Deutscher Logistikmarkt: Insights aus der Top100-Studie

Die Hochschule Heilbronn hat für die Studie "Top 100 der Logistik 2025/2026" die Logistikwirtschaft in Deutschland neu vermessen. Die Studie ist eine Untersuchung der 100 größten Player im Logistikdienstleistungsmarkt und deren Einschätzungen bezüglich ihres unternehmerischen Umfelds. Demnach lag das deutsche Logistikwirtschaftsvolumen im Auswertungszeitraum 2024 bei 335 Milliarden Euro, ein nominales Plus von 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag damit bei rund acht Prozent. Hinter dieser stabilen Fassade steht jedoch ein reales Minus von rund zwei Prozent bei der Beförderungsleistung. Das heißt: Nominal wächst die deutsche Logistikwirtschaft, real schrumpft sie. Strukturwandel trifft die Logistik Konkret wurden in Deutschland 2,1 Prozent weniger Tonnen im Jahr 2024 transportiert als im Vorjahr. Als Hauptgründe benennt die Studie die schwächere Industrieproduktion, die geringere Transportnachfrage aus der Metall verarbeitenden und chemischen Industrie sowie rückläufige Exporte. Pro Einwohner lag die beförderte Menge bei 42 Tonnen im Jahr. Zum Vergleich: Im europäischen Mittel waren es 36 Tonnen. Strukturell sorgte der Ausstieg aus der Kohleverstromung dafür, dass sich die Massengutverkehre verringerten. Parallel dazu sank die Beschäftigung in der Logistikwirtschaft im Jahr 2024 um 1,8 Prozent auf 3,35 Millionen Menschen, nach einem Minus von 0,3 Prozent im Jahr 2023. Das besagte nominale Wachstum um 2,6 Prozent der deutschen Logistikwirtschaft beruht der aktuellen Auswertung zufolge überwiegend auf Preis- und Kosteneffekten. So stiegen im Jahr 2024 die Entgelte der Beschäftigten im Schnitt um 5,9 Prozent, nach jeweils 3,5 Prozent in den beiden Vorjahren. Dazu kamen die Mautausweitung auf Fahrzeuge über 3,5 Tonnen, höhere Energiepreise und gestiegene Seefrachtraten infolge globaler Unsicherheiten. Gleichzeitig sorgte die Unterauslastung von Flotten, Lagern und Personal für weniger Produktivität. Das scheinbare Wachstum ist also zu großen Teilen preisgetrieben, nicht leistungsgetrieben. Wachstumstreiber Ausland Für das Jahr 2025 rechnet die Marktstudie mit einem nominalen Logistikwachstum von rund einem Prozent und kommt damit voraussichtlich auf ein Volumen von rund 338 Milliarden Euro. Im Jahr 2026 dürfte das nominale Wachstum in der deutschen Logistikwirtschaft bei plus drei Prozent liegen - abhängig davon, wie sich insbesondere das BIP, die produzierenden Industrien, der Export und das Kostenniveau entwickeln. Die Firmen schätzen die Entwicklungsaussichten für den deutschen Markt da sehr zurückhaltend ein. Deutlich optimistischer sind die Logistikwachstumserwartungen international. Hier rechnen die befragten Unternehmen mit Blick auf die globale Logistik mit durchschnittlich vier Prozent Wachstum 2025 und 2026 gar mit durchschnittlich fünf Prozent Zuwachs - jeweils zu Marktpreisen. Neben den makroökonomischen Entwicklungen dokumentiert die Studie die fortschreitende Konzentration im Logistikdienstleistungsmarkt. Beispielhaft dafür sind Transaktionen der jüngeren Zeit: Die Übernahme von DB Schenker durch DSV, die Integration der europäischen Imperial-Aktivitäten in DP World und die strategische Beteiligung der Mediterranean Shipping Company am Hamburger Terminalbetreiber HHLA. Diese Vorgänge auf internationaler Bühne werden die Anbieterlandschaft in Deutschland beeinflussen. So wird DB Schenker ab 2025 aus den Top Ten der größten Logistikdienstleister verschwinden, DSV im Gegenzug in die Top Five aufsteigen. Im Fokus: Operative Themen Die drängendsten Probleme in der Logistik sind für die im Rahmen der Studie befragten Logistikdienstleister: Kostendruck, Fachkräftemangel, Unsicherheit der Weltpolitik und Konjunkturschwäche, Infrastrukturprobleme, hohe Standortkosten und Bürokratie, die das aktuelle Logistikumfeld weiterhin treffend beschreiben. In den letzten Jahren, von 2020 bis 2025, kam da einiges zusammen: Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise und geopolitische Unsicherheiten prägten Nachfrage, Kosten und Netzwerke. Entsprechend dominieren in den Logistikunternehmen derzeit operative Themen, während strategische Themen deutlich in den Hintergrund rücken. 2020 waren laut den befragten Logistikplayern Digitalisierung, Automatisierung, Nachhaltigkeit und Resilienzgewinnung noch am relevantesten. Das zeigt eine vergleichbare Abfrage von damals. 2025 sind es wie gesagt operative Themen wie etwa Kostendruck, Fachkräftemangel und Konjunkturschwäche, die die Logistikunternehmen umtreiben. Trotz des verstärkten Fokus auf diese operativen Themen liegt das Innovationsbudget der Logistikdienstleister laut der neuen Top 100-Studie stabil bei rund 2,5 Prozent des Umsatzes, also auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vorerhebungen früherer Top 100-Ausgaben. Der wirtschaftsweite Innovationsetat dürfte damit in der deutschen Logistikwirtschaft schätzungsweise bei jährlich rund acht Milliarden Euro liegen - insbesondere für Projektvorhaben der Automatisierung, Prozessoptimierung, Software/IT-Implementierung sowie -Roll-out und natürlich KI. Firmenkultur treibt Innovationen Was solche Projekte begünstigt: Fast drei Viertel der befragten Logistiker schätzen ihre Unternehmenskultur als besonders gut geeignet ein, um Innovationen hervorzubringen. Die Studie hat dazu auch erfragt, welche Effizienzgewinne die Firmen durch den Einsatz von KI haben (siehe Grafik auf Seite 35). Ihren Antworten zufolge unterstützt die neue Technologie in den fortschrittlichsten KI-Projekten die beteiligten Mitarbeiter schon heute "wesentlich". 17 Prozent der befragten Unternehmen gaben gar an, dass die KI-Werkzeuge in ihrem fortschrittlichsten Projekt bereits einzelne Mitarbeitende ersetzen. Kein Wunder, dass rund 75 Prozent der befragten Logistikdienstleister offene Stellen im IT-Bereich im Jahr 2025 vermelden. Dem KI-Hype zum Trotz werden operative Mitarbeiter in Lager und Transport aber nach wie vor in der deutschen Logistikwirtschaft am dringlichsten gesucht. Martin Schwemmer ist Professor für Internationale Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik an der Hochschule Heilbronn und lehrt dort insbesondere zu Innovationen, Trends und Start-ups in Logistik und Supply Chain Management. Bis Oktober 2023 war er Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik (BVL). 2021 promovierte er am Fraunhofer IIS zum Erfolg von Logistik-Start-ups. Dort war er zudem bis Anfang 2022 als Senior Consultant im Bereich Logistics Market Intelligence tätig. Im Zuge dessen war er über zehn Jahre lang Autor und Leiter der "Top 100 der Logistik"-Studienreihe, die sich zum Standardwerk zur Beschreibung und Analyse des Logistiksektors entwickelt hat. Seit 2025 ist er wieder Hauptautor der "Top 100"-Studien.