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Interview: Betreibt die Post Tarifflucht?

05.02.2015 10:56 Uhr
Interview: Betreibt die Post Tarifflucht?
Florian Gerster ist seit 1. Januar 2015 der neue Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Paket und Expresslogistik (BIEK)
© Foto: BIEK

Paketzusteller der Post sollen künftig bei neu gegründeten Gesellschaften unter dem Namen DHL Delivery angestellt sein. Der neue BIEK-Vorsitzende Florian Gerster äußert sich dazu im Interview.

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VerkehrsRundschau: Die Deutsche Post DHL will für die Paketzustellung eine neue DHL Delivery GmbH gründen. Sie begründet dies damit, auf Dauer nicht doppelt so hohe Stundenlöhne zahlen zu können wie die Konkurrenz. Kann man der Post nun Tarif- und Mitbestimmungsflucht vorwerfen?

Florian Gerster: Von Tarifflucht kann nicht die Rede sein. Die Post wechselt mit ihrer neuen Tochter DHL Delivery GmbH nur von ihrem Haustarif in den Flächentarif der Speditions- und Logistikbranche. Das ist ein Wechsel von „Tarifarten“, aber keine Tarifflucht. Rechtlich und betriebswirtschaftlich ist das Vorgehen also nicht zu beanstanden. Die Aussage der Post, sie zahle doppelt so hohe Löhne wie die Konkurrenz, ist so nicht richtig. Alle BIEK-Mitgliedsunternehmen zahlen deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn und zum Teil sogar erheblich über zehn Euro/Stunde, gerade in den großen Ballungsräumen.

Als neuer Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands Express- und Paketlogistik (BIEK) vertreten Sie ja die Interessen der Wettbewerber der Post. Für wie wahrscheinlich erachten Sie es, dass die Post nun ihre niedrigeren Zustellkosten dazu nutzen wird, um eine neue Preisrunde im Paketmarkt einzuläuten?

Das wird man sehen. Immerhin geht die Post sehr raffiniert mit ihren Möglichkeiten in einem großen Konzern um, also quer zu subventionieren. Wer weiß, an welcher Stelle die Entlastungen also wieder auftauchen, die sie durch die DHL Delivery GmbH hat (lacht). Im Ernst: Davor ist uns nicht bange. Die Unternehmen unseres Verbands sind dafür qualitativ bestens gerüstet.

Würden Sie so weit gehen, dass es im deutschen Paketmarkt mittlerweile einen Verdrängungswettbewerb über den Preis gibt?

Die Post hat in diesem Segment hierzulande 40 Prozent Marktanteil, während die anderen KEP-Dienste 60 Prozent haben. Insofern kann man hier von einem funktionierenden Wettbewerb sprechen. Die Paketpreise in Deutschland sind aber tatsächlich zu niedrig. Es kann nicht sein, dass viele Menschen bereit sind, für einen „Coffee to go“ mehr zu bezahlen als für den Versand eines kleinen Pakets. Gegen einen solchen Wettbewerb, der nur über den Preis ausgetragen wird, müssen wir uns wehren – letztlich über noch mehr Qualität, Seriosität und Markenbindung.

Tut da der deutsche Gesetzgeber schon genügend, um die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der KEP-Branche in Deutschland sicher zu stellen?

Die Deutsche Post profitiert nach wie vor von Privilegien, von denen unsere Mitgliedsunternehmen nur träumen können. Mit der Wettbewerbssituation im Paket- und Expressmarkt sind wir aber relativ zufrieden - mit Betonung auf „relativ“. Im Briefmarkt sieht es ganz anders aus. Dort hat die Post 90 Prozent Marktanteil. Sie wird im Briefmarkt also nur vom Wettbewerb gestreift, aber nicht erfasst. Da die Post ihr Brief- und Paketgeschäft in einer Sparte gebündelt hat, kann uns das nicht egal sein. Dort fordern wir also unverändert eine weitestgehende Deregulierung des Briefmarkts. Außerdem muss der Bund seine verbleibenden Post-Aktien, die über die KfW gehalten werden, endlich veräußern.

Im Sommer 2014 hat der Arbeitsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) in der KEP-Branche schwerwiegende Verstöße gegen den Arbeitsschutz festgestellt. NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) forderte deshalb seinerzeit eine Verschärfung der Fahrpersonalverordnung. Sind diese Vorschläge mittlerweile vom Tisch, oder müssen sich KEP-Dienste auf Verschärfungen einstellen?

Als das hochkam, haben wir Arbeitsminister Schneider volle Kooperation und Mitwirkung zugesichert. Seitdem ist bei diesem Thema meines Wissens nichts mehr geschehen. Uns liegt mittlerweile aber der Bericht seines Hauses vor. Er zeigt, dass die großen KEP-Dienste eher marginal betroffen waren. Dort gab es Ungenauigkeiten in der Dokumentation, etwa weil dort Aufzeichnungen aus Zeitgründen verspätet erfolgt waren. Soweit ich weiß sind die Probleme inzwischen behoben.

Seit 1. Januar sind Sie neuer BIEK-Vorsitzender. Welche Ziele wollen Sie in Ihrer neuen Position mit Ihren Mitgliedsfirmen umsetzen?

Mir ist wichtig, dass die Wertschätzung der Paket- und Logistikbranche gegenüber stabiler wird. Dazu planen wir gemeinsam mit der Politik eine Imagekampagne über die sicheren Arbeitsplätze unsere Branche sowie die Ausbildungsmöglichkeiten für Migranten in unserer Branche. Außerdem trete ich natürlich dafür ein, dass wir in unserer Branche wieder faire Wettbewerbsbedingungen haben und wir uns nicht mit Resten des alten Postmonopols auseinander setzen müssen.

In welchen Bereichen sehen Sie da bei der Politik den größten Nachbesserungsbedarf?

Ein Ziel, das mir am Herzen liegt, und für das ich eintrete, ist die Politik davon zu überzeugen, dass sie die Regulierungs-Schraube nicht überdreht. Gerade bei den Themen Aufzeichnungspflichten, Mindestlohn und Arbeitsstätten-Verordnung sollte das Korsett nicht zu eng sein. In Einzelfällen muss Regulierung sein, aber nicht übertrieben. Kurz: etwas mehr gesunder Menschenverstand in der Politik – das wäre sinnvoll.

Was ist derzeit das wichtigste Projekt, das auf Ihrem Schreibtisch liegt?

Unser derzeit wichtigstes Projekt ist unsere neue Studie zum Thema Innenstadtlogistik, die wir am 27. Februar 2015 zusammen mit Professor Ralf Bogdanski von der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm in Berlin veröffentlichen werden.

Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa.

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