Warum Verlader Geschenke ablehnen (müssen)

Anzeige Warum Verlader Geschenke ablehnen (müssen) Logistikleiter in Industrie und Handel haben immer häufiger ein Problem damit, Präsente und Einladungen von Spediteuren anzunehmen. Schuld sind neue Compliance-Regelungen. In wenigen Wochen ist es wieder so weit: Viele Spediteure schicken ihre Weihnachtspost an die Kunden heraus – eine Karte, dazu vielleicht eine Flasche Wein oder eine größere Aufmerksamkeit. Doch dieses Jahr wird etwas anders sein als früher: Mehr Sendungen werden zurückkommen, mit dem freundlichen Hinweis, dass der Empfänger das Geschenk aufgrund interner Regeln nicht annehmen kann. Woran liegt das? Die Antwort lautet: Compliance. Hinter dem englischen Begriff (=Einhalten) verbirgt sich eine an sich einfache Idee: Immer mehr Unternehmen verpflichten sich darauf, geltende Gesetze „einzuhalten“ und sich „korrekt“ zu verhalten. So sollen Skandale verhindert und mögliche Schadensersatzforderungen abgewendet werden. So auch das Chemieunternehmen BASF, das bei Präsenten und Einladungen zu Fachveranstaltungen sehr genau hinschaut (siehe Interview). Was jeweils korrekt ist, legen die Firmen in einem internen Regelwerk nieder, „Code of Conduct“ oder „Ethik-Code“ genannt. Er enthält zum Beispiel Vorschriften wie diese: Die Annahme von Geschenken oder sonstigen Vorteilen ist verboten. Alle Aufträge oberhalb einer bestimmten Wertgrenze müssen ausgeschrieben werden. Preisabsprachen mit anderen Unternehmen sind untersagt. An keiner Stelle der Wertschöpfungskette darf Kinderarbeit eingesetzt werden. Compliance ist an sich kein neues Thema. Schon seit Jahren beschäftigen sich große Konzerne damit, Kontrollmechanismen zu installieren, die Korruption bekämpfen sollen. Die Deutsche Bahn etwa hat schon im Jahr 2000 ein so genanntes Ombudsmann-System eingeführt: Mitarbeiter, die etwa einen Korruptionsverdacht hegen, können sich unter Wahrung der Anonymität an einen externen Anwalt richten, der dem Fall dann nachgeht (Fachwort: Whistle-blowing). Mittlerweile haben andere Firmen ähnliche Hotlines eingeführt und – mit viel PR-Getrommel – interne Ethik-Codes verabschiedet. Ob das im Einzelfall auch immer nötig war, darüber streiten die Praktiker. „Allein das Umsatzsteuerrecht hat vieles verändert“, meint Gunnar Stellmacher, Leiter Qualität bei der Spedition Emons, Köln, „dadurch wurde zum Beispiel die Freigrenze für Sachgeschenke deutlich reduziert.“ Tatsächlich können Unternehmen Präsente an Geschäftspartner nur noch bis zu einem Wert von 35 Euro von der Steuer absetzen. Früher konnte auch Höherwertiges als Betriebsausgabe deklariert werden. Der Trick mit dem Logistikberater Gerade das Thema Geschenke zeigt, wie sich der Compliance-Gedanke langsam in der Breite durchsetzt. Kleine Präsente erhalten die Freundschaft, große sind der Einstieg in die Korruption, so lautet die Einsicht. Die Wende brachte übrigens die Fußball-WM 2006: Damals mussten viele Mitarbeiter kostenlose Ticket, die ihnen Lieferanten spendiert hatten, zurückschicken. „An solchen Dingen merkt man, wie sich das Klima ändert“, sagt Sebastian Schröder, Rechtsanwalt und Experte für das Thema Compliance beim Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf & Logistik (BME). Ebenfalls nicht mehr akzeptiert ist der Einsatz von vermeintlichen Beratern bei der Vergabe von Großaufträgen. Hier verfuhr man früher oft so: Sollte ein Auftrag an Land gezogen werden, zahlte der Logistikdienstleister zunächst einem Consultant einen Betrag X. Der wiederum zog von der Summe ein kleines Eigenhonorar ab – und nutzte den Rest des Geldes, um Entscheidungsträger zu schmieren. So tauchte die Bestechung in den Büchern des Dienstleisters nicht auf. Solche Beraterverträge, bei denen der Strohmann keine wirkliche Gegenleistung erbringt, sind heute ganz klar geächtet. Auch Mittelstand betroffen Vor allem Transportunternehmen, die mit großen Konzernen Geschäfte machen, sollten sich mit dem Thema Compliance beschäftigen, denn ein guter Unternehmensbürger zu sein, entwickelt sich von der Kür zur Pflicht. „International gibt es immer häufiger Ausschreibungen, bei denen wir nachweisen müssen, dass wir ein wirkungsvolles Compliance-System besitzen“, berichtet ein Sprecher der DB Schenker. „Ein effektives Compliance-Management ist hier zu einer Zugangshürde geworden.“ Selbst die mittelständische Spedition Emons spürt diesen Trend. „Es kommt vor, dass große Konzerne nach entsprechenden Regeln fragen“, sagt Qualitätsleiter Stellmacher. Spediteure müssen in Zukunft also damit rechnen, auf einen Verhaltenskodex verpflichtet zu werden (der BME hat einen Mindeststandard formuliert, der zum Beispiel von der Deutschen Post akzeptiert wird. Einzelheiten unter www.bme.de/compliance). Vor allem das leidige Thema Geschenke und Einladungen sollte intern geregelt sein. Experten empfehlen hier, grobe Richtwerte vorzugeben – und im Zweifelsfall den Vorgesetzten des Empfängers über die Annahme entscheiden zu lassen. „So läuft alles transparent ab“, sagt Rechtsanwalt Schröder vom BME. Fixe, zu niedrige Wertgrenzen („Nichts über 15 Euro annehmen“) dagegen hält er für nicht praktikabel. Dadurch würden zu viele Mitarbeiter grundlos einem Korruptions-Verdacht ausgesetzt, so Schröder. Compliance ist keine Wissenschaft Über die harten Regeln zu Korruption und Kartellrecht hinaus können die Firmen weitere Werte in ihre Compliance-Richtlinie aufnehmen. So geloben einige Unternehmen sogar, die Umwelt zu schützen und sich um soziale Belange zu kümmern. Solche Klauseln sind gerne gesehen, aber keine Pflicht. Insgesamt gilt: Das Thema Compliance ist keine Wissenschaft, auch wenn es oft so klingt. „Die meisten Fragen lassen sich mit dem gesunden Menschenverstand entscheiden“, betont der Bahn-Sprecher. Es gehe eher darum, einen ordnungsmäßigen Geschäftsbetrieb regelkonform umzusetzen, vor allem im internationalen Geschäft. Das Argument etwa „wir müssen schmieren, um den Auftrag zu bekommen“ dürfe man nicht gelten lassen, heißt es von DB Schenker: „Dann muss man sich eingestehen, dass das eigene Angebot einfach unterlegen ist.“ ❙❚■ Constantin Gillies, freier Journalist Anzeige „Heutzutage schauen die Unternehmen genau hin“ Eckart Sünner, Chief Compliance Officer beim Chemiekonzern BASF gibt Auskunft darüber, warum das Thema Compliance immer mehr den Geschäftsalltag bestimmt. Warum kommt das Thema Compliance jetzt in der Breite auf den Tisch? Eckart Sünner: Weltweit und insbesondere in den USA und der EU hat der Gesetzgeber mit erheblicher Strafverschärfung auf illegale Geschäftspraktiken reagiert. Zugleich haben Unternehmen erkannt, dass Werte wie Ansehen, Integrität, Transparenz und Zuverlässigkeit maßgeblich zum Geschäftserfolg beitragen. Wichtig ist dabei, dass jeder Mitarbeiter weiß, wie er sich zu verhalten hat. Deshalb hat beispielsweise die BASF Compliance zur Chefsache gemacht. Als Chief Compliance Officer berichte ich direkt an den Vorstandsvorsitzenden. Zu den wesentlichen Aufgaben zählt es, die Mitarbeiter entsprechend zu schulen, bei-spielsweise über Kartellrecht, Korruptionsverhinderung, Insiderrecht oder Exportkontrolle. Können Sie ein Beispiel für eine Geschäftspraxis geben, die unter Compliance-Gesichtspunkten heute nicht mehr möglich ist? Noch vor wenigen Jahren war das Annehmen oder Verschenken von Präsenten eine ziemlich locker gehandhabte Angelegenheit. Ähnliches galt für Einladungen zu Geschäftsessen oder Fachveranstaltungen. Heute schauen die Unternehmen genau hin, wie hoch der Wert eines Geschenkes sein darf und wie sich eine Fachveranstaltung definiert. Erwartet BASF, dass sich auch kleine Geschäftspartner auf Ethik-Codes verpflichten? Wir unterscheiden nicht nach großen oder kleinen Firmen, für uns ist entscheidend, dass sich unser Geschäftspartner an Recht und Gesetz hält. Im Zweifelsfalle lassen wir uns auch über den geltenden Code of Conduct informieren. BASF ist Vorreiter in Sachen Compliance. Erwarten Sie, dass auch Mittelständler in Zukunft einen eigenen Compliance-Officer ernennen müssen? Es wird wohl so schnell keinen gesetzlichen Zwang geben, aber auch kleinere Firmen werden aus eigenem Interesse dafür sorgen müssen, dass die Compliance sichergestellt wird. Das bedeutet nicht, dass Mitarbeiter gegängelt oder stärker kontrolliert werden müssen. Im Vordergrund steht vielmehr, sie vor Fehlverhalten zu schützen. In vielen Fällen können Gesetzesverstöße durch eine rechtzeitige Beratung vermieden werden. cg Interview Eckart Sünner