Projekt Weltmacht: Wie chinesische Logistikplayer den Aufstieg planen

Das Übernahmeangebot des chinesischen Onlinehändlers JD.com für Ceconomy, Eigentümerin von MediaMarkt und Saturn, ist ein wichtiges Signal. Es zeigt eines: Die chinesische Logistik versucht, sich tiefer in den europäischen Markt einzubetten (Stand der Redaktion 26. Oktober 2025). Das Angebot von JD.com umfasst Technologie, Lagerkapazitäten und wahrscheinlich eine Lieferbeschleunigung nach Europa. Zugleich zeigt dieses Angebot eines: Chinesische Akteure exportieren nicht mehr nur Waren, sondern streben auch nach der Integration in die Wertschöpfungskette - das ist der viel größere Trend. Chinas Aufstieg in der Logistikfähigkeit zeigt sich zunehmend in physischen Footprints: in Beteiligungen an europäischen Terminals und in eigenen Frachtflugzeugen, die die Planung erleichtern und verlässliche Laufzeiten nach Europa sicherstellen. Das Muster ist immer gleich: schnellere Tür-zu-Tür-Zyklen, engere Sendungsverfolgung und Nachverfolgbarkeit sowie höhere Terminzuverlässigkeit. Aufstieg im LPI, Ausbau vor Ort Aufgrund strengerer Prüfungen chinesischer Investitionsvorhaben in Europa sind Governance, Compliance und Sicherheit nun in den Fokus der Chinesen gerückt. Die Strategie zielt darauf ab, Distanz in Zeit zu verwandeln - durch Lager im Zielmarkt, kontrollierte Haupttransporte und lokale Zustellpartner. Diese Leistungsfähigkeit spiegelt sich auch im "Logistik Performance Index" (LPI) der Weltbank: Chinas LPI-Rang verbesserte sich von Platz 28 (2014) über Platz 26 (2018) auf Platz 19 (2023). Die Punktzahl stieg von 3,53 (Zoll: Platz 38; Infrastruktur: Platz 23) auf 3,61 (Infrastruktur: Platz 20; internationale Sendungen: Platz 18), und 2023 wurde China unter Asiens leistungsstärksten Volkswirtschaften hinter Singapur und Hongkong eingeordnet. Chinesische Politik beschleunigt das Logistikgeschäft. In China dient "Logink" als gemeinsame Datenplattform, die Buchung, Tracking, Zahlungsabwicklung sowie Zoll-Single-Window-Schnittstellen standardisiert. Integrationskosten kollabieren und die KI-Integration in die Geschäftsprozesse der Unternehmen beschleunigt sich. Zwischen Europa und China verschmelzen Bahnstrecken, Hafenbeteiligungen, Unterseekabel und digitale Plattformen der digitalen Seidenstraße, um Transparenz und eine einfache Zollabwicklung über Grenzen hinweg zu ermöglichen. Die arktische "Polar-Seidenstraße" bietet eine saisonale Transportalternative, die unter vorteilhaften Eisbedingungen die Transitzeit von China nach Europa verkürzen kann. Staatsgeschützte Korridore Subventionierte Datendienste, staatlich gesteuerte Korridore und Infrastrukturprojekte sind ein politisches Schwungrad. Das bedeutet: Viele kleine Schritte über einen langen Zeitraum hinweg erzeugen mit geringer Reibung großen Antrieb, mehr Routenwahl und Zuverlässigkeit auf kontinentalen und interkontinentalen Strecken. Chinesische Akteure sind erfahren im Umgang mit hohen Volumina, schnellen Abläufen, Automatisierung sowie dem Transport zwischen China und Europa. Mehr Digitalisierung, schnellere Zollprozesse und verlässliche Verladung - etwa durch Frachter oder reservierte Frachtkapazitäten - wirken sich ebenfalls positiv auf die Leistung aus. Im China-Europa-Netzwerk wirkt grenzüberschreitende Logistik fast lokal, weil Bestände in Europa gehalten, interkontinentale Transporte selbst betrieben und vertraglich gesichert an Best-in-Class-Zustellnetze angebunden werden. Flexibilität ist der Punkt: auf die Schiene schwenken, wenn die Seefracht zu eng ist; auf See oder Luft zurück, wenn sich die Bedingungen ändern. Wo es noch hakt Herausfordernd bleiben die geopolitischen Limitationen und Risiken der nördlichen Bahnroute, die Kapazitäts- und Schwankungsgrenzen des mittleren Korridors sowie die strengen europäischen Anforderungen an ESG, Daten und Zollprüfbarkeit. Ohne stärkere Integration oder stabile lokale Netze kann die Leistung auf der letzten Meile schwanken. Die Herausforderung besteht darin, europäische Compliance und Servicequalität sicherzustellen - und dies bei kurzen Laufzeiten. Vergleich der Akteure Chinesische Logistikakteure zeichnen sich durch Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und hohe Flexibilität aus. Sie sichern sich eigenen oder vertraglich zugesicherten Frachtraum, platzieren Bestände direkt im Zielmarkt und nutzen gezielt Korridorverbindungen, um von vornherein schnelle Zyklen zu ermöglichen. Im Gegensatz dazu setzen deutsche Akteure stärker auf Verlässlichkeit und vertragliche Absicherung. Ihr Wert liegt in der strikten Einhaltung regulatorischer Vorgaben, in standardisierten Prozessen für den grenzüberschreitenden Verkehr sowie in einer transparent nachgewiesenen Nachhaltigkeit. Stärken und Schwächen Die chinesischen Logistikakteure verfügen über eine Reihe von Stärken, die ihren Markteintritt in Europa prägen. Dazu gehören eine ausgeprägte modale Agilität sowie die Fähigkeit, die Terminsteuerung über eigenen oder vertraglich gesicherten Frachtraum sicherzustellen. In der EU positionierte Bestände und Waren unter Zollverschluss schaffen zusätzliche Flexibilität, während zunehmend standardisierte Visibility- und Emissionsdaten das Vertrauen auf Kundenseite stärken. Besonders hervorzuheben ist die Fähigkeit, schnelle Zyklen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Plattformanbieter zu normalisieren und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Gleichzeitig bestehen jedoch auch klare Schwächen. Dazu zählen die geopolitische Anfälligkeit der nördlichen Schienenroute sowie die Kapazitäts- und Varianzrisiken im Middle Corridor. Hinzu kommen zusätzliche Kosten aufgrund europäischer Anforderungen an ESG, Datenstandards und Zollverfahren. Auch die gleichbleibende Leistung auf der letzten Meile bleibt eine Herausforderung, wenn keine tiefere Integration in europäische und deutsche Netzwerke erfolgt. Außerdem bestehen Anforderungen an die Buchung von Fracht- und Lagerraum sowie an Sortierungs- und Zustellleistungen, an die Einbindung von Arbeitnehmervertretungen und Gewerkschaften sowie an die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften, um langfristig eine robuste Marktverankerung zu erreichen. Chinesische Prioritäten Chinesische Prioritäten liegen in grenzüberschreitenden E-Commerce-Fulfillment-Knoten in Nordrhein-Westfalen/Rhein-Ruhr, im Hinterland von Hamburg/Bremerhaven und Frankfurt/Rhein-Main, im Luftfrachtgürtel Leipzig/Halle sowie in an die Schiene angebundenen Distributionszentren entlang der Ost-West-Achsen, ergänzt durch Mehrwertservices, die Ermittlung von Emissionsdaten und eine vollständige digitale Visibility. In chinesischer Eigenregie werden Bonded- und grenzüberschreitende Abläufe aufgesetzt, Hochdurchsatzlager finanziert und betrieben sowie Langstreckentransporte mit Frachtern oder reservierten Frachtkapazitäten abgesichert; dies umfasst auch die Visibility. In Partnerschaften sind lokale Letzte-Meile-Anbieter einzubinden. Zolldienstleister und Compliance-Spezialisten mit ESG-, Daten- und Auditierungskompetenz sollten die regulative Seite absichern; Bahn- und Terminalpartner gewährleisten die Kapazitäten, während TMS-/WMS-Integrationen sicherstellen, dass Daten reibungslos und vertrauenswürdig übermittelt werden. Fazit: Die jüngsten geopolitischen Schocks haben Chinas Drang, den Schritt nach Europa zu vollziehen, nur beschleunigt. Die Auswirkungen sehen wir in Europas Netzen: Mehr chinesisches Transportvolumen und hohe Transportgeschwindigkeit treffen auf europäische Zuverlässigkeit und Compliance. Wachstum in Europa erzielen diejenigen, die Geschwindigkeit mit Vertrauen und Flexibilität mit Standards verbinden. Deutschland ist das Testfeld. Schaffen es die chinesischen Unternehmen, die Risiken der Korridore zu minimieren, europäische Regeln einzuhalten, lokale Investitionsvorhaben umzusetzen und eine gleichbleibende Leistung auf der letzten Meile sicherzustellen, steht ihnen der Markt offen und deutsche Unternehmen müssen sich den neuen Wettbewerbern mit Investitionsbereitschaft, Innovation und Digitalisierung stellen. Eine Begegnung mit Fragezeichen. Wolfgang Lehmacher ist globaler Supply-Chain-Experte. Der ehemalige Direktor des World Economic Forum in Genf und New York, Partner der Beratungsfirma CVA in Hongkong und Shanghai und Präsident und CEO Emeritus von GeoPost Intercontinental in Paris und Hongkong ist Beiratsmitglied der Logistics and Supply Chain Management Society in Singapur, "Botschafter" für F&L in Brüssel und Berater von RISE (Research Institute of Sweden) sowie des US-Unternehmens GlobalSF in San Francisco. Abgesehen davon schreibt und referiert Lehmacher seit Jahrzenten über Innovation, Nachhaltigkeit, Expansion und Fortschritt in der Supply-Chain-, Logistik- und Transportbranche.