Systematischer Betrug?

Das Image des Transportgewerbes ist ohnehin nicht das beste. Jetzt muss sich die Branche auch noch vorhalten lassen, dass "einige Spediteure systematisch gegen die gesetzlichen Vorgaben verstoßen". Mit diesen Worten wird Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, in ihrer Pressemeldung zitiert. Kaum Lkw-Kontrollen in Sachsen Anlass für den Vorwurf ist eine Umfrage, die ihr Büro bei den Innenministern aller 16 Bundesländer gemacht hat. Demnach wurden in Baden-Württemberg Lkw alle 31.000 Kilometer von einem Polizisten herausgewinkt und angehalten. In Bayern hingegen müssen Lkw nur alle 80.000 Kilometer rechts ran und sich den kritischen Blicken der Beamten aussetzen. In Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind Kontrollen noch seltener. In Sachsen sieht ein Lkw-Fahrer sogar nur alle 160.000 Kilometer die rote Kelle der Polizisten. Große Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt es auch bezüglich der Anordnung der sogenannten Verfallsbescheide. Damit werden illegal erwirtschaftete Gewinne bei Transportunternehmen eingezogen. Wer in Baden-Württemberg erwischt wird, muss sich vorsehen: Mit 830 Verfahren im Jahr 2017 ist das Land auch hier Spitzenreiter. Am Ende dieser Skala befindet sich Brandenburg: kein einziges Verfahren. "Wir müssen mehr kontrollieren. Dazu gehört mehr Personal, dazu gehört aber auch ein Umdenken bei der Polizei", sagt Lühmann gegenüber der VerkehrsRundschau. Sie beklagt, dass aufgedeckte Verstöße von Lkw-Kontrollen nicht in die Kriminalstatistik eingehen. "Deshalb sind sie bei der Polizei nicht sehr beliebt, gerade dann, wenn es wenig Personal gibt, weil solche Kontrollen zeitaufwendig sind", sagt die ehemalige Polizistin, die in ihrem früheren Beruf auch Lkw kontrolliert hat. Lühmann gesteht ein, dass die von ihr erhobenen Zahlen der Bundesländer alleine nicht aussagekräftig sind, weil neben der Polizei auch das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) Lkw überprüft. "Aber die Zahlen erheben wir noch." Das BAG teilt auf Anfrage der Verkehrs-Rundschau mit, dass "in den Jahren 2010 bis 2017 der Anteil der BAG-Kontrollen jährlich jeweils zwischen 20 und 25 Prozent der insgesamt in Deutschland durchgeführten Kontrollen betrug". Aus den Kontrollzahlen des BAG geht hervor, dass im Güterverkehr 2017 zwar etwas mehr Fahrzeuge kontrolliert wurden als 2016, aber doch deutlich weniger als 2015. "Eine Ursache dafür ist die stetig zunehmende Komplexität der Kontrollen. Aufgrund des technischen Fortschritts sind Kontrollen deutlich zeitintensiver geworden", lautet die Begründung der Behörde. Zudem stünden öffentliche Rast- und Parkplätze aufgrund der zunehmenden Verkehre und entsprechender Auslastung immer weniger für Kontrollen zur Verfügung. Und wie kommt es zur Aussage Lühmanns, dass unter den Spediteuren systematisch betrogen wird? "Das ist kein Massenproblem, das sind einige wenige", schränkt sie den Vorwurf ein. Sie spricht aus ihrer Erfahrung als Polizistin und ihren Kontakten zu einer Spezialgruppe zur Kontrolle des Schwerverkehrs: "Die Polizei kennt diese schwarzen Schafe, die immer wieder bei Kontrollen auffallen." Die fairen Spediteure sind die Dummen Lühmann fordert, die Zahl der Kontrolleure für Unterwegskontrollen bei BAG von derzeit 231 aufzustocken und dass auch Mautkontrolleure Straßenkontrollen übernehmen dürfen. "Wenn bundesweit alle 30.000 Kilometer ein Lkw kontrolliert würde, fände ich das einen guten Wert", sagt die Politikerin. Zudem sollten die Bundesländer bei Vergehen das Instrument der Gewinnabschöpfung stärker einsetzen. "Es geht mir darum, die Abschreckung zu erhöhen. Ohne solchen Sanktionen werden wir für Speditionen, die sich an Recht und Ordnung halten, keinen vernünftigen und fairen Markt schaffen", so die SPD-Abgeordnete. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "BAG" www.verkehrsrundschau.de/dossiers