Iveco Stralis CNG

Iveco Stralis CNG Erdgas-Alternativefür 40 Tonnen Um 60 auf 330 PS steigerte Iveco die Leistung des Stralis CNG. Neben der Stärkungskur soll eine besondere Kraftstoff-Einspritzung den Erdgas-Italiener auch für 40 Tonnen fit machen. Allein die PS-Angabe auf der Stralis-Fahrertür wird jeden Fahrer skeptisch werden lassen: „Nur“ 330 PS, noch dazu aus gerade mal 7,8 Litern Hubraum sollen für stattliche 40 Tonnen Gesamtgewicht reichen? Noch mehr Skepsis kommt allerdings hinsichtlich des Kraftstoffs auf, der die weiße Stralis-Zugmaschine befeuert: Statt konventionellem Diesel wandelt deren Cursor-8-Motor nämlich Compressed Natural Gas (CNG), zu Deutsch Erdgas, in Vortrieb um. Und arbeitet damit nach dem Otto-Prinzip, was auch nicht gerade für gesteigertes Temperament spricht. Erdgas-Kunden forderten mehr Leistung Dabei ist gerade Letzeres der eigentliche Grund für den 330 PS starken Erdgaser. Bislang war beim CNG-Stralis nämlich bei 270 PS Schluss. Zu wenig, wie mehrere Transportunternehmen monierten, die den Gaser voll ausgeladen auf Verteilertour schicken wollten. Um die 60-PS-Leistungssteigerung zu realisieren, mussten die Iveco-Ingenieure allerdings tief in die Technik-Trickkiste greifen. Der Grund: Thermisch war man bereits bei der 270-PS-Einstellung an der Grenze des Machbaren angekommen. Zur Lösung dieses Problems verpasste man dem Sechszylinder eine spezielle Nockenwelle, die das eigentliche Otto-Prizip auf die sogenannte Miller-Einspritzung umstellt. Dabei schließt das Einlassventil zu „spät“, wodurch der Kolben in der Aufwärtsbewegung wieder einen Teil der Luft in den Ansaugtrakt schiebt. So verbleibt weniger Luft im Brennraum, als hineinpassen würde. Folge dieser Maßnahme ist eine geringere wirksame Verdichtung im Motor. Was allerdings zu einer geringeren Leistung führt, der Iveco mittels ebenfalls neu entwickeltem Turbolader gegensteuert. Lohn der Mühe: Der verdichteten Luft kann über einen groß dimensionierten Ladeluftkühler mehr Wärme entzogen werden, weshalb trotz der Leistungssteigerung keine größeren Kühler nötig werden. So versprechen die Italiener eine Verbesserung der Volllast-Effizienz von vier Prozent. Bei Teillast soll der Vorteil sogar noch größer ausfallen, da die Drosselklappe weniger stark geschlossen werden muss. Dennoch entert man die mittelgroße AT-Kabine mit gemischten Gefühlen. Den ersten Pluspunkt kann der CNG aber bereits beim Starten des Motors verbuchen. Auffallend weich fällt das Verbrennungsgeräusch des Erdgasers aus, wodurch er sich auch spürbar leiser als sein Diesel-Pendant präsentiert. Die nächste Überraschung dann beim Fahren, denn der Gas-Cursor kommt mit der auf 40 Tonnen ausgeladenen Fuhre deutlich besser zurecht als gedacht. Zumindest sobald der Fahrer seine Fahrweise dem Benziner-Prinzip angepasst hat. Zwar erreicht der CNG sein maximales Drehmoment von 1300 Nm bereits ab 1200 Umdrehungen. Dann stehen allerdings gerade mal knapp 220 PS zur Verfügung. Die volle Motorleistung wird erst bei 1780 Touren abgerufen. Zum Vergleich: Der Diesel-Cursor-8 mit 330 PS erreicht diesen Bereich 130/min früher. So werden im CNG Drehzahlbereiche fällig, die ansonsten im LKW tabu sind. Der Erdgas-Cursor braucht Drehzahl Hat man sich aber daran gewöhnt, die Drehzahlnadel bereits an kleinsten Steigungen und beim Beschleunigen nicht unter 1600/min fallen zu lassen, bewegen sich auch 40 Tonnen ausreichend zügig. In hügeliger Topografie kann man dann allerdings förmlich zusehen, wie sich der Inhalt der insgesamt 120 Kilo fassenden Gasflaschen leert, die rechts und links am Fahrzeugrahmen untergebracht sind. Problematisch gestaltet sich darüber hinaus das Thema Motorbremse. Wegen der geringeren Verdichtung des Gasmotors fällt die im CNG eher schwach aus. Zwar arbeitet man in Turin bereits an einer speziellen Auspuffklappenbremse. Ob die allerdings in starken Gefällen ebenso sicher verzögert wie der ZF-Intarder, den Iveco den Erdgas-Modellen bislang serienmäßig spendiert, darf bezweifelt werden. Euro 6 ist für den CNG kein Problem Wobei Iveco aber betont, dass der CNG für bergiges Terrain auch nicht gedacht ist. Ebenso sehen die Italiener den schweren Verteilerverkehr als Kundenkreis, wo höchstens bis zum ersten Kunden mit 40 Tonnen Gesamtgewicht gefahren wird und der LKW abends wieder auf dem Hof steht. Dann wäre auch das in Deutschland bislang lückenhafte Tankstellennetz weniger problematisch und auch die angegebene Reichweite von bis zu 450 Kilometern erscheint mit weniger Gewicht realistischer. Immer einkalkuliert werden muss dagegen der um 30 Prozent höhere Anschaffungspreis sowie eine halbe Tonne Nutzlastverlust. Darüber hinaus steht beim CNG die komfortable Eurotronic nicht zur Disposition. Die Kraftübertragung erfolgt wahlweise mittels ZF-16-Gang-Handschaltung oder einer Sechsgang-Wandlerautomatik von Allison. Auch in Sachen Wartungsaufwand ergeben sich Nachteile, beispielsweise müssen die Zündkerzen regelmäßig gewechselt werden. Auf der Habenseite stehen dafür geringe Schadstoffe – der CNG erfüllt locker die Euro-6-Homologation. Und natürlich der im Vergleich zum Diesel deutlich günstigere Erdgaspreis von derzeit knapp einem Euro pro Kilo. Und der Preis soll nach Einschätzung von Erdgas Mobil im Gegensatz zum Öl in den nächsten Jahren stabil bleiben. Schließlich ist Erdgas nicht mehr wie früher an den Ölpreis gekoppelt. Und das könnte vielleicht bereits genügen, um bei manchen die eingangs erwähnte Skepsis aus dem Weg zu räumen. ❙❚■ Jan Burgdorf Auf ebener Strecke meistert der stärkste Erdgas-Stralis auch 40 Tonnen passabel Gewohntes Stralis-Ambiente, Handschaltung oder Allison-Sechsgang-Wandler, separates „Tankkästchen“, 120-kg-Erdgastanks rechts und links am Rahmen Iveco Stralis CNG Wassergekühlter Sechszylinder-Erdgas-Reihenmotor, Miller-Einspritzung, vier Ventile pro Zylinder, Turbolader, Ladeluftkühler, Bohrung/Hub: 115 x 125 mm, Abgaswerte nach Euro 6, Hubraum: 7,790 l, Leistung: 243 kW (330 PS) bei 1785/min, max. Drehmoment: 1300 Nm bei 1200 - 1787/min wahlweise vollsynchronisiertes 16-Gang-Getriebe „ZF 16S1620TD“ mit Doppel-H-Schaltung (Achsübersetzung 1 : 3,7) oder Sechsgang-Automatikgetriebe „Allison 3200“ (Achsübersetzung: 1 : 6,17), Kupplung: Handschaltung: hydraulisch betätigte Einscheibentrockenkupplung, Wandler: hydrodynamischer Drehmomentwandler mit Überbrückungskupplung und Drehschwingungsdämpfer Doppelt gekröpfter Rahmen aus U-förmigen Längsträgern, vorn: Starrachse, Faustachsmittelstück in Doppel-T-Form, Stabi, Zweiblatt-Parabelfedern, hinten: einfach übersetzte Antriebsachse m. Kegelradausgleichsgetriebe, Stabi, Scheibenbremsen rundum, Zweibalg-Luftfederung, ABS Serie circa 30 Prozent über einer vergleichbaren Stralis-Diesel-Zugmaschine Technische Daten

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