Mehr als nur Vermittler

Die Geschäftsmodelle der Frachtenbörsen müssen sich rapide ändern", sagt Professor Ulrich Müller-Steinfahrt, Leiter des Instituts für angewandte Logistik (IAL) in Würzburg (siehe Kasten Seite 23). Grund dafür sei der derzeit massive Frachtraummangel. "Dadurch hat sich der Transportmarkt komplett gedreht." So sei es bislang Aufgabe der Frachtenbörsen gewesen, die günstigsten Frachtführer zu vermitteln, führt er aus. Heute sei es umgekehrt: "Frachtführer können sich aussuchen, mit welchem Auftraggeber sie arbeiten. Verlader müssen deshalb um ihre Transportpartner buhlen." Nur derjenige, der den Frachtführern die besten Konditionen, den besten Preis bietet, wird sie an sich binden", sagt Müller-Steinfahrt. "Frachtenbörsen müssen sich also mehr einfallen lassen, um Transporteure auf ihre Plattform zu locken." In die Hände spielen dürften ihnen, meint er, die Möglichkeiten der Digitalisierung. "Von der Disposition der einzelnen Touren bis hin zur Bezahlung - alles das wird künftig digital erfolgen." Timocom will TMS-Systeme vernetzen Marktführer Timocom rüstet sich für diese Neuerungen in diesem Segment. "Wir sind längst mehr als eine reine Frachtenbörse und wollen uns in Zukunft noch intensiver auf die Automatisierung von Logistikprozessen konzentrieren", formuliert es Gunnar Gburek, Sprecher des Unternehmens. So wolle es Timocom "den europaweit über 40.000 Kunden der Timocom-Plattform noch leichter machen, sich untereinander zu vernetzen, und zwar ohne dass sie von einem System ins andere wechseln müssen", erklärt Gburek. "Unser Ziel ist es, das Transport Management System (TMS) des Auftraggebers direkt mit dem TMS des Spediteurs zu verknüpfen, um so eine nahtlose Verbindung zwischen den Systemen herzustellen", sagt der Timocom-Sprecher. "Wir wollen den Disponenten aber nicht abschaffen. Keiner will die Auftragsvergabe und -annahme heute schon automatisiert abgewickelt haben", erklärt er. Der Vorteil ist, dass sich durch die Vernetzung Medienbrüche und Fehler leichter vermeiden lassen. Und in der nächsten Ausbaustufe ist es laut Gburek sogar vorstellbar, dass Frachtführer unmittelbar nach Erbringung ihrer Leistung durch den Auftraggeber vergütet werden, sobald deren elektronischer Abliefernachweis im System vorliegt. Noch sei das aber Zukunftsmusik, da dies der Gesetzgeber noch regeln müsse. Technisch machbar sei das Ganze aber schon. Frachtraten-Benchmark mit Transporeon Thomas Einsiedler, Chief Product Officer der Transporeon Group, stellt durch den Laderaummangel vor allem eines fest: "Verlader schreiben aktuell in unserer Frachtausschreibungsplattform Ticontract deutlich häufiger Frachten aus und wollen die Zahl ihrer Dienstleister wieder erweitern." Um den knappen Laderaum optimal zu nutzen, bietet die Transportvergabeplattform Transporeon den neuen Service "Connecting Load Agent". Dieser prüft im Rahmen der Transportvergabe, welche Dienstleister in der Nähe der Beladestelle leer sind. "So können dem Dienstleister attraktive Rückladungen angeboten und Leerkilometer reduziert werden", erklärt er. Und aus dem Zusammenschluss zwischen Transporeon und Tim Consult gibt es folgende Serviceneuerung. So stellt die "Frachtraten-Benchmark", Frachteinkäufern Preisinformationen zum aktuellen Marktgeschehen schon zum Zeitpunkt ihrer "Kaufentscheidung" zur Verfügung. Zudem können sich Verlader im Rahmen sogenannter Market-Intelligence-Initiativen ihre Ratenvereinbarungen gegen Marktpreise spiegeln. Dabei werden Daten von Firmen gleicher Branchen und der gleichen Größenordnung herangezogen. Vergleichen und buchen mit Pamyra Als Vergleichs- und Buchungsplattform für Transporte präsentiert sich das Leipziger Start-up Pamyra, das 2016 von Felix Wiegand und Steven Qual gegründet worden ist. Versender geben auf der Pamyra-Website die Daten ihrer Frachtsendung ein. Auf Basis der Größe der Fracht, dem Ort des Versenders und dem Zielort der Sendung berechnet die Plattform automatisiert die infrage kommenden Touren. Dieses "Angebot" kann der Versender dann in einer Übersicht mit dem Anbieter vergleichen und den gewünschten Transporteur oder Spediteur auswählen. "Wir sehen uns als das Booking.com im Transportgewerbe", gibt Wiegand die Zielrichtung vor. Und die Geschäftsidee der beiden Leipziger scheint anzukommen: Pamyra kontte unter anderem den Speditionsverbund ILN als Partner gewinnen und wurde mit dem Digital Logistics Award 2018 (Platz 2) ausgezeichnet. Weniger Leerkilometer mit LoadFox "In Europa sind im Durchschnitt 40 Prozent der Lkw-Ladeflächen nicht ausgelastet", sagt Sebastian Sorger, Geschäftsführer der Online-Plattform LoadFox. Mit der Lösung, die 2017 von MAN Truck & Bus und BCG Digital Ventures entwickelt worden ist, will Sorger das ändern. "Herzstück von LoadFox ist ein selbstentwickelter Algorithmus, der die eingestellten Teilladungen aller Teilnehmer unter Berücksichtigung aller relevanten Daten wie Straßendaten, Lenk- und Ruhezeiten zu profitablen Tour-Vorschlägen kombiniert", beschreibt er den Ansatz. Spediteure hätten dank LoadFox Zugriff auf Laderaum von gesicherten Frachtführern, während diese dank der Kombinatorik-Möglichkeiten der Plattform ihre Touren besser auslasten könnten, versichert Sorger. Doch die Macher wollen mehr als reiner Mittler sein und arbeiten an weiteren Integrationen in verschiedenen TMS. Zudem wollen sie weitere Länder Europas für die Plattform freischalten. Der Klassiker LKWonline LKWonline setzt weiter auf das reine Vermitteln von Frachten. Die Plattform wurde 1997 von Anton Behringer als eine der ersten Internet-Frachtenbörse in Deutschland gegründet. "LKWonline ist quasi ein schwarzes Brett, auf dem sich die Verlader und Frachtführer treffen können", beschreibt Behringer die Lösung, die in ganz Europa genutzt wird. "LKWonline tritt aber nicht als Makler oder Mittler auf. Die Kontrakte unter den Anbietern und Nutzern kommen außerhalb des Systems zustande." Und wie punktet LKWonline gegenüber Timocom & Co? "Unsere Nutzungsgebühr liegt deutlich unter der anderer etablierter Anbieter." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Frachtenbörsen" www.verkehrsrundschau.de/dossiers