Hellmann Worldwide Logistics: Was hilft jetzt in der Rezession?

In Kürze Die Verwerfungen in den globalen Lieferketten haben Speditions- und Logistikunternehmen in den letzten zwei Jahren deutliche Erlöszuwächse beschwert. Inzwischen stehen die Zeichen auf Stagnation, fallweise gar auf Abschwung. Wie sich Hellmann Worldwide Logistics darauf einstellt, berichtet CEO Reiner Heiken. Hellmann Worldwide Logistics hat im vergangenen Geschäftsjahr 2022 erstmals die Umsatzmarke von fünf Milliarden Euro geknackt und konnte seinen operativen EBIT-Gewinn um 31 Prozent auf 210,8 Millionen Euro erhöhen. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Fünf Milliarden Euro Umsatz klingt zunächst einmal nach sehr viel. Viel davon ist im vergangenen Jahr durch das wahnsinnige Raten-Niveau entstanden. Der Umsatz ist in der Speditionsbranche aber auch nicht die entscheidende Größe. Für uns zählt der Rohertrag und natürlich, wie viel am Ende des Tages hängen bleibt. Neben unserem EBIT-Zuwachs auf insgesamt 210,8 Millionen Euro freuen wir uns auch darüber, dass wir unseren Cashflow auf knapp 270 Millionen Euro und unsere Liquidität auf 124,7 Millionen Euro erhöht haben. Das ist in Summe ein schöner Erfolg, für den wir alle im Unternehmen sehr hart gearbeitet haben. Die Zeiten werden ungemütlicher. Es braut sich im Moment einiges zusammen: hohe Energiekosten, Inflation, Arbeitskräfte-Mangel - gar nicht zu reden von der Rezession hierzulande und den aktuellen geopolitischen Verwerfungen. Was davon ist für Ihr Unternehmen die größte Herausforderung? Wir sind Mittelständler, verfügen aber als Speditions- und Logistikunternehmen über ein weltweites Netz. Zentrales Thema für uns ist daher natürlich die Auslastung, also dass wir für unser Netz ausreichende Mengenvolumen und ausreichende Deckungsbeiträge haben. Daran müssen wir arbeiten. Wichtig ist für uns eine hohe Produktivität und eine hohe Qualität. Und dafür müssen wir unseren Job mit den modernsten Mitteln machen, damit wir nicht zu viele Arbeitsschritte haben, sondern maximal effizient agieren können. Wichtig ist auch, dass wir eine hohe Qualität erreichen, damit wir Bestandskunden halten und Neukunden langfristig ans Unternehmen binden. Das Gleiche gilt auch für unsere Angestellten. Hier gilt es ebenfalls, neue Mitarbeitende für Hellmann zu gewinnen und unsere bestehende Mannschaft zu halten. Klingt gut. Reicht aber wohl nicht, um die Erlöseinbrüche zu kompensieren, die viele Speditionshäuser in diesem Jahr befürchten. Wie wollen Sie bei Hellmann konkret die drohenden Rückgänge auffangen? Ganz einfach: Wir müssen bei den Ausgaben auf die Bremse treten. Wenn die Gewinne zurückgehen, müssen wir schauen, in welchen Bereichen Einsparungen möglich sind. Es gibt zum Beispiel Investitionen, die wir jetzt zeitlich zurückstellen. Zudem prüfen wir im Moment, was unbedingt weiterlaufen muss und auf was wir gegebenenfalls verzichten können. Ebenso prüfen wir, in welchen Bereichen wir vielleicht laufende Kosten haben, die wir uns nicht mehr leisten können und nicht zwingend brauchen. Fett ansetzen in guten Zeiten ist leider normal. Sprich: Man macht hier und da etwas, was nicht unbedingt sein muss. Und wenn die Zeiten schlechter werden, schnallt man den Gürtel wieder etwas enger. Das ist der Prozess, in dem wir uns aktuell befinden. Das ist meines Erachtens ganz normal. Das macht auch jeder Haushalt so. Wenn die Einnahmen weniger werden, passt man seine Ausgaben an. In welchen Bereichen sehen Sie da die größten Rationalisierungspotenziale? Im Bereich Overhead? Da können wir nur bedingt einsparen, weil wir im Moment sehr viele Projekte in der Implementierungsphase haben. Wir sind zum Beispiel gerade dabei, unsere Transport-Management-Systeme (TMS) auszutauschen - sowohl in der Seefracht, in der Luftfracht als auch im Landverkehr. Deshalb haben wir derzeit einen sehr hohen Zusatzbedarf an Transformations-Mitarbeitenden, also Prozess-Ingenieuren und Business-Process-Managern. Und diese brauchen wir auch. Wir wissen natürlich, dass in solchen Phasen die Produktivität noch nicht so hoch sein kann, weil die alten Systeme im Parallelbetrieb weiterlaufen. In 2025 spätestens aber dürfte der TMS-Austausch-Prozess abgeschlossen sein. Daten und Fakten: Hellmann Worldwide Logistics Im Geschäftsjahr 2022 hat das Speditions- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics erstmals in seiner Unternehmensgeschichte einen Gesamtumsatz von 5,0 Milliarden Euro (+ 24 %) erwirtschaftet. Zudem konnte Hellmann sein EBIT im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 31 Prozent auf 210,8 Millionen Euro steigern. Durch den verbesserten Cash-Flow aus Geschäfts-tätigkeit in Höhe von 268,7 Millionen Euro wurde laut dem Unternehmen zudem die Liquidität trotz deutlich gestiegener Investitionen um insgesamt 124,7 Millionen Euro verbessert. Wachstum über Digitalisierung und weitere Zukäufe Über strategische Zukäufe und Investitionen in moderne Systeme und Prozesse will Hellmann künftig seine globale Wettbewerbsposition über alle Produktbereiche hinweg ausbauen, kündigte Reiner Heiken, CEO des Unternehmens, im Interview an. So hat das Unternehmen am 1. Juni 2023 kurz vor Redaktionsschluss die Übernahme seines langjährigen Luft- und Seefrachtpartners in der Slowakei und Tschechien vermeldet. Das klingt sehr gelassen. Das muss ein Unternehmen, meine ich, in solchen Phasen aushalten. Wir werden, was die nächsten Jahre angeht, sicherlich kein Unternehmen sein, das hoch ertragreich sein wird. Das wird aber - wie gesagt - daran liegen, dass wir gerade neue Systeme ausrollen, die uns nachhaltig zukunftsfähig machen werden. Wir implementieren ja gerade nicht nur neue Transport-Management-Systeme, sondern rollen zeitgleich auch weltweit ein neues System Finance- & Accounting (Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen) aus. Darüber hinaus haben wir in nur 13 Monaten ein neues globales Customer- Relationship-Management-System (CRM) erfolgreich implementiert. Aber sorgt dies nicht für erhebliche Friktionen - auch und gerade im Tagesgeschäft? Natürlich sorgt das in der Anfangs- und Umstellungsphase für gewisse Friktionen. Das kommt aber nicht überraschend. In einer Zeit, in der die Digitalisierung stetige Weiterentwicklungen fordert, ist das ganz normal und eine notwendige Investition in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Natürlich haben die Mitarbeitenden in solchen Zeiten einen gewissen Mehraufwand. Deshalb müssen wir diesen Prozess jetzt beschleunigen, damit dieser Zustand nicht zu lange anhält. Im Management müssen wir gleichwohl darauf achten, dass wir unsere Kollegen nicht überfordern. Wir nehmen deshalb unsere Mitarbeitenden, etwa durch Change-Management-Maßnahmen, gezielt an die Hand, um sie in diesem Prozess zu unterstützen. Welche Vorteile versprechen Sie sich durch die neuen Systeme? Ein großer Vorteil ist, dass wir künftig unsere Aufträge weniger häufiger anfassen. So entfällt zum Beispiel die mehr-fache Daten-Eingabe, was wiederum die Fehlerquote reduziert. Denn jede Daten-Eingabe kann bekanntlich Fehler produzieren. Und eben das wollen und werden wir mit den neuen TMS künftig vermeiden. Wenn wir gute vernetzte Systeme haben wollen, sollten wir uns auf wenige, aber dafür sehr leistungsstarke Systeme konzentrieren. Diese haben wir zwar heute schon, aber unsere Systeme sind mittlerweile in die Jahre gekommen, und deshalb müssen wir sie jetzt durch neue ablösen. Wie viel Prozent Ihrer Kosten werden Sie dank der neuen Systeme jährlich einsparen? Unsere Produktivität dürfte sich dadurch um mindestens fünf bis zehn Prozent steigern. Von welchem Szenario gehen Sie im Jahr 2023 aus: Wie wird sich Ihr Umsatz- und Ihr Mengenvolumen in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entwickeln? Die Umsätze werden stark sinken, weil die Frachtraten jetzt stark zurückgegangen sind und noch weiter zurückgehen werden. Wir haben ja in der Seefracht in Spitzenzeiten 10.000 bis 15.000 US-Dollar pro Container gesehen. Jetzt liegen wir bei teilweise rund 1000 US-Dollar pro Container auf der Route von Fernost nach Europa. Die Volatilität in den Märkten ist enorm und das spiegelt sich entsprechend in den Ergebnissen der Logistikunternehmen wider. Bei welcher Umsatzgröße werden Sie im laufenden Jahr also landen? Schwierige Frage - für eine Prognose ist es noch viel zu früh. Es wird sicherlich, wie gesagt, fallweise starke Einbrüche in 2023 geben, etwa auf der Trans-Pacific-Lane. Das gilt aber nicht für alle Destinationen; etliche laufen noch recht stabil. Ich nannte Ihnen ja gerade die beiden Spitzen-Raten - nach oben, aber auch nach unten. So gesehen, fahren wir in diesem Jahr auf Sicht. Sicher ist nur: Unser Umsatz wird klar unter dem von 2022 liegen. Vermutlich werden wir bei unserem Umsatz, aber auch bei unserem Ebit eher über einem Niveau von vor Corona liegen. Werden sich auch die Transportpreise wieder auf das Preisniveau von vor der Corona-Pandemie einpendeln? So niedrige Transportpreise, wie wir sie alle einmal in Deutschland gekannt haben, wird es sicherlich nicht mehr geben. Schlichtweg deshalb, weil die Kosten so stark steigen: Personal, Energie, Finanzierung - überall gehen die Kosten hoch. Gar nicht zu reden von der Inflation. Aber ist es nicht so, dass die Verlader in wirtschaftlich schwächeren Zeiten die Preis-Schraube wieder anziehen? Wir sind ja nicht allein von der Entwicklung in Deutschland abhängig. Im Landverkehr vielleicht ja. Nicht aber in unseren See-, Luft- und Schienen-Aktivitäten - da sind wir international in vielen Märkten tätig. Deshalb ist es gut, wenn man als Unternehmen international und auch produktseitig breit aufgestellt ist. Damit sind wir nicht von jeder Landeskrise getroffen, sondern ein gutes Stück unabhängiger. Trotzdem werden wir alle durch die Kostenentwicklung gezwungen sein, unsere Verkaufspreise anzuheben. Wir befinden uns in einem herausfordernden Jahr. Was ist deshalb das wichtigste Projekt, das aktuell auf Ihrem Schreibtisch liegt? Ganz klar das Thema Mitarbeitenden-Bindung. Denn die Logistikbranche ist ein "People's Business", sprich, wir leben von qualifizierten und motivierten Menschen. Gleichzeitig haben wir einen Kampf um Talente. Es ist also ein Riesenthema auch für uns, hochmotivierte und qualifizierte Mitarbeitende zu finden - vor allem in Deutschland, Europa, den USA, aber auch zunehmend in China. Deshalb haben wir mit dem "Hellmann Promise" in diesem Jahr weltweit eine neue Unternehmens-kultur ins Leben gerufen, die den Mensch - allen voran unsere Mitarbeitenden und Kunden - in den Fokus stellt. Gleichzeitig definieren wir mit unserer Vision "For the better. Together." ganz eindeutige Ziele auch mit Blick auf das Thema Nachhaltigkeit. Hier klare Werte zu haben, für die man als Unternehmen steht, ist enorm wichtig - nicht nur für unsere bestehende Mannschaft, sondern auch für potenzielle neue Mitarbeitenden und Kunden. Sprich: Entgegen anders lautender Berichte streben Sie in diesem Jahr doch keine Zukäufe an? Wir streben keine großen Akquisitionen an. Hellmann geht da sehr selektiv vor. Zu akquirierende Unternehmen müssen zu uns passen und der Preis muss akzeptabel sein. Sprich: Wenn nicht das passende Angebot kommt, werden wir auch nichts kaufen. Der Fokus liegt ganz klar auf bestimmten Nischen, aber wie gesagt, kleinere Zukäufe. Das sind keine flächendeckenden Themen. Unser Ziel ist es, vor allem organisch über alle Produktbereiche und Regionen hinweg zu wachsen. Daten und Fakten: Hellmann Worldwide Logistics Im Geschäftsjahr 2022 hat das Speditions- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics erstmals in seiner Unternehmensgeschichte einen Gesamtumsatz von 5,0 Milliarden Euro (+ 24 %) erwirtschaftet. Zudem konnte Hellmann sein EBIT im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 31 Prozent auf 210,8 Millionen Euro steigern. Durch den verbesserten Cash-Flow aus Geschäftstätigkeit in Höhe von 268,7 Millionen Euro wurde laut dem Unternehmen zudem die Liquidität trotz deutlich gestiegener Investitionen um insgesamt 124,7 Millionen Euro verbessert. Wachstum über Digitalisierung und weitere Zukäufe Über strategische Zukäufe und Investitionen in moderne Systeme und Prozesse will Hellmann künftig seine globale Wettbewerbsposition über alle Produktbereiche hinweg ausbauen, kündigte Reiner Heiken, CEO des Unternehmens, im Interview an. So hat das Unternehmen am 1. Juni 2023 kurz vor Redaktionsschluss die Übernahme seines langjährigen Luft- und Seefrachtpartners in der Slowakei und Tschechien vermeldet.

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