Interview: Marktmechanismen in Gefahr

In Kürze Falsche Subventionspolitik statt die freien Kräfte des Marktes wirken lassen - das ist laut Andreas Schmitz das derzeit größte Problem für Deutschlands Wirtschaft. Außerdem übt er Kritik an der CO2-Emissions-Ermittlung von Nutzfahrzeugen über Vecto. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage auf dem Trailer-Markt? Wir merken, dass der Markt ein wenig schwächer geworden ist - abhängig von den Produktlinien. Die Kühlfahrzeuge sind ein bisschen eingebrochen. Ich erkläre es mir damit, dass Transporte nach Russland weniger geworden sind. Andererseits merken wir, dass die Distanzen, die gefahren werden, zum Teil länger sind. Generell merkt man eine gewisse Zurückhaltung - auch wenn im letzten und vorletzten Monat der Auftragseingang wieder angestiegen ist. Wir erleben also keine Situation wie damals bei Lehmann Brothers. Es gilt: Unsere Stamm-Mannschaft ist zwar gut ausgelastet, wir mussten jedoch Leiharbeiter gehen lassen, um die Kapazitäten anzupassen. Viele sprechen von einer Krise im Baubereich. Dazu habe ich mir gerade erst die Markt-Analysen der Commerzbank angesehen. Der Auftragseingang bei Bau-Unternehmen ist demnach um 35 Prozent zurückgegangen. Noch haben zwar alle gut zu tun. Aber demnächst, ich schätze spätestens Mitte dieses Jahres, wird es schwieriger. Andererseits ist der Kipper bei uns sogar über Plan und gut ausgelastet, weil Getreide gefahren wird - jeder kann sich vorstellen, wo das ist. Die KEP-Branche schwächelt. Das B2B-Geschäft ist nach Aussagen der einschlägigen Online-Händler um 30 Prozent eingebrochen. Merkt Schmitz Cargobull davon etwas? Tatsächlich ist der Auftragseingang beim Trockenfrachter weniger geworden. Gott sei Dank ist dieser nicht unser größtes Produkt. Wir merken den allgemeinen Rückgang daher nicht so stark - aber er ist da. Warum herrscht in so vielen Bereichen ein Rückgang? Ich glaube, es liegt an der Gemenge-Lage, dass die Konjunktur in Deutschland relativ schwach ist. Wir haben ein strukturelles Problem! Zwar keine Immobilienblase wie damals in der Finanzkrise. Tatsächlich sind die Finanzierungen solide. Deswegen glaube ich auch nicht, dass wir einen richtig heftigen Abschwung bekommen. Aber es sind die Strukturen, die bei uns in Deutschland im Argen liegen. Das wird meiner Meinung nach nicht richtig angegangen. Deswegen sehen wir eine Seitwärtsbewegung. Was muss Ihres Erachtens passieren, damit wir von seitwärts auf vorwärts kommen? Wir müssen die strukturellen Themen ernsthaft angehen. Nicht nur Geld darauf kippen, weil das nicht funktioniert. Wir müssen Energie bezahlbar machen und zusehen, dass die Mitarbeiter, von dem, was sie erwirtschaften, weniger abgeben müssen. Arbeit muss sich lohnen! Unsere Transferleistungen sind viel zu hoch. Das führt dazu, dass generell nicht mehr in Deutschland investiert wird. Und falls doch, gibt es hohe Hürden. Was die überbordende Bürokratie betrifft, haben wir uns so richtig einen Knoten gefahren. Wenn wir den nicht bald durchtrennen, sehe ich schwarz. Ist die Lage wirklich so prekär, oder ist das auch ein wenig Schwarzmalerei? Sehen Sie sich die Zahlen an: Im Jahr 2022 flossen 132 Millionen Euro Direktinvestitionen aus Deutschland ab. Wir müssen als Standort wieder attraktiver werden. Und wenn ich attraktiv sage, meine ich wirklich attraktiv. Nicht durch Transferpreise, nicht durch Subventionen, nicht durch: ,Guck mal hier, Politiker XY hat ein Großunternehmen geholt'. Wir müssen sehen, dass die Basis, der Mittelstand, die kleinen und mittleren Unternehmen wieder wettbewerbsfähig werden. Dann kommen wir auch wieder nach vorne. Aber momentan geht die Politik genau den anderen Weg, weil dieser vermeintlich populärer ist. Das wird nicht funktionieren! Geld drucken hat auch noch nie funktioniert. Und sich über eine Maut Geld zu besorgen - der Schuss geht auch nach hinten los. Die Maut - ich habe mir die Zahlen eben besorgt - macht bei uns pro Jahr 4,8 Milliarden Euro aus. Das ist richtig viel Geld. Und weil das am Ende die Verbraucher bezahlen, werden wir ordentliche Lohnsteigerungen haben. Zwar verzeichnen wir in den letzten sechs Monaten leicht rückläufige Materialkosten - mal sehen, ob das so bleibt. Aber in den Bereichen Maut, Energie und Lohn haben wir jeweils eine Situation mit stark steigenden Kosten, die mit sinkender Nachfrage schlecht zusammengeht. Eine schwierige Lage für unser Unternehmen, aber auch für alle anderen Player in der Industrie. Wenn jemand jetzt nicht aufpasst und seine Marge nicht richtig managt, dann ist der morgen nicht mehr da. Was also machen? Wir nehmen Überkapazitäten heraus und haben die Verträge von über 1000 Leiharbeitern gekündigt. Sonst können wir nicht mehr kostendeckend und schon gar nicht profitabel wirtschaften. Ist das ein deutsches Problem oder eines der ganzen EU? Ich würde sagen, es ist eindeutig ein deutsches Problem! Andere Länder wollen eher simplifizieren. Da verstecken sich deutsche Politiker gerne hinter der EU. Die 80-20 Regelung (Anm. d. Red.: Das sogenannte Pareto-Prinzip besagt, dass 80 Prozent des Ergebnisses mit 20 Prozent des Gesamtaufwandes erreicht werden können. Die verbleibenden 20 Prozent benötigen 80 Prozent der Arbeit) haben wir in Deutschland noch nie verstanden - schon gar nicht, wenn es um die Bürokratie geht. Sehen Sie einen Trend, dass sich das bei uns irgendwann ändert? Wenn wir etwas verändern wollen, müssen wir bei uns selbst anfangen. Wir müssen ausmisten! Die Deutschen werden EUmüde, obwohl die EU nicht das Problem ist. Wir brauchen die EU. Ein Deutschland ohne EU kann auf den Weltmärkten nicht existieren. Das sehen wir doch gerade am Brexit. Wer könnte das ändern - die Ampel offensichtlich nicht? Eine äußerst schwierige Frage. Unabhängig von Personen oder Parteien würde ich mal sagen, ein Verständnis von der Marktwirtschaft wäre für mich ein Muss! Am Ende kann es nur der Markt richten. Die Politik muss wieder anfangen, an den Markt zu glauben und ihn richtig einzusetzen. Wir haben nach dem Krieg dafür gesorgt, dass bei der sozialen Marktwirtschaft niemand durchs Raster fällt. Es wurde aber auch verlangt, dass jeder mit anpackt und dass die marktwirtschaftlichen Gesetze genutzt wurden, um Effizienz zu treiben. Diejenigen, die über den Markt steuern, sind erfolgreich - auch wenn mal etwas schiefgeht. Wenn zum Beispiel CO2 das Problem ist, brauchen wir eine CO2-Steuer. Die darf aber nur langsam angehoben werden. Das muss man rechtzeitig ankündigen. Unternehmen und Privatpersonen, die das bezahlen müssen, können so entsprechend reagieren und gegebenenfalls den Gürtel enger schnallen. Dann wird das Auto eben kleiner. Wir müssen die 80-20 wieder hinbekommen, indem wir uns auf den Markt verlassen. Das kann auch die Ampel hinbekommen - wenn sie erkennt, dass sie mit Regulatorik bislang den falschen Weg eingeschlagen hat. Die richtigen Anreize setzen, damit wir alle das richtige Interesse haben, nämlich CO2 einzusparen, das ist der Trick! Wenn Sie ein Fan der CO2-Besteuerung sind, ist die neue Maut-Regelung also doch richtig? Nein! Weil die Maut eben wieder keine richtige Verbrauchsbesteuerung ist. Und weil es schon wieder jede Menge Ausnahme-Regelungen gibt. CO2 muss man da besteuern, wo es auch wirklich produziert wird. Da ist ein Kohle-Kraftwerk genauso enthalten wie ein Dieselmotor. Wenn das gemacht wird, kann der Markt wieder funktionieren. Dann bekommen wir die günstigste Lösung und schaffen neue Lösungen für die Umstellung. Also der jetzt mautbefreite E-Truck wäre dann nicht befreit, nur weil er per se keine CO2-Emissionen ausstößt - dafür HVO oder Bio-LNG? Genau! Ganz simpel, wirklichen CO2-Ausstoß besteuern. Wir wissen doch, dass es ein echtes Zero-Emissions-Vehicle nicht gibt. Da machen wir uns etwas vor. Eigentlich muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man ein Elektroauto fährt. Wenn alle Diesel fahren würde, könnte man einige Kohle-Kraftwerke abschalten... Aber nein, wir leben in Schizophrenie, nur weil die Incentivierung völlig falsch gesetzt ist. Sieht aber nicht so aus, als würde das demnächst jemand in vernünftige Bahnen lenken? Leider nein! Stattdessen subventionieren wir noch mehr Verbrauch von elektrischer Energie, obwohl wir wissen, dass wir aktuell immer noch zu viele Kohle-Kraftwerke mit hoher CO2-Emission betreiben. Die letzte Schreckensnachricht war für mich die Möglichkeit, dass die Versorger künftig die Strom-Menge bei Nutzern von Wärmepumpen oder E-Autos drosseln können. Das ist doch das erste Zeichen, dass unser Grid es einfach nicht hergibt. Bitte nicht falsch verstehe: Wir müssen CO2 reduzieren - und zwar schnell. Dazu müssen wir aber die Marktkräfte freilassen. Das geht nur mit richtiger, und zwar neutraler, nicht ideologiegetriebener CO2-Besteuerung. Womit wir beim Thema Vecto wären, also der CO2-Emissions-Ermittlung von Nutzfahrzeugen. Die ist alles andere als neutral oder gar simpel. Das ist ein schönes Beispiel für das generelle Problem. Es gibt Kunden, die fahren sehr wenige Kilometer. Macht es da wirklich Sinn, alles Mögliche an Aerodynamik zu verbauen, wie Vecto es möchte? Nein, macht keinen Sinn! In der Langstrecke kann ich mir vorstellen, dass wir über Aerodynamik was holen können. Trotzdem wird bei Vecto beides über einen Kamm geschert. Auch in dem Fall greift mein Ansatz. Ist der Dieselpreis oder die CO2-Bepreisung hoch, gäbe es reichlich Anreize zu sparen. Andererseits: Glaubt die Politik wirklich, dass, wenn wir einen Trailer bauen könnten, der 15 Prozent Diesel einspart, dies nicht längst getan hätten? Wir hätten uns dumm und dusselig verdient, wenn wir so einen Trailer bauen könnten. Da macht sich die Politik doch was vor. Und am Schluss wird es so trotzdem so hingerechnet, als hätte es funktioniert. Eingespart haben wir trotzdem nichts. Was wäre denn tatsächlich möglich, wo liegt der Beitrag des Trailers? Die erste Frage wäre: Wie wird das gemessen? Die Spanne beim Einsatz eines Trailers ist riesig. Vom Werkverkehr, gerade einmal über die Straße, bis hin zu Langstrecken mit 200.000 Kilometer im Jahr und mehr. Dafür benötigt man verschiedene Regelungen. Und wer kann am besten entscheiden, was richtig ist? Genau, der Spediteur! Würde ich jemandem unseren aerodynamischen EcoFLEX-Trailer empfehlen, der15 Kilometer fährt, um auf die andere Straßenseite zu kommen? Nein, macht keinen Sinn. Bei der Langstrecke sieht das ganz anders aus. Da spart das abgesenkte Dach richtig Geld. Muss ich das dann jedem vorschreiben? Nein, bitte nicht! Und da macht die Politik den Fehler. Was betrachten wir als realistisch? Ich denke mal eine Einsparung von siebeneinhalb Prozent CO2. Die werden wir aber so oder so beitragen - wie schon in der Vergangenheit. Es ist noch nicht so lange her, da war ein Trailer zwölf Meter lang und wog acht Tonnen. Wir sind heute im Standard bei 13,6 Meter mit einem Gewicht von sechs Tonnen. Wir holen da immer wieder etwas raus und wir werden das natürlich auch weitermachen. Aber das sollte ein Incentive sein, das über den Markt kommt und nicht über Regulatorik. Die Vecto-Ziele mit 15 Prozent sind völlig utopisch. Wenn wir das könnten, hätten wir es längst gemacht. Was brächte der Lang-Lkw, wenn er konsequent genutzt würde? Wir gehen gerade in Spanien mit dem Eco-Duo, also einer Zugmaschine plus zwei Standard-Trailern, in den Regelbetrieb. Damit erreichen wir 25 Prozent CO2-Einsparung plus eine generelle Kosteneinsparung - und das Fahrerproblem ist auch noch gelöst. In Spanien läuft es, obwohl aus meiner Sicht die Politik dort immer noch kompliziert ist. Aber was die Verkehrspolitik betrifft, sorgt Spanien dafür, dass die Kosten für Unternehmen sinken und gleichzeitig CO2 reduziert wird - und zwar auf simpelste Art und Weise. Aktuell sprechen viele von Rekuperationsachsen oder gar Trailern mit Batterien und elektrischem Zusatzantrieb. Schmitz hält sich hier eher zurück. Wieso? Grundsätzlich glaube ich, dass die Elektrifizierung gut ist, um CO2 einzusparen -wenn uns erneuerbare Energien vernünftig zur Verfügung stehen. Dann aber sollte man die Zugmaschinen elektrifizieren. Ich kann mir etwa vorstellen, dass jemand wie ein Pony-Express 400 Kilometer fährt, dann eine andere Zugmaschine den Trailer übernimmt und diesen weiterbefördert. Aber das braucht Zeit und ein entsprechendes Netz. Elektrifizierung beim Trailer? Ich weiß nicht. Wir bauen gezogene Einheiten. Ehrlich gesagt, denke ich, dass E-Antriebstechnik im Trailer nichts bringt. Alles, was wir durchgerechnet haben, bringt einfach nichts! Wenn die Zugmaschine elektrifiziert ist, ist das der effizienteste Weg; dann brauchen wir keinen Antrieb im Trailer, allenfalls eine Batterie mit Stecker zur Reichweiten-Verlängerung der Sattelzugmaschine. Darüber hinaus haben wir noch die Kühlmaschine, in der aktuell meist ein Dieselmotor drin ist. Hier glaube ich, dass diese irgendwann generell elektrifiziert werden muss. Dafür werden wir Batterien haben - und in der Langstrecke müssten wir vielleicht doch über Rekuperationsachsen nachdenken. Aber genau genommen ,klauen' wir immer Energie von der Zugmaschine. Dennoch bringt der hocheffiziente Diesel der Zugmaschine plus elektrischem Kühlaggregat über ein Drittel Dieselreduzierung beim Aggregat. Auch deshalb haben wir jetzt die ersten Kunden, die Versuche machen wollen. Wir testen gerade Lösungen mit einer 32 kWh-Batterie und Zwischenladen beim Be- und Entladen. Es gibt Anwendungsfälle, wo das Sinn machen kann. Zumal man mit leisen, rein elektrischen Geräten, auch nachts beliefern könnte. Aber diese Technik ist momentan noch relativ teuer. Trotzdem bin ich überzeugt, dass sie kommt. Also eine autarke Batterie für den Trailer, die separat geladen wird? Ja, genau. Und wenn der Fahrer irgendwo steht, steckt er sein Kühlgerät ein und lädt gleichzeitig die Batterie auf. Das ist gängige 400-Volt-Technik und für uns kein Problem. Eine praktikable Sache, da wird man künftig mehr von uns sehen. Wie sehen sinnvolle Rahmenbedingungen für die E-Mobilität bzw. Elektrifizierung nach Ansicht Ihrer Ingenieure aus? Wichtig ist aus meiner Sicht ein, wie wir Neudeutsch sagen, Level-Playing-Field (identische Wettbewerbsbedingungen; Anm. d. Red.). Dann kommen auch die Transportunternehmen damit klar. Eine überbordende Regulierung, wo keiner durchblickt, womöglich noch unterschiedlich in den EU- oder Bundesländern, macht es unwahrscheinlich schwer für die Unternehmer. Dann wird nicht oder schlimmer noch woanders investiert. Dann werden Transportdienstleistungen in oder von den Ländern erbracht, die nicht so genau hinsehen. Ich glaube, die Transportbranche hat keine Angst vor einer fairen CO2-Besteuerung. Dann aber eine Besteuerung, die für alle gilt. Und zur Fairness gehört auch, dass Alternativ-Kraftstoffe wie HVO für alle zur Verfügung stehen und nicht nur für die Bahn. So werden wir wieder effizient und dann sind die Unternehmer auch wieder bereit, in den Standort zu investieren. Das hieße aber auch, dass Kraftstoffe wie HVO-100 oder Bio-LNG entsprechend ihres CO2-Reduktionspotenziale berücksichtigt werden? Absolut! Denn der Umwelt ist es egal, wo das CO2 herkommt. Und wenn ich es vorher aus der Luft herausziehe, dann darf ich es auch wieder zurückgeben. Das muss dann als neutral angesehen und dürfte nicht besteuert werden. Am Ende wird sich die beste Lösung und der günstigste Weg herauskristallisieren. Darum geht es doch! Immer mehr Transportunternehmer sagen uns in Gesprächen, dass sie keine Lust mehr haben. Ist das ein Branchenphänomen? Ja, auch! Aber es geht nicht um eine Branche, das ist durchgehend. Wenn der Lohn für die ganzen Bemühung Ärger mit der Bürokratie ist, dann hat keiner mehr Lust. Das ist erschreckend und die eigentliche Gefahr, dass der Mittelstand, das Rückgrat von Deutschland, frustriert aufgibt. Aber wie gesagt, ich bin eigentlich vom Grundtyp positiv. Zumindest gibt es erste Anzeichen für eine Art Deregulierung. Aber so richtig begriffen haben die Ampelparteien noch nicht, dass es nur funktionieren wird, wenn sie wirklich auf den Markt setzen. Ist man als Unternehmer nicht frustriert, wenn man weiß, dass man nicht 1000 Leiharbeiterverträge hätte kündigen müssen, wenn die Rahmenbedingungen passen würde? Wir arbeiten in einer extrem zyklischen Branche - das kennen wir schon lange. Wir wissen, wie wir damit umgehen müssen, uns bleibt keine andere Wahl. Ist das frustrierend? Natürlich! Manche Rahmenbedingungen sind durch die Politik beeinflussbar, aber eben nicht alle. Etwa der Krieg in der Ukraine oder Covid. Gäbe es die Themen nicht, wären wir jetzt ein größeres, stärkeres Unternehmen. Dennoch, wir müssen das Beste aus der Situation machen. Aus der Sicht können wir dennoch ganz zufrieden sein. Unser Ergebnis ist auskömmlich, wir investieren weiterhin und wollen das auch weiter vorantreiben. Das ist unsere Verpflichtung als Familienunternehmen - wir packen an und gehen auf die Sachen zu. Gutes Beispiel, unser neues, großes Werk in Spanien. Das ist kein Zufall, das müssen wir umsetzen, um erfolgreich zu bleiben. Sie investieren aber auch in Deutschland, konkret im Kühlerwerk in Vreden. Ja, allerdings in kleinerem Rahmen als ursprünglich geplant ... Wir werden die Produktionsstunden pro Fahrzeug deutlich reduzieren, sodass wir auch in Deutschland noch konkurrenzfähig fertigen können. Aber wir können in Vreden keine Fahrzeuge fürs entfernte Ausland fertigen. Die Überführungskosten sind zu hoch. Das ist der Grund für das Werk in Spanien. Letztlich mache ich mir aber schon Sorgen um den Standort Deutschland. Immer mehr wird im Ausland produziert, weil es hier nicht mehr gebraucht wird. Letztlich glaube ich nicht, dass es uns guttäte, auf die Industrie zu verzichten. Das wird nicht funktionieren, dafür ist Deutschland zu groß - siehe England. Wir können nicht nur auf Services setzen oder Geld drucken. Deshalb auch das Engagement in Österreich und die Kooperation mit Berger Fahrzeugbau? Das ist eine Sache, die bei uns strategisch reinpasst. Wir sind bekannt für robuste Fahrzeuge, die auch in Osteuropa, wo die Straßen nicht gut sind, funktionieren. Da ist ein verzinkter Schmitz Cargobull Trailer vom Image und vom Aussehen her auch nach zehn Jahren noch top. Wir tun uns aber eher etwas schwer, leichte Fahrzeuge zu bauen. Nur die Verzinkung wiegt schon 60 Kilo. Da sind die Trailer von Berger eine gute Abrundung unserer Produktpalette. Die werden wir, wo diese Fahrzeuge ihre Berechtigung haben, unserem Kunden anbieten. Gleichzeitig sehen wir Synergien, die wir als größerer Hersteller zu Berger bringen können. Die Idee ist auch, den Service bei Berger deutlich auszuweiten. Natürlich wollen wir mehr verkaufen und Kunden, die ein Leichtfahrzeug benötigen, auch eine entsprechende Lösung anbieten. Das wird toll! Wir haben zum Beispiel einen großen Kunden in Spanien, der jetzt 40 Fahrzeuge von Berger bekommen hat, weil er für eine passende Tour zusätzliche anderthalb Tonnen Nutzlast bekommt. Wohin geht der Weg bei den Themen Services und Digitalisierung? Beim Kühlfahrzeug ist die Telematik mittlerweile Standard. Das macht die Nutzung leichter und billiger. Das Gleiche wird, da bin ich mir sicher, auch beim Curtainsider passieren. Denken sie ans Beispiel Reifendruckkontrolle (Tire Pressure Monitoring), das demnächst vorgeschrieben wird. Auch wenn ich kein Freund von Regulierungen bin, muss man aus dem Thema jetzt was Sinnvolles machen. Heißt, wenn ich das schon haben muss, dann soll mein Flottenmanager die Werte einsehen können und eine Nachricht bekommen, wenn etwas nicht passt. Besser Luft nachfüllen als 3500 Euro für eine Panne (auf der franzöischen Autobahn). Sind es nicht vor allem kleinere Unternehmen, die noch skeptisch sind? Wir bemühen uns, dass wir auch den ‚Kleinen‘ eine Lösung bieten n, mit der sie arbeiten können. Diese Unternehmen können mit unserem Portal als Stand-Alone-Lösung sehr gut arbeiten, während es die ‚Großen‘ in ihre Portal integrieren – also für jeden die richtige Lösung. Wer als Kleiner für einen Großen fährt, kann die Daten teilen. Immerhin ein versöhnliches Fazit. Wie geht’s weiter 2024? Momentan haben wir eine wirklich schwierige Situation. Der Kostendruck, den die Unternehmer verspüren, ist hoch. Unsere Kosten steigen weiter. Wir müssen wohl über Preissteigerungen nachdenken, obwohl es eigentlich von der Marktsituation nicht gegeben ist. Wie bereits angesprochen, führt alleine die Maut zu deutlich gestiegenen Kosten. Wir befinden uns immer noch in einem inflationären Umfeld. Wir müssen unsere Kosten an die Kunden weitergeben, die sie an ihre Kunden weitergeben müssen – ansonsten haben wir alle ein Problem. Also zahlt es der Endverbraucher – wir haben mal ausgerechnet, dass die Maut eine vierköpfige Familie im Jahr zwischen 400 bis 600 Euro kosten wird? Ja, ganz klar! Auch wenn die Regierung argumentieren, dass die Logistikkosten nur ein ganz kleiner Teil wären. Aber es ist der Teil, der eins zu eins weitergegeben werden muss! Die Materialkosten steigen, die Vormaterialkosten ebenfalls und alles wegen der CO2-Mautkosten. Das wird völlig unterschätzt, wenn man nur auf das Produkt schaut. Die Regierungkann sich das schön rechnen, aber die Realität sieht anders aus. Kennen die Verbraucher die Zusammenhänge? Nein. Die nehmen nur Notiz davon, wenn Logistik nicht oder nicht mehr funktioniert. Und da sind wir ja irgendwo auf dem Weg dazu. Covid war ein Beispiel. Da weiß noch jeder, dass Toilettenpapier gefehlt hat. Aber keiner ist sich bewusst, was hinter der Rolle Klopapier wirklich steckt. Das ist übrigens auch wieder das Argument für die Marktwirtschaft. Man kann das eben nicht komplett durchrechnen. Ich kann da nur ein aus meiner Sicht tolles Buch von Adam Smith empfehlen, , „The Wealth of Nations“ wo er die unsichtbare Hand des Marktes beschreibt oder ein Essay „I, Pencil“ von Leonard Read.. Die zeigen anschaulich, wie ein Markt funktioniert. Wenn wir uns darauf besinnen, dann bin ich wieder zuversichtlich. Wenn nicht, dann haben wir ein Problem in Deutschland und werden alle ärmer und die Energiewende nicht schaffen. Vita Andreas Schmitz, geboren 1968, wurde am 1. April 2016 zum Vorstandsvorsitzenden der Schmitz Cargobull AG ernannt. Er ist seit dem 16. Dezember 2008 Mitglied des Vorstands von Schmitz Cargobull. Seine berufliche Laufbahn in der Gruppe begann er 2001 als Geschäftsführer des Werks Schmitz Cargobull Iberica in Saragossa. 2005 wurde er Bereichsleiter der Schmitz Cargobull AG in Altenberge und 2007 Geschäftsführer des Werkes Schmitz Cargobull UK in Harelaw. Andreas Schmitz hat in den USA studiert, drei Bachelor-Abschlüsse (Elektrotechnik, BWL und Informatik), einen Master of Business Administration in Finanzen und Marketing sowie einen Master of Management in Fertigungstechnik. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Münster.

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