"Wir stehen die Reifen eckig"

Richtig Spaß macht Ralf Wehlau der Job schon länger nicht mehr. Der Junior-Chef von Wehlau Transporte fährt noch selber Lkw. Neben dem 53-Jährigen sind noch sechs weitere Fahrer bei Wehlau Transporte beschäftigt. Sieben Zugmaschinen und 15 Auflieger gehören zum Fuhrpark. Die Firma mit Sitz in Nordenham ist ausschließlich im Nahverkehr unterwegs: Container-Trucking sowie Schwertransporte mit zwei Tiefladern, vor allem in Bremerhaven. "Vor zehn Jahren war das noch ein schöner Job", sagt Wehlau. Seit 33 Jahren fährt er Lkw. Doch die Rahmenbedingungen sind immer schlechter geworden. Seit Corona haben sie sich nochmals verschärft. "Vor ein paar Jahren haben wir 16 Rundläufe pro Lkw geschafft. Wenn es jetzt ganz gut läuft, sind es maximal zwölf", sagt Wehlau. Damit Geld zu verdienen, wird immer schwerer. "Die Zeit wird vor allem im Terminal verloren. Schon bei der Anmeldung am Computer im Terminal müssen wir Schlange stehen", klagt er. Dann müsse man zum Ab- oder Beladen zu verschiedenen Stellen in den Terminals, wo schon viele andere Lkw-Fahrer warten. Kein Essen, kein Trinken, keine Toilette Schnell summiert sich die Wartezeit dann auf zwei, drei Stunden. "Da gibt es dann noch nicht mal die Möglichkeit, sich zu verpflegen - geschweige denn, eine Toilette zu benutzen. Das sind unwürdige Zustände", nimmt Wehlau kein Blatt vor den Mund. "Die Fahrer haben aber auch keine Lust auf die Steherei", sagt er. Die Folge sind Kündigungen, wobei deshalb bei ihm bislang nur ein Fahrer gekündigt hat. Warum fährt Wehlau dann noch? Er ist schon so lange dabei. Sein Vater hat das Unternehmen 1977 gegründet. Der ist mittlerweile 75 Jahre alt und gehört zu den sieben Fahrern. Seine Mutter, 74, kümmert sich um die Dispo. Nur so geht es. Nicht viel besser wird die Lage in den Terminals von Christof Meyer beschrieben. Meyer heißt eigentlich anders. Seinen richtigen Namen möchte er nicht in der VR lesen - wer weiß, wie die Terminalbetreiber reagieren. Das Unternehmen von Meyer ist als Trucker im Hinterlandverkehr aktiv und setzt als Spediteur zahlreiche Containertrucker ein. Die Zahl der täglich disponierten Einheiten übersteigt die von Wehlau deutlich. Die Einschätzung jedoch ist die gleiche. "Die Situation ist verheerend. Wir stehen uns die Reifen eckig", sagt Meyer. 20 bis 25 Prozent weniger Umsatz "Normal sind Umlaufzeiten von 1,5 Stunden in den Containerterminals. Jetzt benötigen wir zum Teil drei bis vier Stunden", so der Unternehmer. Das sei seit mehreren Monaten so. Es gebe zwar auch mal einen Tag in der Woche, an dem es gut läuft. Doch häufiger kommt es zu Staus. "Im Durchschnitt liegen wir pro Maschine 20 bis 25 Prozent hinter dem Tagesumsatz", beziffert er die Einbußen. Hinzu kommt der Frust bei den Fahrern: "Die haben keine Lust, permanent zu stehen. Einige haben uns deshalb auch verlassen." Auch mehrere Unternehmen des Landesverbands Verkehrsgewerbe Bremen (LVB) klagen über die verzögerte Abwicklung. Olaf Mittelmann, Geschäftsführer des LVB, sagt: "Egal, wo es zu Staus kommt: Die Leidtragenden sind letztlich die Fuhrunternehmer." Denn ein Vertragsverhältnis besteht zwischen Reeder und Terminalbetreiber. Die Reeder beauftragen dann die Trucker direkt oder über die Spediteure. Kommt es zu Verzögerungen, hat der Containertrucker keinerlei Handhabe gegenüber dem Terminalbetreiber, weil er mit diesem keinen Vertrag geschlossen hat. Die Terminalbetreiber sind jedoch nicht untätig gewesen. Seit einigen Jahren können die Trucker Zeitfenster buchen. So soll ein hoher Andrang vermieden werden. Doch in den Augen der Trucker sind solche Slotsysteme kein Allheilmittel, im Gegenteil: Wird ein Zeitfenster verpasst, muss man ein neues buchen oder sich hinten anstellen. Und wieder geht viel Zeit verloren. "Damit haben die Terminalbetreiber vor allem ihre Abläufe optimiert, nicht jedoch die der Trucker", kritisiert Meyer. Gespräche zwischen den Truckern und den Terminalbetreibern finden immer wieder mal statt, sagt Meyer. Aber mit wenig durchschlagendem Erfolg. Verwiesen wird von den Betreibern gerne auf die Nachtstunden, wo im Hafen nicht so viel los sei. Abgesehen davon, dass viele Verlader in der Nacht nicht geöffnet haben und daher eine Auslieferung nicht möglich ist, kritisiert Wehlau: "Das habe ich einmal gemacht und musste dann zwei Stunden warten, weil nur ein Van-Carrier im Einsatz war." Keine Reaktion von Eurogate Interessant wäre natürlich gewesen, was die Terminalbetreiber zu dem Thema sagen. Doch eine Anfrage der Verkehrs-Rundschau bei Eurogate - an drei großen Containerterminals in Bremerhaven beteiligt beziehungsweise deren einziger Betreiber - blieb unbeantwortet. Daher müssen andere beurteilen, was die Gründe für die Verspätungen sind. Meyer nennt zum einen "die Fahrplantreue der Reeder", die deutlich gelitten hätte. Womöglich ist das auch ein Grund, warum die Reeder keinen Druck auf die Terminalbetreiber ausüben, tragen sie mit den unpünktlichen Schiffen doch wesentlich zu den Problemen im Hinterland bei. Zum anderen werden die Schiffe immer größer. Wenn dann einer der Ozeanriesen seine Container ausspuckt, muss es schnell gehen, um die Liegezeit so kurz wie möglich zu halten. Darauf sind die Abläufe im Hinterland jedoch nicht ausgelegt. Auch wenn Meyer skeptisch ist und nicht glaubt, dass sich an der derzeitigen Lage in den kommenden Monaten etwas ändert: Ein Dauerzustand kann das nicht sein. Denn so wie Wehlau ergeht es mehreren Containertruckern, die keine Lust mehr verspüren und am liebsten aufhören wollen. Verabschieden sich zudem immer mehr Fahrer, schneiden sich Reeder und Terminalbetreiber langfristig ins eigene Fleisch: Dann droht die Abwicklung der Container im Hinterland sich noch stärker zu verzögern als jetzt schon. Mehr zum Thema finden Sie unter #Haefen www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Zuerst Hamburg und nun Bremerhaven: In den Containerterminals rumort es. Containertrucker in Bremerhaven klagen über lange Wartezeiten und Touren, die sich nicht mehr lohnen. Der Umsatz pro Lkw sinkt um etwa ein Viertel: ein finanzieller Verlust und eine Verschwendung der knappen Ressource Lkw-Fahrer.

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