Getrennte Wege

Wer gedacht hat, der im Herbst 2014 geschlossene Burgfrieden zwischen der European Pallet Association (EPAL) und dem Internationalen Eisenbahnverband UIC würde langfristig halten, wurde in diesem Frühjahr eines Besseren belehrt. Der Paukenschlag kam im März in Form einer Pressemitteilung der EPAL: Darin kündigte die Palettenorganisation an, die Tauschvereinbarung mit der Rail Cargo Austria als geschäftsführende Bahn der UIC-Arbeitsgruppe "Fragen der Palettierung" zum 1. Mai 2017 zu beenden. Will heißen: Es wird Verwendern seitens EPAL empfohlen, ab diesem Datum UIC-Paletten auszusortieren. Kleiner Trost: Immerhin wurde eine Übergangszeit bis Ende 2021 eingeräumt, in der Paletten beider Lager unter bestimmten Voraussetzungen weiter getauscht werden können (siehe Kasten S. 29 unten). Zankapfel Fälschungsproblematik Den Schritt begründet EPAL einerseits mit generellen Mängeln der Organisation des Tauschpools durch die UIC, die über einzelne Landesorganisationen abgewickelt wird. Das eigentliche Lamento kreist allerdings um die Bereiche Qualitätssicherung und Bekämpfung gefälschter Paletten. Insbesondere der unkontrollierte Import von gefälschten UIC/EUR-Paletten aus Osteuropa gefährde Qualität und Sicherheit des Europalettenpools, heißt es aus dem EPAL-Lager. Ein Vorwurf, den die UIC vehement von sich weist. "Minderwertige Qualität hat im UIC-Netzwerk keinen Platz, für uns stehen Sicherheit und Qualität der Paletten an erster Stelle. Dies umso mehr, als wir nicht nur Lizenzgeber der EUR-Paletten sind, sondern diese auch selbst im Güterumschlag und bei Transporten einsetzen", bekräftigt Thomas Metlich, Koordinator EUR-Palette Rail Cargo Group. Für EPAL-CEO Martin Leibrandt hat das UIC-Netzwerk jedoch gewaltigen Nachholbedarf, was die konsequente Verfolgung von Fälschungen angeht. "Die UIC muss ihren Ankündigungen in Sachen Markenrechtsverletzungen endlich Taten folgen lassen", fordert Leibrandt und verweist insbesondere auf die Ukraine, in der mit aktuell rund vier Millionen gefälschten Paletten ein besonders hohes Pirateriepotenzial liege. Nach Einschätzung von Metlich tue die UIC allerdings sehr wohl einiges gegen Markenrechtsverletzungen: "Seitens der einzelnen UIC-Mitgliedsunternehmen sowie der RCA als Markenrechtsinhaberin der Marke EUR werden verschiedenste Maßnahmen unternommen, um den Verpflichtungen aus dem gültigen UIC-Merkblatt 435-2 zu entsprechen", so Metlich. So sei der Schutz der Marke "EUR im Oval" beantragt und ihm stattgegeben worden und sämtliche Zollbehörden in der EU seien verpflichtet, Markenfälschungen zu stoppen. Zusätzlich seien den Zollbehörden Ansprechpartner im Falle von Verstößen genannt worden, die auch Schulungen durchführen. "Die Behörden in diesen Ländern können jederzeit auf einen Experten der jeweils zuständigen Prüforganisation zurückgreifen", so Metlich weiter. Zudem habe man die Zollbehörden in Polen, in der Slowakei und in Ungarn aufgrund der Außengrenze zur Ukraine besonders sensibilisiert. "In der Ukraine selbst wurde beim Zoll ein zusätzlicher Antrag auf Schutz der Marke eingebracht", betont der UIC-Mann. Ob die UIC organisatorisch in der Lage ist, schlagkräftig gegen Fälscher vorzugehen, bezweifelt der EPAL-Chef jedoch: "Wir sprechen über eine Arbeitsgruppe aus RCA und verschiedenen ehemaligen Staatsbahnen in Osteuropa, die alle über verschiedene Prüforganisationen verfügen. Es ist einfacher, eine einheitliche Prüforganisation zu beschäftigen als fünf unterschiedliche." Es gebe bei der UIC kein übergeordnetes Palettenmanagement, wie es bei der EPAL in Düsseldorf mit 23 Mitarbeitern und 15 Nationalkommittees zu finden sei, sagt Leibrandt. "In allen Ländern haben wir Rechtsanwälte, die in unserem Auftrag Markenrechtsverletzungen nachgehen. Wir führen in diesem Zusammenhang mehr als 100 Marktbeobachtungen jährlich durch, die Anzahl der gerichtlich verfolgten Fälle schwankt zwischen 30 und 60 im Jahr", beschreibt Leibrandt die eigenen Antipiraterie-Aktivitäten und bemängelt: "Es kann nicht sein, dass nur eine Seite der Markenrechtsverfolgung nachgeht, der Pool über die Tauschfähigkeit durch gefälschte Paletten aber immer mehr an Qualität einbüßt." Während sich also EPAL und UIC unversöhnlicher denn je gegenüberstehen, sind es die Palettenverwender und insbesondere die Transportunternehmen, die die Folgen des Scharmützels zwischen den beiden Organisationen ausbaden müssen. Vor allem an Spediteuren, die im Palettenumlauf den mit Abstand größten Anteil der Kosten zu tragen haben (siehe Grafik), dürfte die EPAL-Empfehlung nicht spurlos vorbeigehen. Hubert Valder, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Speditionsund Logistikverbands (DSLV), betonte denn auch kurz nach dem Vorstoß der EPAL im Interview mit der Verkehrs-Rundschau, dass die Wirtschaft in Anbetracht des zu erwartenden Kostenaufwands keine Paletten nach unterschiedlichen Marken sortieren wolle. Höhere Umlaufkosten drohen Diesen Eindruck hat auch Volker Lange, Verpackungsexperte am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML): "Aus der Praxis kenne ich keinen Verwender, der seine Ladungsträger noch zusätzlich in EPAL- und UIC-Europaletten separieren will", berichtet der Fraunhofer-IML-Abteilungsleiter. Denn das verursacht zusätzliche Kosten für das physische Handling, die Verwaltung und gegebenenfalls der Wertverlust durch unerwünschte UIC-Paletten, die gegen EPAL-Ladungsträger ausgetauscht werden müssen. "Wer das trägt und wie hoch die Kosten ausfallen, hängt davon ab, wie der Palettenumlauf organisiert ist. Es ist aber nicht auszuschließen, dass etwas davon beim Spediteur hängen bleibt", gibt Lange zu bedenken. Andererseits lasse sich eine solche Trennung der Paletten aber dann nicht mehr vermeiden, wenn deren Qualität so schlecht ist, dass sie logistische Prozesse beeinträchtigt. Denn vor allem automatisierte Intralogistikanlagen verlangen nach einwandfreien Paletten. "Zumindest für die EPAL kann ich bestätigen, dass die Organisation sich sehr um die Qualitätskontrolle der Paletten in ihrem Pool bemüht", so Lange. "In der Praxis wird auch künftig kein Mensch zwischen Paletten der verschiedenen Lizenzgeber unterscheiden. Wir sind schon heute mit der Trennung der unterschiedlichen Palettenqualitäten ziemlich beschäftigt", sagt Peter Baumann, Geschäftsführer der Stückgutkooperation 24plus. Ihren Streit sollten UIC und EPAL unter sich austragen und nicht auf dem Rücken der Spediteure. Die zusätzliche Trennung nach Lizenzgebern würde den Aufwand verdoppeln. "Das muss irgendjemand bezahlen, die Verlader werden das nicht wollen und die Spediteure nicht können", warnt Baumann. Zurück zum Kauf? Sollte der Zug-um-Zug-Tausch künftig nicht mehr wie gewohnt möglich sein, müsse das Gewerbe über Alternativen nachdenken und die Palette beispielsweise wieder auf die Kaufvertragsebene heben, deutet der 24plus-Geschäftsführer mögliche, aber ungewollte Konsequenzen an. Während die Palettenorganisationen nur mehr oder weniger unverbindliche Empfehlungen aussprechen können, haben Industrie und Handel mehr Macht. Problematisch könnte es für das Gewerbe werden, wenn die Verlader auf eine Trennung in UIC und EPAL bestehen. Nach Ansicht von EPAL-CEO Leibrandt ist genau dies schon jetzt der Fall. Für ihn liegt auf der Hand: Große und namhafte Verwender sortieren schon heute UIC-Paletten aus, da diese die hohen Qualitätsansprüche an Ladungsträger nicht erfüllten. Der Markt habe sich also bereits für die EPAL-Palette entschieden. Im Übrigen liege der Marktanteil von UIC-Paletten hierzulande im niedrigen einstelligen Prozentbereich, schätzt Leibrandt. Dass sich der Tauschzoff zwischen den Palettenorganisationen aufgrund der geringen Marktbedeutung der UIC-Ladungsträger in der Praxis unter Umständen auch als Sturm im Wasserglas entpuppen könnte, legen weitere Zahlen nahe: Im vergangenen Jahr wurden gut 80 Millionen Europaletten für die EPAL produziert. "Wer die Produktionskapazitäten im Markt kennt, weiß, dass da nicht mehr viel Luft für andere Paletten ist", sagt ein Marktkenner, der namentlich nicht genannt werden möchte. Genaue Zahlen zur Produktion der UIC kenne er nicht. Es kursieren in der Tat lediglich Markteinschätzungen, aus denen sich ein UIC-Marktanteil zwischen zwei und fünf Prozent in Deutschland ergibt. Auch Verwender sind gefordert Zur Qualität der UIC-Paletten oder zur Bedeutung gefälschter UIC-Ladungsträger will sich der Experte lieber nicht äußern. Plagiate gebe es aber grundsätzlich bei allen Ladungsträgern, beispielsweise auch bei Kisten für Fleisch oder Gemüse: "Es gibt immer jemanden, der ein paar Cent sparen will und dem dann egal ist, ob er ein Original kauft oder nicht." Ein Stück weit seien daher neben den Herstellern und den Kontrollinstituten der Palettenorganisationen auch die gefordert, die die Ladungsträger in Verkehr bringen, sprich: Neue kaufen. Wenn sich die UIC, wie von der EPAL behauptet, tatsächlich nicht an die verabredete Qualitätskontrolle halte, "dann hat die EPAL das Recht zum Schutze aller zu sagen: Die Tauschvereinbarung gilt nicht mehr", so der Experte. Wie beim TÜV fürs Auto seien auch bei Paletten vorgegebene Regeln einzuhalten. Noch ist der Tauschpool quicklebendig Dass das Personal an der Rampe die Paletten in EPAL- und in UIC-Ladungsträger trennen wird, glaubt der anonyme Marktkenner indes nicht. Bei den aktuell im Umlauf befindlichen Paletten sei das noch nicht nötig, da für sie die Tauschvereinbarung noch gelte. "Und dass die Mitarbeiter an der Rampe später nach einem Produktionsdatum auf den UIC-Paletten suchen, kann ich mir nicht vorstellen." Diesen Eindruck bestätigt mit Dachser auch einer der größten Logistikdienstleister: "Wir nehmen eine neutrale Position ein und tauschen ganz normal weiter. Sollte ein Kunde ausschließlich EPAL-Paletten verlangen, dann könnten wir das natürlich leisten, heißt es aus der Konzernzentrale in Kempten. Allerdings sei das Sortieren ein Mehraufwand, der dann entsprechend vergütet werden müsse. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Paletten www.verkehrsrundschau.de/dossiers Ende des gemeinsamen Tauschpools Der EPAL-Vorstoß im Überblick Im Herbst 2014 vereinbarten EPAL und die Rail Cargo Austria als geschäftsführende Bahn der UIC-Arbeitsgruppe "Fragen der Palettierung", dass EPAL-Europaletten und UIC/EUR-Paletten miteinander getauscht werden können. EPAL hat diese Vereinbarung nun einseitig beendet.- Stichtag: EPAL empfiehlt, zum 1. Mai 2017 den Tausch von EPAL-Europaletten gegen UIC/EUR-Paletten einzustellen.- Übergangsfrist: Bis Ende 2021 können alle bis zum 28. Februar 2017 unter Einhaltung der UIC-Merkblätter 435-2 bis 435-6 produzierten UIC/EUR-Paletten weiterhin mit EPAL-Paletten getauscht werden.- Rechtliche Bedeutung: Da es sich bei der Entscheidung der EPAL um eine Handlungsempfehlung ohne rechtliche Bindung handelt, ist es die Entscheidung der Verwender, ob sie auch weiterhin Paletten von EPAL und UIC untereinander tauschen wollen. mh Historie Chronologie eines Streits - Dezember 2012: Die UIC kündigt den Kooperationsvertrag mit ihrem langjährigen Partner EPAL. Das umfasst auch die Nutzung des Markenzeichens EUR .- August 2013: EPAL will die Organisation des Europaletten-Tauschpools eigenständig ausüben und bringt eigene Paletten mit EPAL-Branding auf den Markt. Von der UIC kommen Ladungsträger, die auf einem Klotz den Einbrand UIC und auf dem anderen EUR im Oval tragen. Die Spaltung ist offiziell. Verbände appellieren an die beiden Lager, sich zu einigen.- November 2014: EPAL und UIC vereinbaren, dass EPAL-Europaletten und UIC/ EUR-Paletten miteinander getauscht werden können.- Februar 2017: EPAL empfiehlt Verwendern, den Tausch von EPAL-Europaletten gegen UIC/EUR-Paletten zum 1. Mai 2017 einzustellen. mh

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