Trend oder Techniktraum

In Zukunft tragen alle Menschen Datenbrillen, die ihnen Informationen aus dem Internet einblenden. Produkte kommen nicht mehr per LKW aus der Fabrik, sondern daheim aus dem 3D-Drucker. Und jeder Gegenstand hat einen Internetanschluss: Der Blumentopf warnt per E-Mail, dass die Blume gegossen werden möchte. Solche oder ähnliche Prognosen sind dieser Tage wieder häufiger zu lesen. Doch welche spielen für die Transportbranche eine Rolle und was bleibt eine Spielerei für Technikverliebte? Bei den Experten der Branche steht ein Trend ganz oben auf der Agenda: Cloud Computing. Aus dem Privatleben kennt es jeder: Wer seine E-Mails lesen will, braucht dafür kein eigenes Programm mehr auf dem PC zu installieren. Bei T-Online, GMX oder Google lässt sich die elektronische Post per Browser abrufen- mit jedem internetfähigen Gerät. Das gleiche Prinzip wird in der Logistik angewendet. "Wir beobachten, dass in der Lagerhaltung zunehmend Cloud-basierte Systeme zum Einsatz kommen", berichtet Rüdiger Schwarz von der Beratungsfirma Miebach. Das bedeutet: Der Lagerbetreiber installiert auf seinen Rechnern nicht eigens eine Verwaltungssoftware, sondern greift auf das Programm via Internet zu. Das Handy-Prinzip kommt ins Lager Typisch für das Modell ist, dass ein Nutzer keine Lizenzen kauft, sondern pro Geschäftsvorfall eine Gebühr an den Softwaredienstleister bezahlt (Pay-per-use). "Das senkt auch die Marktaustrittskosten", erklärt IT-Experte Schwarz: Mithilfe von Cloud-Software lässt sich ein Lager für Aktionsware in sechs bis acht Wochen hochfahren - aber auch schnell wieder schließen, wenn der Kunde den Vertrag nicht verlängert. Bei stationär installierter Software würde der Lagerbetreiber womöglich noch länger Lizenzgebühren zahlen, obwohl er die Programme nicht nutzt. Für Software aus dem Netz spricht außerdem, dass sie schnell ausgerollt werden kann. "Wenn es darum geht, eine Niederlassung anzubinden, ist die Cloud einer klassischen Installation überlegen", erklärt Stefan Wolff von der Unternehmensberatung 4-Flow. Seine Prognose: In der Transportbranche läuft in Zukunft alles netzbasiert ab - von der täglichen Abrechnung zwischen Kunde und Spediteur bis zur langfristigen Planung. "Die Umsetzung wird uns noch die nächsten fünf bis zehn Jahre beschäftigen", erwartet Wolff. Für Cloud Computing spricht auch, dass es die IT-Landschaft im Betrieb flexibler machen kann. Während früher für jeden Bereich (Warenwirtschaft, Lagerverwaltung) riesige Software-Pakete eingekauft und installiert werden mussten, gehen Anwender künftig nach dem vom Handy bekannten App-Prinzip vor: Für jede Aufgabe lässt sich via Internet ein Softwareschnipsel buchen, der den Job erledigt. Das zweite Megathema dieses Jahres heißt - wie schon 2014 - Big Data. Hinter dem großen Wort steht eine simple Idee: In Unternehmen fallen riesige Datenmengen an. Warum wertet man sie nicht aus, um besser zu werden? Wie das in der Logistik funktioniert, zeigt das Beispiel Amazon: Der Online-Händler beobachtet, was gekauft wird und sucht mit Statistikprogrammen nach Mustern. Kunden, die von einem Computerspiel die Teile eins bis vier gekauft haben, werden sich vermutlich auch für Teil fünf interessieren, so die Annahme. Kommt der dann auf den Markt, transportiert Amazon eine Kopie in ein Logistikzentrum in der Nähe des Kunden - noch bevor der auf "Kaufen" geklickt hat. Greift der wirklich zu, kommt die Ware in Rekordzeit an. "Antizipierte Lieferung" nennen die Amerikaner das, flapsig könnte man es als Gedankenlesen bezeichnen. Fehler finden und ausmerzen Big Data lässt sich in der Transportbranche an vielen Stellen einsetzen. Ein Spediteur könnte seine Telematikdaten nutzen, um herauszufinden, nach welcher Kilometerleistung bei einem LKW üblicherweise Defekte auftreten, und die Teile vorab austauschen. Oder ein Lagerdienstleister könnte Daten aus der Kommissionierung auswerten und so aufdecken, unter welchen Bedingungen - Uhrzeit, Artikel oder Mitarbeiter - es zu Fehlern kommt und gegensteuern. 4-Flow-Berater Wolff erwartet, dass Big Data künftig vor allem zum Einsatz kommt, um nach vorne zu schauen. "Es wird bessere Prognosen zur Auftragslage geben oder zur Zeitdauer von Transporten." Allerdings bringt das große Datenfressen oft nur kleine Erfolge, kontern Kritiker. Einerseits scheitern Projekte, weil es schlichtweg an Mitarbeitern mit dem nötigen Statistik-Know-how fehlt. IT-Experte Schwarz beobachtet außerdem, dass viele Big-Data-Analysen zu forsch und ohne klare Zielsetzung angegangen werden. Er empfiehlt, zuallererst ein ordentliches Kennzahlenwesen zur Steuerung einzuführen, bevor man mit IT Big-Data-Analysen durchführt. Ein Schlagwort, das 2015 wieder häufig fallen wird, ist das Internet der Dinge. In Zukunft werden viele Gegenstände einen Internetzugang haben. Immer billigere Sensoren, Funkmodule, Prozessoren machen es möglich. Michael ten Hompel, Leiter des Fraunhofer IML in Dortmund, erwartet eine wahre "Technologieexplosion". Und da es bald unmöglich sein wird, all diese Geräte noch zu steuern, werden sie das selbst übernehmen. Wie das Internet der Dinge in die Logistik einziehen könnte, zeigt der Schraubenkonzern Würth. Er hat einen mitdenkenden Behälter namens I-Bin vorgestellt: Am Rand dieser normal aussehenden schwarzen Aufbewahrungsbox ist ein Minicomputer mit Kamera angebracht. Er beobachtet, wie viele Teile entnommen werden, und ordert bei Bedarf über Datenfunk automatisch Nachschub. Nicht alle Trends haben sofort Auswirkungen auf die Transportbranche. Das gilt etwa für Wearables, also Informationstechnologie, die direkt am Körper getragen wird. Dazu gehören Datenbrillen. In diesem Jahr werden solche Geräte noch ein Nischendasein fristen, allerdings sieht Miebach-Berater Schwarz in der Logistik lohnende Anwendungsgebiete: "Sinnvoll wäre der Einsatz bei der beidhändigen Retourenbearbeitung: Hier könnte sich der Mitarbeiter zur Kontrolle ein Foto des Artikels und Bearbeitungshinweise einblenden lassen." Drucken statt fahren Der 3D-Druck dagegen, die Hype-Technologie schlechthin, wird noch ein paar Jahre auf ihren Durchbruch warten müssen. Ihr Potenzial ist groß - wer braucht schließlich noch eine Transportleistung, wenn sich der Kunde zum Beispiel ein Ersatzteil einfach selbst ausdrucken kann? Doch für den Massenmarkt taugt 3D-Druck noch nicht. Die Technik ist zu kompliziert, der Herstellprozess zu langwierig (einen Eierbecher auszudrucken dauert gut 20 Minuten) und die Kosten sind zu hoch. Fazit: 3D-Druck ist, wie Wearables und das Internet der Dinge, ein klarer Kandidat für die Wiedervorlage 2016. Was ist Hype, was hat Substanz? Die fünf wichtigsten IT-Entwicklungen Cloud Computing - Wichtigkeit: *****Pro: Programme, etwa zur Lagerverwaltung, lassen sich schneller ausrollen, vor allem an verteilten Standorten. Statt über Lizenzgebühren wird per Nutzung abgerechnet.Contra: Software aus dem Netz reagiert mitunter langsamer als fest installierte. Fällt der Internetzugang aus, steht das Geschäft still.Big Data - Wichtigkeit: ****Pro: Nicht das Bauchgefühl, sondern Daten bilden die Entscheidungsgrundlage. Die Qualität von Prognosen steigt.Contra: Nicht immer liegen genug Daten gut strukturiert vor oder es fehlt an qualifiziertem Personal für die Analysen.Internet der Dinge - Wichtigkeit: ***Pro: Bessere Materialflüsse, größere Flexibilität, kürzere Reaktionszeiten, da keine zentrale Steuerung mehr nötig ist.Contra: Noch ist die Technik zu teuer. Außerdem verbraucht das Internet der Dinge immens viel Strom und Netzwerkkapazitäten.3D-Druck - Wichtigkeit: **Pro: Gerade bei niedrigen Stückzahlen ist der 3D-Druck wirtschaftlich interessant. Produzierende Unternehmen können Ersatzteile bei Bedarf drucken, statt sie auf Vorrat zu lagern.Contra: Ist zeitaufwendig und damit teuer. Gegenstände aus Kunststoff sind qualitativ noch nicht mit herkömmlich hergestellten Werkstücken vergleichbar.Wearables - Wichtigkeit: *Pro: Der Nutzer hat die Hände frei und erhält Zusatzinformationen bequem per Sprachausgabe oder Display.Contra: Die Technik ist noch kostspielig, außerdem rechtfertigt der Nutzen oft die Investitionen nicht. cg***** kennzeichnen einen besonders wichtigen Trend, * steht für einen zu vernachlässigenden Techniktraum Quelle: Gartner Group, eigene Bewertungen

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