Frankfurt/Main. Die Gewerkschaft Verdi will zu den Arbeitsbedingungen von rund 44.000 Beschäftigten im hessischen Logistikgewerbe künftig nur noch mit den einzelnen Betrieben verhandeln. Die Tarifverträge mit der bislang zuständigen Vereinigung des Verkehrsgewerbes in Hessen (VDV) habe man sämtlich zum 31. Dezember gekündigt, berichtete Verdi am Freitag in Frankfurt.
Der Verband sei nicht zur Modernisierung des Tarifwerks bereit, während sich einzelne Arbeitgeber ihrer Verantwortung gerade auch in sozialen Belangen durchaus bewusst seien, begründete Verdi den Schritt. Bei Speditionen, Kurier- und Paketdiensten müssten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Arbeits- und Einkommensbedingungen leben, die weder zeitgemäß noch zumutbar seien. Es gebe unter anderem altersdiskriminierende Urlaubsregelungen, unterschiedliche Behandlung von Angestellten und Arbeitern, ein niedriges Entlohnungsniveau sowie geringe Nachtzuschläge.
Für die Arbeitnehmer ändere sich zum Jahreswechsel zunächst nichts, weil in der dann tariflosen Branche die alten Verträge nachwirkten. Zum Weihnachtsfest 2021 seien Streiks weder möglich noch geplant, könnten aber für den Jahresverlauf 2022 nicht ausgeschlossen werden, sagte der zuständige Verdi-Fachbereichsleiter Andreas Jung laut einer Mitteilung. Das hänge von den Reaktionen der Arbeitgeber ab.
VDV reagiert verärgert und mit Unverständnis
Die VDV reagierte auf Nachfrage der VerkehrsRundschau verärgert gegenüber Verdi: „Zentrales Element tariflicher Normsetzung in der Bundesrepublik war zumindest bislang der Verbands- oder Flächentarifvertrag. Verdi kündigt jetzt diese jahrzehntelange bewährte Sozialpartnerschaft auf und begibt sich auf einen Irrweg.“ Die Arbeitgeber hätten in der Vergangenheit gezeigt, dass sie mit Verdi gemeinsam passende und moderne Tarifverträge für die gesamte Branche aushandeln können.
Zuletzt sei dies mit den jüngsten Tarifabschlüssen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bestätigt worden. „Soweit Verdi einzelne Regelungen im Tarifvertrag als rechtswidrig darstellt, so haben diese Bestimmungen bislang einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung standgehalten. Der jetzt von Verdi Hessen versuchte Weg atomisiert die Tariflandschaft und widerspricht diametral dem von der Politik und den Gewerkschaften angestrebten Ziel der verstärkten Tarifbindung in der Wirtschaft“, so die VDV weiter.
Flächentarifverträge seien herausragende Mittel zur kollektiven Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. An dieser Regel wolle man festhalten und keine einzelnen Tarifgespräche mit der Gewerkschaft führen. „Wir haben als zuständiger Arbeitgeberverband Verdi zur Aufnahme von Tarifverhandlungen bereits Anfang Januar 2022 aufgefordert und sehen die geplanten Aktionen als rechtswidrig an.“ (dpa/sn)