Deutschland erlebt gerade das dritte Jahr Wirtschaftskrise. Wie sehr trifft dies Ihr Event BVL Supply Chain CX (vormals Deutscher Logistik-Kongress), das Sie vom 22. bis 24. Oktober in Berlin veranstalten?
Wir merken das schon als Veranstalter. Früher gab es immer mal Unternehmen, die mit zehn bis 15 Teilnehmenden auf unserem Kongress waren. In Zeiten, in denen sich Firmen mitten in der Transformation befinden, fallweise sogar mit Personalabbau verbunden, lassen sich solche Zahlen aber intern schwer vermitteln. Umso mehr freut es mich, dass wir mit unserem neuen Format, das wir 2024 erstmals präsentiert haben, neue Bereiche ansprechen und uns weitere Zielgruppen erschließen. So erreichen wir neben dem Top-Management nun auch weitere Fach- und Führungskräfte. Außerdem haben wir deutlich mehr internationale Aussteller als in den Vorjahren. Das zeigt, dass unser Konzept aufgeht. Wir wollen mit unserem neuen Format ganz bewusst aus dem engen Fokus der Logistik heraustreten und uns horizontal und vertikal breiter aufstellen. Wir haben sogar einen Quantencomputer-Anbieter bei uns. Mit rund 120 Ausstellern und voraussichtlich ähnlich vielen Teilnehmenden wie beim letzten Mal sind wir in diesem Jahr sehr zufrieden.
Sie sprachen gerade davon, dass die BVL im vergangenen Jahr ihren bewährten Deutschen-Logistikkongress völlig neu aufgestellt hat. Was davon hat sich bewährt, und auf was verzichten Sie in diesem Jahr?
Bewährt hat sich auf jeden Fall unser Ansatz, Expo und Kongress in einem Format zu verbinden. Das ist sehr gut angekommen, gerade bei unseren Ausstellern. Wir hatten allerdings im vergangenen Jahr mit insgesamt acht Bühnen und vielen anderen Angeboten zu viel Programm. Das werden wir in diesem Jahr straffen. Sprich: Wir werden eine Bühne weniger haben und weniger Fläche als 2024 bespielen. Das macht unser Event wieder kompakter und persönlicher, was fürs Netzwerken sehr wichtig ist. Was mich auch freut: wir organisieren in diesem Jahr erstmals einen „Kreathon“, also eine Veranstaltung, bei der Teams über einen begrenzten Zeitraum gemeinsam an einem spezifischen Projekt arbeiten werden, um innovative Lösungen zu entwickeln. Ein weiteres aktuell wichtiges Thema wird die „Defence“-Logistik sein, zu der Generalmajor Jochen Deuer, Logistikkommandeur der Bundeswehr, sprechen wird. Das macht uns sehr stolz.
Apropos stolz: auf welches Highlight freuen Sie sich in diesem Jahr ganz besonders?
Wie lange haben Sie Zeit? (lacht). Wir haben extrem viele spannende Themen, gerade im Bereich Geopolitik. Gespannt bin ich auf jeden Fall auf die Podiumsdiskussion am Mittwoch zum Thema Geopolitik und Standort Deutschland, zu der wir tolle Referenten gewinnen konnten, etwa Duisport-Vorstandschef Markus Bangen, BLG-Vorstandschef Mathias Magnor und Carsten Klude, Chefvolkswirt von M. M. Warburg & CO. – moderiert von der Wirtschaftsredakteurin Ulrike Herrmann. Sehr viel Inspiration erhoffe ich mich auch von dem Vortrag von Arthur Valdez, vormals Top-Manager bei Amazon und Starbucks, zum Thema Geschäfts-Skalierung.
Sie haben im Vorfeld Ihres Events sehr viel mit Referenten und Ausstellern gesprochen. Was sind die maßgeblichen Themen, die die Unternehmen momentan bewegen, an denen sie arbeiten?
Das sind insbesondere die Bereiche Geopolitik – verbunden mit der Frage, was bedeutet das für den Standort Deutschland und vor allem für das eigene Geschäft. Nur zwei Beispiele dazu: Was passiert, wenn China Taiwan überfällt – Stichwort Chip- und Halbleiter - oder was passiert im Falle einer weiteren Eskalation des Handelskonflikts USA-China? Das hat alles sehr viel mit Beschaffung (Sourcing), Lieferketten und Logistik zu tun. Weiteres zentrales Thema ist die Digitalisierung von Supply Chains verbunden mit einer industriell eingebundenen Künstlichen Intelligenz (KI). Ich würde sogar so weit gehen, dass die Digitalisierung im Moment eine ganz neue Bedeutung erhält. Denn ohne saubere Datenerhebung und Digitalisierung muss ein Unternehmen mit KI erst gar nicht anfangen. Umso wichtiger wird für die Unternehmen das Netzwerken – auch und gerade vor dem Hintergrund, sich austauschen zu wollen. Wie gehen anderen Firmen mit bestimmten Themen um und vor allem, auf welche Szenarien stellen sie sich in den kommenden Jahren ein? Die Unternehmen denken immer weniger in Jahresprognosen, sondern vermehrt in Szenarien. Es gibt einfach keine Gewissheit mehr.
Auch und gerade deshalb gewinnt, wie Sie richtig sagen, aktuell das Thema Digitalisierung eine ganz neue Dimension– gerade auch in der Logistik. Sind da schon alle Unternehmen in der Logistik gut unterwegs?
Die großen Logistikunternehmen ja; bei den mittelständischen Betrieben sehe ich da Nachbesserungsbedarf. Das zeigt auch unsere aktuelle Studie Trends und Strategien in Logistik und Supply Chain-Management, die wir auf dem Kongress präsentieren. Die Schere zwischen mittelständischen und großen Logistikunternehmen geht da zunehmend auf, fürchte ich.
Sprich: der Mittelstand droht in Sachen Digitalisierung abgehängt zu werden. Wie kann vor diesem Hintergrund ein Event wie die BVL Supply Chain CX solchen kleinen und mittleren Betrieben in der Logistik helfen?
Die BVL Supply Chain CX hat dafür gleich einen doppelten Mehrwert. Zum einen können Mittelständler hier über die Vorträge und in der Expo zahlreiche Best-Practice-Beispiele anderer Unternehmen kennenlernen, welche die gleichen Herausforderungen haben. Zum anderen muss man in Sachen Digitalisierung nicht alles selbst machen – es gibt zahlreiche Dienstleister, die gerade Mittelständlern viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit abnehmen und mit fertigen Lösungen unterstützen können.
Das Interview führte Eva Hassa, Redakteurin der VerkehrsRundschau