Die EU-Kommission möchte ihre Vorschläge zur Verbesserung des Kombinierten Verkehrs (KV) in der EU wieder aus dem Gesetzgebungsprozess bei den EU-Einrichtungen zurücknehmen. So kündigt sie es in ihrem Arbeitsprogramm für 2026 an, das am Dienstag, den 21. Oktober, veröffentlicht wurde. Genaue Gründe für die Rücknahme der Vorschläge nennt die EU-Kommission in ihrem Arbeitsprogramm nicht.
Ihre Vorschläge zur Änderung der KV-Richtlinie von 1992 hatte die EU-Kommission im November 2023 veröffentlicht (COM(2023)702 final 2023/0396 (COD)). Das Europaparlament und die EU-Mitgliedsländer im Ministerrat hätten die Vorschläge danach als gültige Rechtsvorschriften annehmen müssen.
Bislang sind die Verhandlungen darüber aber in beiden Einrichtungen nicht weit gekommen.
Schleppende Gesetzgebung: Vorschläge werden aber nicht zwangsläufig zurückgenommen
Diese schleppende Bearbeitung seitens der EU-Gesetzgeber gibt die EU-Kommission auf VR-Anfrage dann auch als einen der Gründe an, warum die KV-Änderungsvorschläge in dem Arbeitsprogramm auf der Liste der zurückzuziehenden Vorhaben stehen. Das bedeute aber noch nicht, dass die Vorschläge zwangsläufig zurückgenommen werden.
Vielmehr könnten Europaparlament und die Mitgliedsländer dazu jetzt Stellung beziehen. Die Kommission werde mögliche Einwände prüfen und sie bei ihrer endgültigen Entscheidung berücksichtigen.
Deutsche Spediteure sehen bleibende Rechtsunsicherheit für KV-Verkehr
Als „Rückschlag für den Kombinierten Verkehr“, bezeichnet trotzdem schon jetzt Niels Beuck, Leiter Schienengüterverkehr / KV beim Bundesverband Spedition und Logistik DSLV, die Ankündigung der EU-Kommission. Der KV habe in den vergangenen Jahren „viel an Dynamik verloren“ und hätte deshalb gerade jetzt mehr politische Unterstützung auf EU-Ebene gebraucht.
„Einen klaren europäischen Rechtsrahmen zur Vereinheitlichung der Definitionen im Kombinierten Verkehr (…) wird es (jetzt) absehbar nicht geben. Die Rechtsunsicherheit für Speditionen, die Güter auf die Schiene verlagern wollen, bleibt damit bestehen“, teilt Beuck mit.
UIRR sieht Arbeitsprogramm der EU-Kommission nur als Vorschlag
Gelassener fällt die Reaktion bei der Internationalen Union für Straßen-Schienen-KV (UIRR) in Brüssel aus. Das Arbeitsprogramm der Kommission sei „nur ein Vorschlag des Generalsekretariats der Kommission, kein Rechtsakt“, also keine bindende Entscheidung, sagt Ralf-Charley Schultze, UIRR Generaldirektor.
Bei DG Move, der Abteilung der EU-Kommission, die sich um Verkehrspolitik kümmert und entsprechende Gesetzesvorschläge ausarbeitet, sei man ebenfalls von der Ankündigung im Arbeitsprogramm überrascht gewesen, behauptet Schultze. Ein solcher Schritt habe sich also seiner Ansicht nach nicht unbedingt angekündigt.
Auch deshalb hofft Schultze, dass es nicht zu der angekündigten Rücknahme des Vorschlags kommt. Denn im Europaparlament sei seit einigen Wochen wieder Bewegung in die Bearbeitung gekommen. Dort hatten auch die Europawahlen im Frühjahr 2024 dazu geführt, dass es keine schnellen Fortschritte gegeben hatte.
Dass im Europaparlament der KV grundsätzlich als wichtiges Thema zumindest von Teilen der Politiker angesehen wird, zeigt die Reaktion des verkehrspolitischen Sprechers der Liberalen im EU-Parlament, Jan-Christoph Oetjen. „Die Stärkung des kombinierten Verkehrs kann einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten“, sagt der FDP-Politiker gegenüber der VR.
Die mögliche Rücknahme der Richtlinie sende aus seiner Sicht ein falsches Signal. Denn: „Das langfristige Ziel muss weiterhin sein, Güter stärker von der Straße auf die Schiene zu und Synergien zwischen beiden Verkehrsträgern zu heben“, so Oetjen.
Anders als das Parlament hatten die EU-Mitgliedstaaten die KV-Neuerungen relativ schnell in ihren Diskussionen aufgegriffen. Über Debatten zu den neu vorgeschlagenen Definitionen des KV seien sie aber erst einmal nicht hinausgekommen, berichtet UIRR-Generaldirektor Schultze. So sei der Stand auch heute noch. Denn wegen fehlender Bemühungen und Fortschritte seitens des Europaparlaments hätten die Mitgliedstaaten das Thema KV erst einmal wieder zur Seite gelegt.
Hintergrund zur Reform der KV-Richtlinie: Ein langer Weg
In der Vergangenheit sind Vorschläge zu Änderungen der KV-Richtlinie von 1992 bereits mehrmals von der EU-Kommission wieder zurückgenommen worden. Zuletzt 2020, weil damals die Vorschläge von 2017 laut EU-Kommission drohten, vom Europaparlament und den EU-Mitgliedstaaten zu stark abgeschwächt zu werden, heißt es in einem Bericht des wissenschaftlichen Dienstes des Europaparlaments.
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Dieser Beitrag wurde am 23.10.2025 um 13:45 Uhr aktualisiert und um Reaktionen der EU-Kommission und von EU-Parlamentarier Jan-Christoph Oetjen (FDP) ergänzt.