Insolvenzwelle trifft Transportbranche – welche Geschäftsmodelle noch Zukunft haben

Im Mai gab es noch Hoffnung auf eine Trendwende. Doch schon im Juli vermeldete das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Angaben 19,2 Prozent mehr Regelinsolvenzen als im Vorjahresmonat. Damit gingen im Juli 2025 so viele Betriebe pleite wie seit Oktober 2024 (plus 22,9 %) nicht mehr. Trauriger Spitzenreiter: der Wirtschaftssektor "Verkehr und Lagerei". Auslauf- oder Zukunftsmodell? Besonders bitter: "Es trifft vor allem die kleineren Transportbetriebe mit weniger als zehn Lkw", weiß Professor Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn. Die Zahl der Transportunternehmen mit kleinen Fuhrparks sinke ohnehin schon seit Jahren, während die Zahl der Betriebe mit großen Fuhrparks wachse. Lohre: "Wir sehen auch hier Konzentration, und die Gesamtzahl der deutschen Transportbetriebe schrumpft, während der Anteil der ausländischen Frächter wächst." Ist das Transportgeschäft für kleine und mittlere Betriebe also Auslaufmodell, oder birgt es noch Zukunft? Und wenn ja, mit welchen Geschäftskonzepten können Unternehmen bei Verladern punkten? Darüber diskutierte die VerkehrsRundschau mit Frank Ratter, Einkaufschef Logistik Zentraleuropa BSH Hausgeräte, Christian Faggin, Geschäftsführer der Alpensped Spedition, Fokke Fels, Vorstandsvorsitzender der LIT Gruppe, Josef Heiß, Geschäftsführer von BTK, und Verkehrswissenschaftler Lohre. Für Verlader wichtig: Agilität Was Mittelständler freuen dürfte: "Die Anforderungen, die wir als Hausgeräte-Hersteller in der Logistik haben, kann keine Konzernspedition erfüllen", betont Frank Ratter, Einkaufschef Logistik von BSH, der hierzulande mit rund 30 mittelständischen Transport- und Speditionspartnern zusammenarbeitet. "Im Consumer-Bereich gibt es eine unglaubliche Volatilität. Und die bewältigen wir vor allem mit Mittelständlern. Diese sind so agil, dass sie mit diesen Schwankungen sehr gut zurechtkommen", lobt er. Konzernspediteure dagegen würden so industrialisiert arbeiten, dass das BSH-Geschäft oft nicht in deren Raster passe. "Laden Sie mal einen zwei Meter hohen Kühlschrank auf eine Palette. Diesen zu sichern, ist ein unheimlich großer manueller Aufwand. Wir brauchen also Megatrailer und Jumbo-Züge. Mit Mittelständlern geht das", so Ratter. Diese Verlässlichkeit der Mittelständler schätzt er. Gleichwohl steht auch bei ihm bei der Auswahl seiner Dienstleister das Kriterium "Kosteneffizienz" ganz oben auf der Agenda. "Wir sind Wirtschaftsunternehmen und Hersteller im deutschen Markt, der sich mit vielen anderen Herstellern messen lassen muss - auch im Preis. Deshalb ist der Transportpreis, Stichwort Kosteneffizienz, natürlich für uns sehr wichtig." Allerdings weiß er: BSH-Geräte sind hochwertig und müssen entsprechend gehändelt werden - oft per Hand und mit Sackkarre. "Hohe Qualität ist für uns unerlässlich. Qualität und Preis - das muss sich bei uns absolut die Waage halten." Wenn BSH mindestens alle zwei, drei Jahre seine Transportdienstleistungen ausschreibe, fließe dieser Qualitätsaspekt, betont der Logistiker, über ein spezielles Ranking in die Bewertung der Dienstleister ein. "Wir bieten Mittelständlern so die Möglichkeit, über die Qualität zu punkten, damit unsere Produkte vernünftig gehändelt werden." Damit nicht genug: BSH bezahlt seinen Dienstleistern laut Ratter auch "einen gewissen Preisaufschlag" für das Thema Nachhaltigkeit, etwa für den Einsatz von E-Lkw in der Zustellung. Nutzen Verlader die Krise aus? "Solche Auftraggeber gibt es. Es gibt aber auch etliche Verlader, die die augenblickliche Lage im Transportmarkt ausnutzen und versuchen, jeden Euro einzusparen - auch aus eigenen Kostenthemen heraus", weiß Josef Heiß, Geschäftsführer der Spedition BTK, die mit 320 Lkw Teil- und Komplettladungstransporte erbringt. "Genau das bricht vielen Transportbetrieben jetzt das Genick", warnt er. Die Renditen im Transportgeschäft seien in den letzten Jahren ohnehin sehr niedrig gewesen. Dazu komme der Kostendruck. Und das Fass zum Überlaufen bringe bei vielen die immense Erhöhung der Lkw-Maut. Denn nach wie vor gelinge es vielen Betrieben nicht, diese massiv gestiegenen Kosten vollumfänglich an die Verlader durchzureichen - gerade jetzt nicht in Zeiten der Wirtschaftskrise. Geschäftsmodell Eigenfuhrpark Rechnet sich für BTK also der Eigenfuhrpark? "Wir fahren ein Drittel mit eigenen Lkw, ein Drittel mit festen gecharterten Transportpartnern und ein Drittel vergeben wir an Subunternehmer", erklärt Heiß. Zu den Kunden zählen unter anderem Hygiene-Papierhersteller sowie die Maschinenbau-, Konsumgüter- und Lebensmittelbranche - zu rund 80 Prozent in Deutschland. Für BTK gehe die Rechnung auf. "Wir glauben weiter an eine Zukunft im Transportgeschäft, auch weil es die Kunden von uns erwarten. Wir würden von diesen keinen einzigen Auftrag bekommen, wenn wir nicht über eigene Fahrzeuge verfügen würden", ist der Geschäftsführer überzeugt. "Einen gewissen Anteil an fester Kapazität erwartet man heute - seien es eigene Lkw oder aber fest-gebundene Frachtpartner". Problem sei, "dass der Markt dies einerseits fordert, anderseits nicht bereit ist, dies zu bezahlen." Heiß' Prognose lautet deshalb: "Diese Situation wird sich drehen, allein durch den Fahrermangel, in den die Branche hineinläuft - nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Auf Sicht werden wir den Lkw also wieder brauchen. Wir müssen nur ausharren, bis die Frachtraten wieder auskömmlicher werden." So gesehen sei und bleibe für BTK das Transportgeschäft ein wichtiges Standbein, betont er. Zusätzlich setze er aber mit seinem Unternehmen auch auf Lagerlogistik und Kontraktlogistik, um sich breiter aufzustellen. Sicher ist sicher. Aber lässt sich aktuell im Transportgeschäft überhaupt noch Geld verdienen? "Ganz, ganz schwer", räumt Fokke Fels ein, der als Vorstandschef die LIT Gruppe führt, die mit 1800 eigenen Lkw und 1600 Anhängern eine echte Größe ist - mit breitem Kundenportfolio insbesondere aus der Automobil- und Zulieferindustrie und dem Handel. "Im nationalen Teil- und Komplettladungsmarkt ist das Transportgeschäft heute ein ganz schwieriges Unterfangen." Viele Betriebe seien nur noch im innerdeutschen Teil- und Komplettladungsgeschäft tätig, erklärt Fels. Weil sie dies durch andere Bereiche anderweitig auffangen könnten. "Im Europageschäft ist das anders." Gut die Hälfte des Umsatzes erwirtschafte LIT deshalb mittlerweile in Europa. Fels räumt aber unumwunden ein, dass LIT auch durch seine Größe Vorteile habe: "Wir haben dadurch im Einkauf und der Verwaltung Skaleneffekte. Das hilft uns - auch gegenüber dem Wettbewerb." Erkenntnis für Fokke Fels: "Die schwierige Lage im Transportgeschäft zeigt uns, dass wir uns als Transportunternehmen verändern müssen. Es reicht nicht, immer nur nach zusätzlicher Ladung Ausschau zu halten. Wir müssen auch unsere Prozesse im Unternehmen verändern - auch dank Digitalisierung, um kostengünstiger produzieren zu können. Und wir müssen angesichts der aktuellen Marktlage unser Geschäftsportfolio etwas verändern", erklärt Fels und verweist auf die jüngsten Zukäufe seines Unternehmens. "Unsere Stärke ist und bleibt aber der Lkw", betont er. "So gesehen bleiben wir als LIT weiterhin Spediteur." Geschäftsmodell Asset-light Die Mannheimer Spedition Alpensped, die unter anderem Teil- und Komplettladungstransporte in ganz Europa abwickelt, besitzt dagegen nur wenige eigene Auflieger. "Wir sehen uns als Transport- und Logistikplaner und arbeiten eigentlich asset-free. Wir beauftragen dafür ausschließlich fest-gecharterte Frachtführer und haben so Zugriff auf bis zu 600 Lkw", erklärt Geschäftsführer Christian Faggin sein Geschäftsmodell. "Wir kooperieren mit vielen Partnern schon über 20 Jahre, wir kennen daher jeden Fahrer, alle Prozesse - was beim Thema Transportsicherheit essenziell ist." Noch habe er trotz Laderaummangels stets ausreichend Frachtführer gefunden, die er über faire Preise an sich binde. "Bei saisonalen Spitzen wird dies aber schwieriger und kann teuer werden", räumt er die Nachteile seines Asset-free-Ansatzes ein. Sein mittelfristiges Ziel, um als sogenannte Sofa-Spedition nicht austauschbar zu werden, formuliert Faggin so: "Wir wollen uns als digitale Spedition weiterentwickeln, weil Logistik und IT immer mehr verschmelzen." Sprich, Alpensped wird noch stärker digitale und KI-Tools nutzen, um die Prozesse und Anforderungen der Kunden darzustellen und weiterzuentwickeln. So sieht sich Faggin gerüstet im Wettbewerb mit digitalen Speditionen, die seit Jahren vermehrt ins Speditionsgeschäft drängen und damit auch in sein eigenes Geschäftsmodell. Fazit: Was zukunftsfähig macht Mittelständischer Transportbetrieb mit Eigenfuhrpark, Sofa-Spedition, also asset-frei, oder aber Großflotte? Welches Geschäftsmodell hat laut Professor Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn am meisten Zukunft - gerade angesichts der anstehenden Verkehrswende? "Fuhrparkgröße wie bei LIT bringt im Kostenbereich Vorteile, etwa bei der Fahrzeugbeschaffung und beim Thema Fahrergewinnung", erklärt er. Auch in der Lkw-Disposition helfe ein großer Fuhrpark, weil hier Standardisierungs- und Ausgleichseffekte auftreten. Aber auch Mittelständler wie BTK haben im nationalen Geschäft mit eigenem Fuhrpark durchaus gute Chancen, vor allem wenn sie dieses Geschäft durch andere höhermargige Aktivitäten ergänzen, etwa in der Logistik." A und O sei natürlich eine gute Routen- und Tourenplanung -"da muss stets etwas hängen bleiben." Das Modell der Sofa-Spedition, wie es Alpensped betreibe, funktioniert laut Lohre im internationalen Geschäft mit internationalen Frachtführern. Gerade Alpensped sei hier ein herausragendes Beispiel. In Deutschland sieht er indes weniger Chancen für das Geschäftsmodell der Sofa-Spedition. Zumal diese Aufgaben zukünftig von KI-Agenten und digitalen Plattformen im Standardsegment übernommen werden dürften. Kleine und mittlere Transportbetriebe haben also durchaus weiterhin im Transportgeschäft Zukunft. Zumindest wenn sie ihre Hausaufgaben machen, urteilt Lohre. "Wichtig ist, dass das Transportunternehmen sicheren Zugriff auf einen Fuhrpark hat, auch unter Berücksichtigung der sich ändernden Antriebsarten." Das müsse aber nicht unbedingt ein eigener Fuhrpark sein; es reiche auch der Zugriff auf einen Fremdfuhrpark. "Entscheidend ist nur, dass man den Zugriff sicher auf den Fuhrpark hat und diesen auch mitentwickelt", und dies müsse ein Dienstleister dem Auftraggeber gegenüber auch kommunizieren. Spezialisierung statt Standard Wichtig sei auch das Thema Lkw-Auslastung, etwa dank des Einsatzes von IT-Tools und von Umläufen, sowie ein "professionelles Management der Kapazitäten", vor allem in volatilen Zeiten wie aktuell. Last but not least sollten Firmen Wege suchen, rät Lohre, um sich weniger austauschbar zu machen. "Mittelständische Betriebe sollten nicht nur auf Standardaufträge schauen, sondern sich auch spezialisieren und damit schwer austauschbar machen."