Metro: Zentrale Logistik

Metro: Zentrale Logistik unverzichtbar Deutschlands größter Handelskonzern Metro setzt radikal auf Dezentralisierung. Nur die zentrale Logistik lässt sich nicht abschaffen. Vertriebslinien erhalten aber mehr Macht. Shape 2012“ – diese fünf Buchstaben und vier Ziffern haben die weltweit rund 290.000 Mitarbeiter von Deutschlands umsatzstärkstem Handelshaus seit einem halben Jahr zittern lassen. Denn bis zu 15.000 Stellen will das Düsseldorfer Unternehmen abbauen, so der Wille von Vorstandschef Eckard Cordes. Der ehemalige Daimler-Topmanager (unter anderem Vorstand des Nutzfahrzeugbereichs) hat vor eineinhalb Jahren das Ruder bei der Metro AG übernommen und einen ganz neuen Kurs für den Groß- und Einzelhändler vorgegeben: Mehr Rendite für den Mehrheitsaktionär Haniel. Für dieses Ziel benötigt Cordes aber mehr Flexibilität. Denn das neue, von der Metro-Führung selbst formulierte Motto lautet: „Fix it, sell it or close it.“ Entweder lassen sich die Vertriebslinien auf Ertrag trimmen oder sie müssen verkauft oder geschlossen werden. Und dies ist kein bloßes Lippenbekenntnis: Gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Vorstandschef veranlasste Cordes den Verkauf der rund 300 Extra-Supermärkte in Nord- und Westdeutschland an Wettbewerber Rewe. Außerdem veräußerte er die Modekette Adler. Die Lebensmittelsparte Real erhielt eine zwei Chance und versucht gerade mit viel Werbeaufwand das durch Gammelfleisch-Skandale ramponierte Image aufzupolieren. Stand der Warenhaus-Bereich Kaufhof anfangs zum Verkauf, verfolgt Cordes derzeit die Idee, zusammen mit den Filetstücken des insolventen Wettbewerbers Karstadt und sicherlich gerne auch mit etwas Staatshilfe eine Deutsche Warenhaus AG zu gründen. Den einstigen Metro-Goldesel Cash & Carry versucht der Metro-Chef gerade mithilfe eines neuen Kundenkonzeptes wieder auf Vordermann zu bringen. Die Branchenexperten sind gespannt, ob sich Umsatz- und Renditeverlust der Großhandelssparte so stoppen lassen. Freude hat Cordes derzeit eigentlich nur an den beiden Elektromarktketten „Saturn“ und „Mediamarkt“. Trotz Wirtschaftskrise wurde im ersten Halbjahr ein Umsatzwachstum von drei Prozent und ein Ergebnis von 130 Millionen Euro erzielt. McKinsey-Konzept für Metro Damit Unternehmensteile flexibel abgestoßen werden können, will Cordes dem Metro-Konzern eine neue Form (englisch shape) geben. Bis zum Jahr 2012 soll diese vollständig umgesetzt sein. Das Credo des vom Beratungshaus McKinsey erarbeiteten Programms Shape 2012: Mehr Macht den einzelnen Vertriebslinien und deren Abtrennung von der zentralen Konzernsteuerung in Düsseldorf mit ihren 3400 Mitarbeitern. In einem ersten Schritt wurde im Frühjahr die Metro Group Buying International (MGBI) aufgelöst. Statt einer zentralen Einkaufsabteilung ist nun wieder jede Vertriebslinie für die Beschaffung der Waren zuständig. Das gleiche Schicksal sollte nach Willen Cordes eigentlich auch der zentralen Logistikabteilung Metro Group Logistics ereilen. Doch da hat sich Cordes verrechnet. Die vor über zehn Jahren zum Missfallen vieler Spediteure und Lieferanten eingeführte zentrale Logistiksteuerung ermöglicht dem Handelskonzern eine extreme Bündelung von Transporten – vor allem durch die Selbstabholung der Waren bei den Lieferanten. Dadurch erzielt Metro hohe Auslastungen bei den eingesetzten Lastwagen und gibt den Düsseldorfern seit Jahren ein starke Position beim Aushandeln von Frachtraten – sogar so stark, dass so mancher Transporteur mit dem Kunden Metro in Richtung Insolvenz fuhr. Im Jahr 2002 wurde das MGL-Konzept von der Bundesvereinigung Logistik (BVL) sogar mit dem Deutschen Logistik-Preis ausgezeichnet. Das hatten die McKinsey-Berater wohl übersehen, als sie das Einsparungspotenzial von Shape 2012 durch die Auflösung von zentralen Einheiten mit 1,5 Milliarden Euro bezifferten. Sicherlich kostet die MGL mit ihren über 200 Mitarbeitern einige Millionen Euro. Diese Kosten sind aber deutlich niedriger als die erzielten Einsparungen durch die Transportbündelung. Vor sieben Jahren wurden die Einsparungen durch die MGL von der Metro mit 150 Millionen Euro pro Jahr quantifiziert. Aktuelle Aussagen macht die Metro zu diesen Zahlen nicht. Aber der Vorteil der zentralen Logistiksteuerung scheint immer noch groß genug. Denn schon schnell verabschiedete man sich von dem Plan, die MGL auszulösen. Beschnitten wurde aber die Macht der zentralen Logistikdivision. Bisher berichtete MGL-Geschäftsführer Stephan Wohler an den Metro-Vorstand Zygmunt Mierdorf. Seit Juli untersteht die MGL einem Beirat, in dem die einzelnen Vertriebslinien jeweils einen Vertreter entsenden. In den Auslandsmärkten werden analog zu Deutschland ebenfalls Beiräte eingerichtet, an den die MGL-Landesgeschäftsführer berichten. In Ländern, wo nur eine Vertriebslinie vertreten ist, wird auf die MGL komplett verzichtet. Hier steuert die Vertriebseinheit selbst die Logistik. Fortführung von RFID fraglich Mit diesen Maßnahmen erzielt Cordes zwei Effekte. Zum einen stärkt er wie in Shape 2012 beschrieben die Machtposition der Vertriebslinien. Ein zweiter Effekt: Er beschneidet immer mehr die Kompetenzen des Metro-Arbeitsdirektors Zygmunt Mierdorf, dem bisher der zentrale Einkauf und die zentrale Logistik unterstanden. Mierdorf ist ein enger Vertrauter des ehemaligen Metro-Chefs Körber, den Cordes in seiner Funktion als Metro-Aufsichtsratschef gestürzt hatte. Der in der Handelsbranche angesehene Mierdorf verliert damit immer mehr an Einfluss – als Nächstes könnte die IT-Abteilung mit ihrem Prestigeprojekt RFID dran sein. Denn in einem Gespräch mit der VerkehrsRundschau ruderte Deutschlands RFID-Protagonist Nr. 1 deutlich zurück: „Es macht keinen Sinn für die Metro, alleine mit Volldampf weiterzulaufen“, sagte Mierdorf. Andere Händler zögen in Sachen RFID nicht mit. Die Lieferanten beschwerten sich, dass sie für die Metro durch die Zusatzauszeichnung der Sendungen mit Funketiketten kostspielige Sonderlösungen bereithalten müssten. „Erst muss es uns gelingen, die großen Spieler dazu zu bringen, das Thema zu unterstützen“, legte Mierdorf die Latte für ein neues Engagement in Sachen RFID hoch. Trotz dieser Erkenntnis sollen die Metro-Lieferanten aber weiterhin die Paletten mit Transponder-Etiketten auszeichnen, sagte Mierdorf. Ob dies im Rahmen der neuen Konzernstruktur aber auf Dauer wirklich weiterverfolgt wird, ist fraglich. Denn jetzt sollen ja die Vertriebslinien mehr entscheiden – und die haben ganz andere Interessen als RFID. Und auch Metro-Chef Cordes hat die vier Buchstaben RFID öffentlich noch nicht allzu oft in den Mund genommen. Dieser spricht lieber von seiner neuen Konzernform, deren erste Phase er im Juli für abgeschlossen erklärte: „Ein erster Meilenstein von ‚Shape 2012‘ ist erreicht. Wir haben in sehr kurzer Zeit die Metro Group organisatorisch vom Kopf auf die Füße gestellt. Das Prinzip von Shape 2012 lautet: so dezentral wie möglich, so zentral wie nötig. Die Verantwortung für das operative Geschäft geht vollständig auf die Vertriebslinien über. Die Holding konzentriert sich auf die strategische Steuerung. Die Einheiten vor Ort sollen größtenteils selbst entscheiden, welches Sortiment und welcher Service am besten zur Nachfrage passen. Denn das Handelsgeschäft ist ein lokales Geschäft“, sagt Cordes. ❙❚■ Andre Kranke Metro-Chef Eckard Cordes krempelt Deutschlands größtes Handelshaus komplett um RFID-Einsatz bei Metro Die 2007 gestartete RFID-Einführung bei der Metro Group verläuft nach offiziellen Angaben des Unternehmens weiter planmäßig. Demnach wird die Funktechnologie derzeit an rund 400 Standorten in Europa im operativen Lieferbetrieb eingesetzt. Dazu gehören Läger und Märkte der Vertriebsmarken Real und Metro Cash & Carry in Deutschland und Frankreich. Insgesamt würden jährlich rund drei Millionen Paletten mithilfe von RFID angeliefert. Drei Viertel aller RFID-Standorte der Metro-Gruppe würden von der Logistiktochter MGL beliefert. Die MGL optimiere mithilfe der Funktechnologie Wareneingang und Lager-interne Prozesse, teilte die Metro-Pressestelle der VerkehrsRundschau mit. Alle MGL-Distributionszentren in Deutschland verfügten über einen RFID-gestützten Wareneingang, mit dem RFID-Paletten bei der Anlieferung automatisch registriert werden könnten. Alle Lieferungen an die deutschen Cash & Carry-Märkte werden laut Metro von der MGL mit RFID ausgestattet und an den Bestimmungsorten automatisch registriert. Mithilfe von RFID würden Logistikprozesse wie beispielsweise die Automatisierung der Qualitätskontrolle im Warenausgang im Lager Unna oder die Palettenverräumung im Tiefkühlbereich im Lager Hamm optimiert. Ob der Einsatz der Funktechnologie im Metro-Konzern aber auch künftig ernsthaft weiterverfolgt wird, ist fraglich (siehe Seite 35). ak Wareneingangs-Palette am RFID-Lesetor Funktechnologie für die Logistik Die MGL Metro Group Logistics (MGL) ist der Logistikdienstleister für alle Vertriebsschienen des Handelshauses Metro sowie für die ehemalige Metro-Tochter Praktiker Baumarkt. Die MGL ist in 25 Ländern aktiv. Momentan arbeiten rund 3800 Mitarbeiter in Deutschland und 250 Mitarbeiter im Ausland für die MGL. Die MGL übernimmt die Organisation der Beschaffungs- und Distributionslogistik für alle Metro-Töchter. Dabei lässt die MGL die Waren bei etwa 4800 Lieferanten in Deutschland, Österreich und der Schweiz von Metro-Spediteuren abholen. Für das Handelshaus fahren derzeit DHL, KV Nagel, Dachser und DPD. Die Verteilung der Waren an die Vertriebsschienen erfolgt über die Lagerstandorte Bremen, Altlandsberg, Sarstedt, Hamm, Essen, Frechen, Gimsheim, Bingen, Reichenbach und Bergkirchen. Der Standort Unna soll 2010 nach Kamen verlagert werden. Insgesamt bewirtschaftet die MGL 410.000 Quadratmeter Lagerfläche. ak „Für Logistikdienstleister könnte es schwieriger werden“ Handelslogistik-Experte Harald Gerking, Inhaber der Management Consulting Dr. H. Gerking, Inzlingen, bewertet die Metro-Umstrukturierungen und erläutert Trends in der Handelslogistik. Welche Auswirkungen hat die neue Dezen-tralisierung bei der Metro für die Logistik des Konzerns? Harald Gerking: Mit der neuen dezentraleren Struktur konzentriert sich Metro ganz klar auf die einzelnen Vertriebslinien. Die Bedürfnisse der Kunden stehen jetzt mehr im Vordergrund als das große Ganze – also der Konzern. Das gilt künftig auch für die Logistik. Spezialanforderungen der Vertriebslinien werden künftig mehr Berücksichtigung finden. Was bedeutet dies am Ende für die Arbeit in der Praxis? Wurden zum Beispiel bisher Anforderungen einer kleineren Metro-Vertriebsschiene von der Logistiktochter MGL eher als C-Auftrag behandelt, erhält dieser interne Kunde künftig eine deutlich höhere Bedeutung. Welche Auswirkungen werden diese neuen Strukturen und internen Machtverhältnisse auf die Logistikdienstleister und Spediteure haben? Die Wünsche der einzelnen Vertriebsschienen werden künftig mehr in den Vordergrund treten. Damit könnte es für die Logistikdienstleister schwieriger werden, diese manchmal unterschiedlichen Anforderungen alle unter einen Hut zu bringen und die gewünschten Transportbündelungseffekte zu erzielen. Glauben Sie, dass die Metro zu einem späteren Zeitpunkt die MGL doch noch ganz auflösen könnte? Viele Unternehmen bemühen sich, Transportströme zu bündeln, um bessere Prozesse und Einkaufskonditionen bei den Spediteuren erzielen zu können. Ich glaube deshalb nicht, dass sich die Metro-Gruppe von der MGL als Transportbündelungs-Einheit komplett verabschieden wird. Mittlerweile verstärken Handel und Industrie ihre Bemühungen, Transporte zu bündeln und Rampenzeiten zu optimieren. Sind hier neue Impulse zu erwarten? Ja, ich denke schon. Mit großem Interesse beobachte ich gerade das Bündelungsprojekt bei Mars und Ferrero. Solche Projekte erlauben deutliche Optimierungen in der Logistik der Verlader. Der Aufbau solcher Kooperationen zwischen in Wettbewerb stehenden Markenherstellern dauert in der Regel aber ein bis zwei Jahre. Es existieren vor allem in den Unternehmens-Abteilungen jenseits der Logistik viele Vorbehalte. Um hier wirklich voranzukommen, ist ein Umdenken in den Unternehmen dringend notwendig. Interessant ist auch ein gerade laufendes Pilotprojekt bei der Rewe. Spediteure können für etwa drei Euro einen Rampentermin am Handelslager elektronisch reservieren. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Verfahren von den Transporteuren angenommen wird und es wirklich für beide Seiten zu Verbesserungen kommt. ak Interview Harald Gerking Weiterbildung/Service Nutzfahrzeuge/Aufbauten Umsatz DER Metro-Vertriebsmarken Metro-Umsatz nach Vertriebslinien 1. Halbjahr 2009 Größter Umsatzbringer im Metro-Konzern (30,5 Mrd. Euro im 1. Halbjahr 2009) ist der Großhandelsbereich Cash & Carry mit 14,6 Milliarden Euro – vor allem im Auslandsgeschäft erwirtschaftet. Die Elektroketten Saturn und Mediamarkt sind mit 8,7 Milliarden Euro Halbjahresumsatz die zweite große Stütze der Düsseldorfer Gruppe. ak 35 30 25 20 15 10 5 0