Das Parkhaus als lokales Depot

Die City-Logistik erlebte Mitte der 90er-Jahre ihren Boom. Dann verschwand sie wieder von der Bildfläche. Mittlerweile feiert sie als urbane Logistik ein Comeback und ist aktueller denn je. Hohe Kosten auf der letzten Meile Das hat sie in nicht geringem Maße dem Dieselverbot zu verdanken, mit dem verschiedene Städte wie Düsseldorf, München und Stuttgart drohen. Aber urbane Logistik nur darauf zu reduzieren, damit würde man der derzeitigen Debatte nicht gerecht werden, da es um weitaus mehr geht. Das liegt auch daran, dass der Wirtschaftsverkehr in den Städten zugenommen hat. "Nicht bezogen auf die Tonnage, aber die Anzahl der Fahrten ist gestiegen", sagte Wulf-Holger Arndt vom deutschen Institut für Urbanistik (DIFU) in Berlin. Arndt nannte auf dem Kongress "Auf neuen Wegen in die City - urbane Logistikkonzepte für morgen" ausgerichtet von der IHK-Initiative Rheinland in Troisdorf als Grund unter anderem kürzere Lieferfristen. Hinzu kommt der E-Commerce-Effekt. Die Bestellung per Internet löst einen Boom bei den Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) aus, weshalb dies "das am stärksten wachsende Segment im Transportmarkt ist", so Arndt. "Häufig werden die Abnehmer der Pakete nicht angetroffen und es muss mehrmals zugestellt werden. Auch deshalb entfallen 50 Prozent der Kosten bei den KEP-Diensten auf die letzte Meile", weist Arndt auf einen wunden Punkt hin. Da die Städte nicht nur ein Problem mit verstopften Straßen haben, sondern auch mit den Emissionen, rückt auch hier der Lieferverkehr in den Fokus der Verkehrsvermeider. "Die Städte müssen und werden dagegen etwas tun", prophezeite der Wissenschaftler. Arndt hielt den Kommunen vor, den Wirtschaftsverkehr bislang zu wenig in den Verkehrsplanungen berücksichtigt zu haben. "Ladezonen sind in meinen Augen wichtiger als Parkzonen", nannte er ein Beispiel, wo der Wirtschaftsverkehr benachteiligt werde. Als eine wichtige Maßnahme empfahl er, einen kommunalen Wirtschafsbeauftragten festzulegen. Dies ist eine Maßnahme, die es in Basel bereits gibt. Die Stadt hatte ein städtisches Güterverkehrskonzept in Auftrag gegeben. "Eine durchschnittliche Tour in der Stückgutspedition hat in Basel eine Distanz zwischen 15 und 25 Kilometern", nannte Bert Leerkamp, Professor vom Fachzentrum Verkehr an der Bergischen Universität Wuppertal und Mitautor der Studie, ein Ergebnis des Konzeptes. Sein Rückschluss war eindeutig: "Das schreit förmlich nach Elektromobilität." Eine andere interessante Zahl hat Leerkamp bei den KEP-Diensten ermittelt. Demnach beträgt deren Durchschnittsgeschwindigkeit inklusive der Stoppzeiten 2,58 Kilometer pro Stunde. Ein Tempo, mit dem auch jeder Fahrradfahrer mithalten kann, weshalb die Chancen von Lastenrädern steigen, so der Wissenschaftler. Ein wesentliches Ergebnis des Konzeptes aus Sicht von Leerkamp: "Die Abwicklung von heute - Direktbelieferung vom Depot zum Privatkunden - wird bei einem steigenden Lieferaufkommen nicht mehr funktionieren. Wir brauchen neue Möglichkeiten wie lokale Depots, Paketstationen oder mehr Abholmöglichkeiten in den Geschäften", sagte der Wissenschaftler. Die Kommunen müssten entsprechende Angebote machen, um so die Bereitschaft der KEP-Dienste zu erhöhen, solche Hubs zu nutzen. Leerkamp ging auch auf das zentral in Basel gelegene, ehemalige Containerterminal Wolf-Nord ein. Die Verlockung, diese Flächen zu bebauen, sei groß. Die klare Aussage von Leerkamp: "Diese Flächen darf Basel für die Logistik nicht komplett aufgeben. Wenn das passiert, hat Basel mehr Verkehr in der Stadt." Dieses Argument habe den Stadtverantwortlichen eingeleuchtet. Für die Umsetzung des Konzeptes hat die Stadt Basel mit Luca Olivieri seit Dezember 2016 einen Güterverkehrsbeauftragten angestellt, der aus der Speditionsbranche kommt. "Wir sind noch in der Vorbereitungsphase", sagte Olivieri, sodass er noch nicht über einzelne Erfahrungswerte sprechen konnte. Zunächst habe man die Maßnahmen priorisiert, die zuerst umgesetzt werden sollen. "Dazu gehören die Einrichtung von Mikrodepots und Paketstationen für die KEP-Dienste sowie Cargo-Bikes, so weit wie möglich", kündigte Olivieri an. Lars Pukarthofer, Leiter der Konzernrepräsentanz von UPS Deutschland, zeigte sich solchen Verteilungssystemen gegenüber offen. Er nannte Hamburg als Beispiel, wo UPS einen Teil der lokalen Zustellung per Fahrrad abwickelt. "Die Frage, wie die Verteilung in der Stadt erfolgt, ob man mit einem großen Fahrzeug in die Stadt fährt, eine Box aufstellt oder gleich einen Lagerraum anmietet und wie man dann weiterverteilt, das hängt häufig von den lokalen Bedingungen ab", sagte Pukarthofer. Das Parkhaus der Zukunft Er kann sich auch eine intensivere Zusammenarbeit unter den KEP-Diensten bei der Flächennutzung vorstellen: "Mein perfektes Parkhaus der Zukunft sieht so aus, dass das Erdgeschoss Logistikflächen ausweist, die von verschiedenen KEP-Diensten genutzt werden. Man kann bestehende Kapazitäten nutzen, ohne weitere Infrastrukturflächen in Anspruch zu nehmen." Einer gemeinsamen Auslieferung der KEP-Dienste räumt er hingegen keine Chance ein. "Da wird es kaum Effizienzvorteile geben, weil jeder Anbieter ein System mit komplexen Algorithmen entwickelt hat, das für eine hohe Effizienz sorgt." Zum anderen sei die Auslastung der Fahrzeuge der Paketdienste bereits hoch, sonst könnten sie wirtschaftlich nicht überleben. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "KEP" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Nachtanlieferung Plädoyer für ein Gütesiegel "leise Logistik" Kann die Nachtbelieferung von Einzelhandelsgeschäften eine Lösung für die urbane Logistik sein? Wenn es nach den Ergebnissen des Forschungsprojektes Geräuscharme Nachtlogistik für Innenstädte (Genalog) geht, lautet die Antwort auf diese Frage "ja"."Ziel des Projektes war es, die Lärm- und Schadstoff- und damit Verkehrsbelastungen in urbanen Gebieten zu verringern", sagte Birgit Heitzer, Leiterin Logistik Konzern bei der Rewe Group. Rewe ist in dem Projekt ein Partner neben der Wissenschaft, den Städten Köln und Dortmund und den Handelsunternehmen Doego und Tedi. In Köln wurden drei Rewe-Filialen beliefert. "Dazu war eine Ausnahmegenehmigung der Stadt Köln notwendig", sagte Heitzer. Eine Randbedingung war: Wenn es Beschwerden der Anwohner gibt, wäre der Test sofort gestoppt worden. Beschwerden gab es jedoch keine, auch weil zahlreiche Maßnahmen zur Geräuschdämmung ergriffen wurden: So kam ein 18-Tonnen-Lkw auf Iveco-Basis mit einem vollelektrischen Umbau und einer Reichweite von 200 Kilometern zum Einsatz, Gummimatten minderten Überfahrgeräusche an der Ladebordwand und geräuscharme Rollen für Rollcontainer dämmten den Lärm."Wichtig ist der Fahrer. Mit seinem Verhalten kann er die Geräuschemissionen wesentlich beeinflussen", sagte Heitzer.Das Ergebnis kann sich sehen lassen: An allen drei Standorten wurden die Lärmgrenzwerte der TA Lärm unterschritten."Geräuscharme Nachtlogistik ist möglicht", lautete das Fazit der Rewe-Managerin. Sie plädierte für die Einführung eines Gütesiegels "leise Logistik", wie es das in den Niederlanden bereits gibt."Damit könnten wir den Kommunen und Städten mehr Sicherheit bieten, um dort Bedenken auszuräumen", sagte Heitzer. Denn einfach das Konzept auf andere Filialen übertragen, darf Rewe nicht. Dafür müssen die Städte eine behördliche Genehmigung erteilen.Als weitere Hürde sieht sie die hohen Investitionen in die Elektromobilität von Lkw. Effizienzsteigernd könnte eine bessere Auslastung des Fuhrparks wirken, weil ein Fahrzeug den ganzen Tag genutzt werden kann."Aber steuerliche Anreize wären angesichts der hohen Zusatzkosten hilfreich", nannte sie eine Fördermöglichkeit. Zu den Mehrkosten des Projektes im Vergleich zu einer Tagbelieferung wollte sie sich nicht äußern."Aber wir arbeiten an einem Business Case, in dem wir auf die finanziellen Rahmenbedingungen eingehen und der im Herbst veröffentlicht wird", kündigte Heitzer an. cd