Arbeitsdruck für Paketboten steigt weiter an

25.11.2025 14:15 Uhr | Lesezeit: 4 min
Zwei Mitarbeiter von DHL 2-Mann-Handling laden ein verpacktes Möbelstück aus ihrem Transporter
Hohe Belastung in der Paketbranche: Rekord-Krankenstand und Arbeitsschutz-Mängel belasten Zusteller während Paketboom und langen Arbeitszeiten (Symbolbild)
© Foto: DHL Group

Die Arbeitsbelastung in der deutschen Paketbranche nimmt laut einer Verdi-Studie weiter zu. Zusteller berichten von extremem Zeitdruck, fehlenden Pausen und schlechter Bezahlung. Zudem steigt der Krankenstand in der Post- und Paket-Branche.

Am Dienstag, den 25. November, hielt Verdi ein Pressegespräch zur Situation in der Paketbranche und zur Vorstellung der Ergebnisse einer breit angelegten Beschäftigtenbefragung ab. Die klare Botschaft war: Die Arbeitsbedingungen für Paketboten in Deutschland haben sich weiter verschlechtert. Das geht aus einer aktuellen Befragung von Input Consulting im Auftrag der Gewerkschaft Verdi hervor, die die Arbeitsbedingungen in der Kurier-, Express- und Paketbranche (KEP) systematisch untersuchten. Laut der Studie gaben 89 Prozent der rund 1900 befragten Zusteller an, in den vergangenen zwölf Monaten deutlich mehr Arbeit in derselben Zeit erledigen zu müssen – und zwar „im sehr hohen Maße“ oder „im hohen Maße“. Viele Beschäftigte fühlen sich gehetzt und berichten, dass sie regelmäßig an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit stoßen.

"Die Arbeit ist kaum noch zu bewältigen. Es wird immer mehr von den Lieferanten erwartet", beschreibt Ralf Cremerius, Betriebsratsvorsitzender der Hermes Region Köln, die enorme Arbeitsverdichtung. 

Zusätzlich erklärten 79 Prozent, dass sie die Qualität ihrer Arbeit einschränken müssen, um das Pensum zu bewältigen. Auf Basis der Antworten wurde ein Index erstellt, der die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche als deutlich schlechter bewertet als in anderen Wirtschaftszweigen. Ein Wert von 40 Punkten auf einer Skala von null bis hundert gilt als negativ und steht für „schlechte Arbeit“. Besonders kritisch sehen die Zusteller ihre Bezahlung.

Die Umfrage zeigt außerdem, dass zahlreiche Paketboten länger arbeiten als gesetzlich erlaubt und kaum Pausen einlegen können.

Verdi fordert neue gesetzliche Regelungen

„Es gibt ganz dringenden Handlungsbedarf in der Branche“, betonte auch Verdi-Vize Andrea Kocsis. Sie fordert unter anderem eine gesetzliche Gewichtsgrenze von 20 Kilogramm, ab der Pakete nicht mehr von einer einzelnen Person getragen werden dürfen: „Es muss konsequent eine 20-Kilogramm-Grenze von Paketen geben – vom Einlieferungspunkt bis zur Auslieferung.“ Eine solche Regelung existiert bislang nicht.

Wachstum und Personalmangel verschärfen die Lage

Die Paketbranche wächst seit Jahren, getrieben durch den boomenden Onlinehandel. Besonders in der Vorweihnachtszeit mit Aktionen wie dem Black Friday steigt das Arbeitsvolumen stark an. Gleichzeitig suchen die Unternehmen händeringend Personal, um die steigenden Paketmengen zu bewältigen.

Die meisten Anbieter setzen bei der Zustellung auf Subunternehmer – ein Modell, das Verdi scharf kritisiert: „Deswegen bleiben wir bei unserer Forderung, dass die Subunternehmer in der Branche verboten werden müssen, und zwar nicht nur im Bereich der Auslieferung, sondern jetzt auch zusätzlich in der in der Paketverteilung", betont Kocsis. Die Gewerkschaft fordert ein Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche.

Arbeitsschutz-Mängel: Jeder fünfte Paketbote arbeitet über 10 Stunden

Vor dem Höhepunkt des Paketgeschäfts rund um Black Friday und Weihnachten haben bereits zuvor Kontrollen in Nordrhein-Westfalen gravierende Mängel im Arbeitsschutz der Paketbranche aufgedeckt, meldete die dpa. Zwischen Mai und August prüfte das Landesarbeitsministerium 57 Subunternehmen: Bei mehr als der Hälfte war der Arbeitsschutz mangelhaft, bei einem Drittel verbesserungsbedürftig. Häufig fehlten ordnungsgemäße Einweisungen, sicherheitstechnische Betreuung und es wurden überlange Arbeitszeiten festgestellt.

Von 225 befragten Zustellern gab jeder Fünfte an, mehr als zehn Stunden täglich zu arbeiten – ein klarer Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz, wie Steffen Röddecke vom Ministerium betonte. Besonders betroffen sind Subunternehmen, die für große Paketdienste wie DPD, GLS, Hermes und Amazon tätig sind. Marktführer DHL setzt hingegen überwiegend auf eigene Zusteller und wurde von Kritik ausgenommen.

Eine anonymisierte Statistik zeigt zudem, wie hoch die Arbeitsbelastung ist: Bei einer Paketfirma kamen die befragten Zusteller auf durchschnittlich 126 Stopps pro Arbeitstag, bei denen 206 Pakete ausgeliefert wurden. Bei drei anderen namenlos aufgelisteten Firmen waren es unter 100 Stopps.

Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kritisierte die Praxis, Kernaufgaben wie die Paketzustellung an Subunternehmer auszulagern, und forderte eine elektronische Arbeitszeiterfassung. Die bisherige handschriftliche Dokumentation sei unzureichend und erschwere Kontrollen. Da Zusteller ohnehin digitale Systeme zur Paketabgabe nutzen, sieht Laumann keine technischen Hürden für eine elektronische Zeiterfassung. Er appellierte an den Bundestag, gesetzliche Änderungen zu unterstützen.

Post- und Paketbranche meldet Höchstwert bei Krankheitsausfällen

Laut AOK Rheinland/Hamburg lag der Krankenstand in der Post- und Paket-Branche 2024 bei 7,69 Prozent – deutlich höher als der Durchschnitt aller Branchen (7,18 Prozent). Das bedeutet, dass täglich mehr als sieben von 100 Zustellern krankheitsbedingt ausfallen. Dies hat das Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF-Institut) der AOK ausgewertet. Besonders auffällig ist die hohe Zahl an Muskel- und Skelett-Erkrankungen: Obwohl die Branche mit einem Durchschnittsalter von 38,2 Jahren vergleichsweise jung ist, entfällt rund ein Viertel aller Krankschreibungen auf diese Diagnosegruppe. Zusteller sind damit fast doppelt so häufig betroffen wie Beschäftigte anderer Branchen (76 Fälle je 100 Versicherte gegenüber 44 im Schnitt).

Hintergrund sind die stark gestiegenen Anforderungen durch die Paketflut, der Online-Handel erwartet 2024 einen Umsatzrekord von 91 Milliarden Euro. Die körperliche Belastung für Zusteller ist enorm, weshalb in den vergangenen Jahren der Krankenstand in der Zusteller-Branche fast jedes Jahr gestiegen ist: „Der stetige Anstieg hängt eng mit den wachsenden Anforderungen zusammen“, erklärt Michael Wenninghoff, Geschäftsführer des BGF-Instituts. „Zustellerinnen und Zusteller sind großen körperlichen Belastungen ausgesetzt – etwa durch das Heben und Tragen schwerer Pakete, häufige Zwangshaltungen oder ständiges Treppensteigen. Dazu kommen Zeitdruck, dichter Verkehr und immer größere Zustellbezirke. Das Risiko körperlicher und psychischer Überlastung ist hoch.“

HASHTAG


#KEP

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