Derzeit werden in Berlin die Koalitionsverhandlungen vorbereitet. Welche verkehrspolitischen Aspekte sind hierbei der deutschen Industrie besonders wichtig?
Mobilität bildet die Basis jeder modernen Gesellschaft. Für nachhaltige Mobilität brauchen wir Innovationen, Intermodalität und eine exzellente Infrastruktur. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sind die künftigen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur. Die neue Bundesregierung muss die Finanzmittel von bisher knapp elf Milliarden Euro auf 14 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.
Wo soll das Geld investiert werden?
Entscheidend sind klare Prioritäten nach volkswirtschaftlichen Kriterien. Der Auswahl der Projekte für den Bundesverkehrswegeplan 2015 müssen Kosten-Nutzen-Bewertungen folgen. Verkehrsengpässe müssen beseitigt werden, der Erhalt muss im Vordergrund stehen. Laut eines vom BDI in Auftrag gegebenen Gutachtens sind allein für den Erhalt der Brücken auf Bundesfernstraßen bis zum Jahr 2016 insgesamt rund 2,75 Milliarden Euro zusätzlich notwendig. Und mehr als ein Drittel der knapp 25.000 Eisenbahnbrücken sind über 100 Jahre alt und können nur noch eingeschränkt instand gehalten werden.
Welche Bauprojekte sollen Vorrang haben, wie soll dies gesteuert werden?
Als Basis für die Priorisierung brauchen wir einen Infrastrukturzustands- und Leistungsbericht, um die Transparenz zu erhöhen und eine bessere Grundlage für Investitionsentscheidungen zu schaffen. Der Bericht sollte unter Federführung des Bundes verkehrsträgerübergreifend erstellt werden und im Zwei-Jahres-Rhythmus erscheinen. Er kann zu großen Teilen aus schon erhobenen Daten erstellt werden. Der Bericht sollte die Kapazität der Infrastruktur und die technische Verfügbarkeit, also Alter und baulicher Zustand, sowie die effektive Verfügbarkeit und die Nutzungsintensität widerspiegeln.
Wie beurteilen Sie die Vorschläge der Bodewig-Kommission zur Finanzierung der Investitionsmittel im Verkehr?
Der BDI unterstützt die Forderung der Bodewig-Kommission, 2,7 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr aus dem Bundeshaushalt in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Damit würde man immerhin beinahe die 14 Milliarden Euro erreichen, die die Bundesregierung aus Industriesicht pro Jahr mindestens für die Bundesverkehrswege ausgeben sollte. Aber auch die Länder müssen sich ihrer Verantwortung für die Infrastruktur stellen und die notwendigen Reformen auf den Weg bringen. Es ist erfreulich, dass die Kommission die Forderung der Wirtschaft aufgegriffen hat, mit einem Infrastrukturzustands- und Leistungsbericht die Transparenz zu erhöhen und eine bessere Grundlage für Investitionsentscheidungen zu schaffen. Überjährige Finanzkreisläufe könnten zudem eine langfristige und betriebswirtschaftlich optimierte Planung und Projektrealisierung gewährleisten.
Das Interview führte der stellvertretende Chefredakteur Andre Kranke