Scania P 310 CNG

Scania P 310 CNG Auch der Greif gibt jetzt Gas Auch Scania mischt seit Kurzem mit in Sachen Erdgas und will zur IAA nochmal nachlegen. Doch schon der schwedische Erdgas-Erstling P 310 CNG macht einen reifen Eindruck. Der Dieselpreis erklimmt schwindelnde Höhen – die Margen der Transporteure entsprechende Tiefpunkte. Und die Suche nach Fluchtmöglichkeiten aus der Dieselfalle nimmt an Intensität zu. „Immer mehr Kunden suchen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und sind offener als je zuvor für alternative Lösungen“, stellt Christian Teichmann, Verkaufsleiter Scania Deutschland, fest. Die „deutschen Schweden“ forcieren daher das Thema „Erdgas“ als „real existierende Alternative“. Vorgestellt zur IAA 2010 hat es zwar gedauert, bis die ersten Erdgas-LKW in die Praxis fanden. Doch mittlerweile sind erste P-Modelle mit emissionsarmem Antrieb ausgeliefert und Scania stellt teilweise Testfahrzeuge zur Verfügung, wie etwa dem Lebensmittler Meyer Logistik in Berlin (siehe VR 47/2011) oder der Spedition Oestmann, die für VW Teile fährt. Beide Kunden loben etwa die unkomplizierte Handhabung im Alltag. Das bestätigt eine städtische Proberunde mit einem beladenen 18-Tonner P 310 CNG. Scania hat das Ziel, einen nach dem Otto-Prinzip laufenden Motor zum „gefühlten Diesel“ zu machen, tatsächlich gut umgesetzt. Formal kann der 305 PS starke 9,3-Liter-Fünfzylinder-Motor zwar nicht ganz mit den selbstzündenden Pendants mithalten und muss beim maximalen Drehmoment ein paar Federn lassen. Doch anders als etwa der etwas drehmomentschwache Cursor-8-Motor im Iveco Stralis CNG kann sich der Scania-Motor das leisten. 1250 Nm stehen ebenso früh bereit wie bei den Diesel-Versionen und das Aggregat behauptet diese Kraft auf einem Plateau bis 1400 Touren. Dass der EEV-saubere Erdgas-, in diesem Fall gar Biogas-Scania Mumm in den Knochen hat, bemerkt man vor allem beim Zwischenspurt. Die Elastizität gefällt und geschaltet werden muss wenig. Eigentlich, denn einen Strich durch die sonst überzeugende Rechnung macht das serienmäßig verbaute Allison-Wandlerautomatik-Getriebe, das kein rechtes Vertrauen in die Kräfte des Otto-Gas-Motors zu haben scheint und gelegentlich etwas zu eifrig eingreift. Immerhin: Die Schaltwechsel gehen Wandler-typisch sanft und fast unmerklich vonstatten. Zwiespältig: Kombination mit Wandler Für einen Scania ungewohnt ist auch der trotz schnell ansprechendem kleinen Turbolader (statt VGT im Diesel) eher maue Antritt. Die Sechsgang-Automatik packt den Antriebsstrang wie in Watte und es geht etwas das agile Gefühl verloren, das Scania-Verteiler sonst auszeichnet. Ob die Schweden nach einer eigenen Lösung mit der bekannten und überzeugenden automatisierten Opticruise streben, ist offen. Ein weiteres Manko, das sich durch die niedrigere Verdichtung beim Otto-Prinzip ergibt: Die Motorbremskraft ist relativ schwach. Dass man beim Testfahrzeug kaum auf die gewohnt kräftigen Betriebsstopper zurückgreifen muss, liegt am für den CNG empfehlenswerten Retarder. Im Vorteil ist der Otto-Motor gegenüber dem Diesel dann beim Thema Laufgeräusch: Er arbeitet noch ein Stück sanfter als der ohnehin kultivierte Selbstzünder. Vor allem nach außen bleibt der Erdgasantrieb viel diskreter, was bei Verboten in Lieferzonen relevant werden könnte. Für diesen Einsatzbereich ist denn auch die 4x2-Fahrgestellversion mit Kofferaufbau gedacht, die mit ihren acht Tanks – je vier auf einer Seite – mindestens 200 Kilometer, in der Praxis bei Meyer sogar bis zu 400 Kilometer, weit reichen soll. Zeigt die Nadel im gewohnten Display null, sind noch 10 bar Restdruck vorhanden, und man kann sich an die nächste Gaszapfsäule retten. Die stellt dann hoffentlich auch volle 200 bar zur Verfügung. Während die aufwendig konstruierten Hochdruck-Tanks normalerweise Gewichtsnachteile einbringen, setzt Scania auf extrem leichte Komposit-Behälter, die sogar 400 Kilo leichter sein sollen als volumengleiche Stahlversionen. Mit dem P 310 CNG kann der Fahrer jedenfalls gut und guten Gewissens Gas geben. Mit Biogas (CBG) aus Reststoffen, in diesem Fall vom Leipziger Anbieter Verbio, soll der CO2-Ausstoß um bis zu 70 Prozent sinken. Auch die Anpassung an die Euro-6-Norm fällt mit Erdgas-LKW leichter. Bisher ist das Interesse an Gas-Lösungen bei Scania groß und wird viel diskutiert. Allerdings macht sich das noch nicht in Verkaufszahlen bemerkbar, wie Scania-Verkäufer Frank Reinartz leise beklagt. Zur IAA wollen die Schweden noch einmal nachlegen. Mit einer Erdgas-Lösung, die „das Thema Gas für einen größeren Kundenkreis interessant machen wird“, wie Reinartz ankündigt. ❙❚■ Johannes Reichel Stark in der Stadt: Scanias Erdgas-LKW macht im Nahverkehr eine gute Figur Zufrieden mit CNG: Fahrer von Meyer Logistik Informativ: CNG-Füllstand in der normalen Tankuhr, Druckanzeige an der Abdeckung der leichten Komposit-Flaschen. Gewohnt kräftiger Fünfzylinder Scania P 310 CNG Schon heute alltagstaugliche Alternative Frank Reinartz, Scania, Verkauf LKW, glaubt, dass der Erdgas-Antrieb eine wichtige Alternative ist – vor allem im Nahverkehr. Andere Hersteller reden über Hybrid, bei Scania ist es recht ruhig dazu. Ist Erdgas die bessere „Alternative“ zum Diesel? Frank Reinartz: Erdgas ist eine von mehreren Alternativen zum Dieselkraftstoff. Wichtig ist, die Transportaufgabe des Kunden genau zu analysieren. Nicht in jedem Fall ist der Einsatz von Erdgasfahrzeugen sinnvoll. Vorteilhaft ist sicherlich die nahezu flächendeckende Verfügbarkeit von CNG sowie die Möglichkeit einer erheblichen CO2-Reduzierung durch den Einsatz von Biogas.Wenn das Ziel verfolgt wird, CO2 zu reduzieren, ist auch Biodiesel eine Lösung. Alle Scania- Motoren lassen sich mit 100 Prozent Biodiesel fahren. Auch unsere aktuelle Produktneuheit, die vorausschauende Geschwindigkeitsregelung, reduziert den Kraftstoffverbrauch, und damit den CO2-Ausstoß, um zusätzliche 3 Prozent. Darüber hinaus beschäftigt sich Scania intensiv mit der Entwicklung von zukünftigen Antriebskonzepten. Unsere Kunden fordern aber bereits heute alltagstaugliche Alternativen zum Diesel und dazu gehört auch der Erdgasmotor. Wie beurteilen Sie das Potenzial von Erdgas über den Verteiler-Verkehr hinaus? Bei erdgasbetriebenen Nutzfahrzeugen liegt der Fokus ganz klar im Bereich des innerstädtischen und regionalen Verteilerverkehrs. Darin sind auch Anwendungen wie etwa Abfallsammelfahrzeuge eingeschlossen. Bei diesen Einsätzen kommen die Vorteile des Erdgasmotors, nämlich geringe Schadstoff- und Geräuschemissionen, am besten zur Geltung. Für den Einsatz im Fernverkehr wird auch in den nächsten Jahren kein Weg an der Effizienz eines Dieselmotors mit der aktuellen Abgasreinigungstechnologie vorbeiführen. Halten Sie die LNG-Technik für praktikabel? Die LNG-Technik, also die Verflüssigung des Gases durch Tiefkühlung, hat den Vorteil, dass bei gleichem Tankvolumen eine deutlich höhere Reichweite möglich ist. Allerdings müssen die Fahrzeuge für den Einsatz von LNG mit aufwendig isolierten Spezialtanks ausgestattet werden. Zudem gibt es heute keine Tankstelleninfrastruktur. Für den Einsatz im Nah- und Verteilerverkehr bringt die LNG-Technik derzeit keine Vorteile. Wie viel Nutzlast bringen die Komposit-Tanks und was verliert man durch den Retarder? Wie liegen die Mehrkosten zum Diesel? Neben einem Nutzlastvorteil von 400 Kilogramm im Vergleich zu volumengleichen CNG-Tanks aus Stahl, bieten die Komposit-Tanks auch eine deutlich höhere Lebensdauer von bis zu 20 Jahren. Stahltanks müssen aufgrund der Materialermüdung in der Regel nach circa sechs Jahren ersetzt werden. Dies erklärt auch die Mehrkosten des erdgasbetriebenen Fahrzeugs in Höhe von insgesamt circa 30.000 Euro. Der empfehlenswerte Retarder bleibt mit einem Mehrgewicht von circa 50 Kilo in einem überschaubaren Rahmen. Empfehlen Sie interessierten Unternehmern eine eigene Tank-Infrastruktur? Wenn sich ein Kunde für Fahrzeuge mit Erdgas-Antrieb entscheidet, kann eine eigene CNG-Tankstelle durchaus sinnvoll sein. Durch langfristige Verträge mit Gaslieferanten erhalten die Kunden Planungssicherheit bei den Treibstoffkosten. Durch eine Zusammenarbeit mit Biogasproduzenten oder sogar eine eigene Biogasherstellung können Transporte mit erheblich reduziertem CO2-Ausstoß durchgeführt werden. Für viele unserer Kunden ist das ein wichtiges Argument. Gibt es konkrete Pläne für einen CNG-Scania mit hauseigenem Opticruise-Getriebe statt der nach unserem Eindruck etwas zwiespältigen Allison-Wandlerautomatik? Die Kombination von Wandlerautomatik und Gas-Motor (Ottomotor) ist für den Einsatz im Nah- und Verteilerverkehr aus unserer Sicht ideal. Das Fahrzeug fährt sich sehr komfortabel und der Wandler erhöht das Motordrehmoment beim Anfahren. Zurzeit gibt es keine Pläne, andere Getriebevarianten einzuführen. Ihr persönlicher Wunschzettel: Was muss passieren, damit Erdgas mehr Verbreitung im Nutzfahrzeugmarkt findet – und was fehlt bisher dazu? Fahrzeuge mit Erdgasantrieb sind eine mögliche Antwort auf steigende Dieselpreise. Die Technik ist absolut alltagstauglich und bei Scania bereits heute ab Werk verfügbar. Natürlich ist die Verbreitung dieser Fahrzeuge auch von äußeren Umständen, wie beispielsweise gesetzlichen Regelungen, Subventionen sowie der Entwicklung der Kraftstoffpreise abhängig. Die steigende Nachfrage sowie das Feedback unserer Kunden, die bereits Erdgas-Fahrzeuge einsetzen, bestätigen uns, dass es im Markt einen Bedarf nach alternativen Antriebskonzepten gibt. Scania ist für diesen Bedarf gerüstet. jr Interview Frank Reinartz