde das Instrument lediglich bei Einzelaufträgen einsetzen, andere Experten empfehlen es nur bei einem solventen Kundenstamm (siehe Interview unten). Maßnahmen wie verkürzte Zahlungsfristen oder schnelleres Mahnen sind zwar unerlässlich, aber letztlich nur eine Art Pflaster. Wer die Liquidität langfristig sichern will, muss die zugrunde liegende "Krankheit" behandeln: mangelnde Ertragskraft. Und die lässt sich nur mit klassischen kaufmännischen Methoden verbessern. "Berechnen Sie für jeden Lkw den Deckungsbeitrag, gehen Sie an die Kosten ran, egal wie klein der Posten scheinen mag", rät Giel. Sein Tipp: Spediteure, die mit den zuletzt gestiegenen Versicherungskosten kämpfen, sollten sich nach einer "Poolversicherung" umschauen. Anbieter wie das Hagener Unternehmen Barter Fuhrparkmanagement fassen die Fuhrparks mehrere Betriebe zusammen und bekommen von den Versicherungen bessere Bedingungen. Zu gutem Liquiditätsmanagement gehört auch, in guten Zeiten ein Cashpolster aufzubauen. Wenn die Konjunktur brummt und Verlader händeringend Frachtraum suchen, ist der Zeitpunkt gekommen, um großzügige Zahlungskonditionen zurückzunehmen. Außerdem kann es sich lohnen, dann teure Anschaffungen "cash" zu bezahlen - gerade bei hohem Zinsniveau. Sind ausreichend Mittel vorhanden, sollten auch Altlasten beseitigt werden - eine noch nicht bezahlte Verbindlichkeit gegenüber der Krankenkasse zum Beispiel. "Genau solche Dinge führen in schlechten Zeiten oft zur Zahlungsunfähigkeit", weiß Berater Giel. "Es ist wichtig, den Überblick zu behalten" An welchen Punkten sollte das Liquiditätsmanagement im Geschäftsalltag ansetzen? Es ist wichtig, den Überblick über die Zahlungsströme zu behalten und damit Warnsignale, insbesondere Deckungslücken, rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Wir empfehlen, Liquiditätsmanagement als festen Bestandteil des regelmäßigen Controllings zu etablieren. Wie sollte der Umgang mit Forderungen aussehen? Wenn möglich, sollten Vorauszahlungen vereinbart und gestellt werden. Kunden müssen die Zahlungsfristen bei Auftragserteilung kennen. Wenn die Zahlungstermine nicht eingehalten werden, gibt es keinen Grund, auf eine unmittelbare und hartnäckige Einforderung, schriftlich und telefonisch, zu verzichten. Dafür sollte es eine Forderungsüberwachung und Mahnlisten nach definierten Terminen geben. In kritischen Branchen oder Zeiten sollten Sie sich über die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kunden informiert halten. Für welche Betriebe eignet sich Factoring? Das Instrument des Factorings kann sich für Unternehmen mit einem höheren Forderungsvolumen bei längeren Zahlungsfristen eignen. So werden andere Finanzierungen kleiner. Insbesondere bei Unternehmen mit einem als solvent eingeschätzten Kundenstamm ist das gut möglich. Wie sinnvoll ist es, eine Kreditversicherung abzuschließen? Im Regelfall immer. Aber natürlich gibt es Ausnahmen. Wenn ein Unternehmen mit Kunden arbeitet, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus-fallen können, kann eine Kreditversicherung schon mal weniger Sinn machen. Beispiele wären Behörden, Staatsunternehmen, systemrelevante sowie abgesicherte Unternehmen. Serie: Raus aus der Krise Teil 1: Liquidität sichern (VR 19/2025) Teil 2: Vom Problemfall zur Sanierung (VR 20-21/2025) Teil 3: Zahlen lesen und verstehen (VR 22/2025) Teil 4: Welche Wachstumsstrategien heute funktionieren (VR 24-25/2025)