Lang-LKW in Schweden

Lang-LKW in Schweden Im Land der Monster-LKW Als Monster-Trucks werden die Lang-LKW von ihren Gegnern bezeichnet. Glaubt man ihren Befürchtungen, werden die Straßen unsicherer und die Umwelt stärker verschmutzt. Anlass für die VerkehrsRundschau, nach Schweden zu fahren – in das Land, in dem Lang-LKW seit Jahrzehnten zum Alltag gehören. Es ist wie in einem Horrorfilm. Schritt für Schritt kommt das Monster näher. Und dann ist es um einen geschehen, man spürt förmlich den Atem des Monsters im Gesicht, und jetzt hat es einen überrollt. Das sind nicht Szenen aus dem neuesten Hollywood-Schinken. Wie ein LKW den Betrachter – sprich: die Kamera – überfährt, ist auf der Homepage der Allianz pro Schiene zu sehen, die damit auf die Gefahr der „Monstertrucks“ hinweisen möchte und ein Horrorszenario an die Wand malt, sollten in Deutschland LKW mit 25 Meter Länge und 60 Tonnen Masse die Straßen erobern. Im Jurassic Park des Güterverkehrs Für die VerkehrsRundschau Anlass genug, sich vor Ort ein Bild zu machen, was es mit dieser Bedrohung auf sich hat. Um es mit den Worten von der Allianz pro Schiene auszudrücken: Wir haben es gewagt, den Jurassic Park des europäischen Straßengüterverkehrs zu betreten, wo es vor Dino-LKW nur so wimmelt. Wir sind in Schweden, dem Land, in dem erstmals 1968 eine Längenbeschränkung eingeführt wurde, und zwar auf 24 Meter. Vorher waren noch längere Trucks erlaubt. Wir sind in dem Land, in dem 64 Prozent aller Güter (gemessen in Tonnen) von Lang-LKW befördert werden. Nimmt man die Verkehrsleistung als Maßstab, beträgt der Anteil der Lang-LKW sogar 74 Prozent. Wir wollten vor Ort nachfragen: Welche Erfahrungen haben die Schweden mit dem Lang-LKW gemacht? Wie sieht die Unfallbilanz aus? Ist die Bahn konkurrenzfähig, obwohl hier LKW mit 60 Tonnen fahren? Auf der Suche nach Antworten treffen wir in Stockholm Mårten Johansson von der Swedish Road Haulage Association (SRHA). Die SRHA ist das, was der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) in Deutschland ist. Skeptiker mögen jetzt einwenden, der SRHA sei ja nicht neutral, schließlich zählten deren Mitgliedsbetriebe ja zu den Nutznießern der Lang-LKW. Doch ob Nutznießer oder nicht, unzweifelhaft sind es die Transportunternehmen, die die LKW fahren lassen und damit am nächsten dran sind an den Lang-LKW. Für Johansson, im SRHA für die Technik verantwortlich, gibt es keinen Zweifel an der Vorteilhaftigkeit dieser Regelung. „Die längeren Fahrzeuge sind sicherer als einige Kombinationen, die in Europa unterwegs sind“, kehrt der Verbandsvertreter einen Vorwurf der Lang-LKW-Gegner in das Gegenteil um. Er beruft sich auf eine Studie der Nordic Road Association: Demnach zeigt die geringste Stabilität bei einem Spurwechsel ein Gliederzug mit 18,75 Meter Länge, wie er in Deutschland zum Einsatz kommt. Alle anderen Langzug-LKW-Kombinationen erweisen sich als stabiler. Allerdings geht aus der Untersuchung auch hervor, dass der 16,50-Meter-Sattelzug in Sachen Stabilität die Nummer eins ist. Johansson bezweifelt, ob die in Deutschland geforderten Sicherheitseinrichtungen für die Lang-LKW wie Spurassistent und Abstandsregel-Tempomat tatsächlich notwendig sind. „Wenn diese Pflicht werden, heißt das für unsere LKW, die diese Komponenten nicht haben, dass sie nicht fahren dürfen. Extraausrüstung kann dann zu einer Art Protektionismus des Heimatmarktes führen, ohne dass sich die Sicherheit verbessert, weil die derzeitigen Fahrzeuge bereits sicher sind“, befürchtet er. Rolf Backman, Geschäftsführer der Ahréns Akeri AB, einem wenige Kilometer von Stockholm ansässigen Transportunternehmen, bestätigt die Aussagen von Johansson. Ahréns verfügt in Schweden über 40 LKW und Trailer, davon etwa 25 in der Langzug-Kombination. Bevor wir eine Frage stellen können, sprudelt es schon aus Backman heraus: Ein Kunde in Finnland mit Expressware nach Holland hat täglich ein Aufkommen, für das an einigen Tagen ein normaler Sattelzug ausreicht, an anderen Tagen aber ein Semi-Trailer anzuhängen ist, um das Volumen zu transportieren. In beiden Fällen reicht bis zur dänisch-schwedischen Grenze ein LKW mit einem Fahrer. Dann muss er die Lang-LKW-Kombination auseinanderreißen und einen zweiten LKW und Fahrer einsetzen. Deshalb ist er ein klarer Anhänger, den 25,25-Meter-Truck europaweit einzuführen. Lang-LKW fahren nicht in die Städte Sicherheitsbedenken hat er nicht. „Es gibt einige, aber nur kleinere Besonderheiten, vor allem beim Rückwärtsfahren“, sagt Backman. Daher schult er seine Fahrer über die EU-weit geltenden Bestimmungen hinaus regelmäßig, was in Schweden keine Pflicht ist. Auch Rikard Engström kann keinerlei Probleme mit dem Bewegen dieser LKW im schwedischen Straßennetz erkennen. Er muss es wissen, schließlich gehört er der Swedish Transport Administration an. Diese Behörde ist für die Finanzierung und den Betrieb der Verkehrsinfrastruktur in Schweden zuständig. Die Kreisel durchfahren die Fahrzeuge problemlos, auch ohne eine gelenkte Dolly-Achse, wie sie in Deutschland Pflicht werden soll für Lang-LKW. Nur in den Innenstädten gibt es Kreisel, die nicht geeignet sind. „Aber hier sollen und kommen diese LKW sowieso nicht zum Einsatz“, so Engström. In der Debatte um den Lang-LKW führen die Gegner in Deutschland neben dem Thema Sicherheit vor allem die Gefahr der Verlagerung von Transporten von der Schiene auf die Straße an. Engström hat zwar Verständnis für eine solche Sichtweise, hält die Fixierung auf Marktanteile aus Sicht der Verkehrsträger jedoch für falsch. „Das Ziel muss lauten, dass wir das Verkehrssystem als Ganzes verbessern, um so die Kosten und die Schäden für die Umwelt und die Sicherheit der Bevölkerung gering zu halten.“ Deshalb plädiert er dafür, die Abläufe bei den jeweiligen Verkehrsträgern zu verbessern, ohne dabei zu sehr auf die jeweiligen Marktanteile zu schielen. „Um Abwanderungen von der Schiene auf die Straße zu verhindern, ist es sinnvoll, stärker mit den Versendern der Waren zusammenzuarbeiten, um ihnen die Vorbehalte vor einem Transport per Bahn zu nehmen“, sagt Engström. Die Meinung von Stefan Back von Transportgruppen zu dem Thema ist eindeutig, was nicht selbstverständlich ist. Denn zu dem Gesamtverband gehört die ehemalige Swedish International Freight Association, von der Back kommt und die in Deutschland dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) entspricht. Auch die Eisenbahnen sind hier Mitglied. Dennoch bezieht Back klar Stellung: „Die Debatte in der EU darüber, ob die EU-Direktive die Zulassung der Lang-LKW im internationalen Verkehr in der EU erlaubt, ist doch sehr seltsam“, sagt er. Denn mit Vehemenz würden in Europa Maßnahmen bekämpft, die den freien Warenverkehr blockieren. Aber der 25,25-Meter-LKW, der den grenzüberschreitenden Warenverkehr erleichtere, werde nicht genehmigt. „Das steht im Gegensatz zu der Philosophie von einem Eu-ropa ohne Grenzen“, regt sich Back auf. Angesichts der Wachstumsprognosen kann er in längeren Trucks keinen Nachteil für die Bahnen erkennen. „Das Aufkommen auf der Schiene wird wachsen und das auf der Straße auch. Wenn wir nun das Volumen mit weniger LKW transportieren können, warum sollten wir das nicht tun?“, lautet seine Frage an die Gegner des Lang-LKW. Studie weist Vorteile der Lang-LKW nach Die Änderung der Direktive spielt auch im schwedischen Verkehrsministerium eine wichtige Rolle. Wir treffen dort Charlotte Ottosson, die sich mit den Lang-LKW befasst, und Per Björklund, der die schwedische Verkehrspolitik bei der EU in Brüssel vertritt. Auch wenn in Schweden die Regierung gerade erst gewählt und die neue Verkehrsministerin sich noch nicht geäußert hat, macht Ottosson eine überraschend konkrete Aussage. „Wir gehen stark davon aus, dass Schwedens erstes Statement in Brüssel sein wird, die Direktive zu ändern und Lang-LKW für den grenzüberschreitenden Verkehr zuzulassen.“ Als wir dann über das Thema Sicherheit diskutieren, folgt die zweite Überraschung. Auf die Frage, wie viele Unfälle es mit den LKW aufgrund der Überlänge gegeben hat, antwortet Ottosson: „Keine.“ Verdutzt haken wir nochmals nach, aber die offizielle Antwort aus dem schwedischen Ministerium lautet: „Es sind uns keine Unfälle aufgrund der Länge der Fahrzeuge bekannt, obwohl wir natürlich Unfallzahlen erheben“, konkretisiert Ottosson. „Das mag auch an dem geringeren Verkehr in Schweden im Vergleich zu Deutschland liegen“, ergänzt Björklund, „das ist aber sicher nicht die ganze Antwort.“ Als weitere mögliche Ursachen nennen sie die jahrzehntelange Gewohnheit mit diesen LKW und den hohen Stellenwert, den in Schweden das Thema Sicherheit im Verkehr genießt. Ottosson ist sich bewusst, dass die schwedischen Verhältnisse nicht eins zu eins übertragbar sind auf die Situation in Europa. „Aber wir sprechen über Fakten, während woanders in Europa die Emotionen die Debatte bestimmen“, sagt Ottosson. Wenn man in Schweden wissenschaftliche Aussagen zum Lang-LKW haben möchte, kommt man an dem VTI nicht vorbei. VTI ist das staatliche Verkehrsforschungsinstitut und vergleichbar mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) in Deutschland – nur dass das VTI alle Verkehrsträger abdeckt. Inge Vierth beschäftigt sich seit Ende der 80er-Jahre mit dem Güterverkehr. Zusammen mit Kollegen vom VTI hat die gebürtige Deutsche eine Studie zum Lang-LKW gemacht. Die zentrale Frage lautete dabei anders, als man sie in Deutschland stellen würde: Welche finanziellen Folgen hätte es für Schweden, wenn die in fast ganz Eu-ropa geltenden Längen- und Gewichtsgrenzen für LKW eingeführt würden (Gewicht: 40 Tonnen; Länge: 18,75 Meter)? Die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse aus dem Jahr 2008 fällt deutlich aus: In dem einen Szenario, in dem eine Verlagerung zwischen den Verkehrsträgern ausgeschlossen wird, bedeutet die Reduzierung dieser Grenzen eine Erhöhung der LKW-Kilometer von 24 Prozent. Die Folgen sind Kostenerhöhungen für die Wirtschaft in Höhe von umgerechnet 812 Millionen Euro pro Jahr. Aufgrund einer höheren Anzahl der Fahrzeuge steigen zudem die Unfallkosten um 53 Millionen Euro pro Jahr. Der steigende Dieselverbrauch führt zu höheren Umweltkosten in Höhe von 63 Millionen Euro pro Jahr. Weitere zusätzliche Kosten pro Jahr entstehen der Gesellschaft für mehr Lärm (74,5 Millionen Euro) und Staus (5,4 Millionen Euro). Einziger Vorteil: Der Staat hat höhere Steuereinnahmen wegen der gestiegenen LKW-Zahlen (6,8 Millionen Euro) und die Beschädigung der Straßen nimmt aufgrund des geringeren Gewichtes der Fahrzeuge (15,1 Millionen Euro) ab. Dieser Wert kann sich jedoch je nach Achskonfiguration auch ins Positive wenden. Macht in Summe ein Verlust in Höhe von 963,3 Millionen Euro. In einem anderen Szenario, in dem eine Verlagerung von Transportmengen angenommen wird (in diesem Fall von der Straße zur Schiene), steigen die volkswirtschaftlichen Kosten um 425,4 Millionen Euro. In jedem Fall, so haben die Experten von VTI berechnet, hat eine Absenkung der Maße und Gewichte wirtschaftliche Nachteile zur Folge. Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass schwerere und vor allem längere LKW im restlichen Europa einen betriebs- und volkswirtschaftlichen Nutzen stiften würden? „Unsere Ergebnisse lassen sich nicht einfach auf Deutschland oder die EU übertragen“, sagt Vierth. Andererseits sagt sie: „In Schweden scheint dieser Mechanismus zu funktionieren.“ Daher antwortet sie auf die Frage, was sie Deutschland in der Debatte um den Lang-LKW empfiehlt: „Neutrale, objektive Studien, untermauert mit Tests aus der Praxis.“ Auch den hohen Marktanteil der schwedischen Bahn relativiert sie, wenn auch nur ein wenig. „Der Eisenbahn in Schweden kommt zugute, dass die Trassenpreise im Vergleich zu Deutschland relativ niedrig sind und es viel Industrie gibt wie die Stahl- und Papierhersteller, die schwere Güter über einen langen Weg transportieren – ideal für die Eisenbahnen.“ Und zum Abschluss sagt sie einen Satz, der jeden Gegner von Lang-LKW aufhorchen lassen muss: „Schweden hat die längsten Längen und die höchsten Gewichte für LKW in Europa – und zugleich den höchsten Marktanteil bei den Eisenbahnen in der EU und mit die niedrigsten Unfallraten weltweit.“ Dann nimmt sie ihren Fahrradhelm, setzt ihn auf und verschwindet mit ihrem Zweirad in den Straßen von Stockholm. ❙❚■ Michael Cordes Was bedeuten die Erfahrungen in Schweden für die Diskussion in Deutschland? Lesen Sie dazu den Kommentar auf der nächsten Seite! Schwedische Lang-LKW: Nicht nur für die Gewerbetreibenden, sondern auch für die breite Öffentlichkeit ein gewohntes Bild Lang-LKW in Schweden Größer, schwerer, besser? Immer häufiger steht der Lang-LKW im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Anlass für die VR, das Thema regelmäßig aufzugreifen. VR 42: Die Erfahrungen in Schweden mit dem Lang-LKW VR 45: Welche Konsequenzen die Niederlande aus dem Test zieht VR 48: Die Argumente der Bundesländer gegen den Lang-LKW Lang-LKW in Schweden Es kommt auf die richtige Preisbalance an Die Reaktion von Mats Hollander auf die Diskussion um Länge und Gewichte mag für deutsche Eisenbahnvertreter überraschend sein. Denn der Sprecher der schwedischen Staatsbahn Green Cargo reagiert gelassen: „Wir sind der Auffassung, dass unsere wichtigste Herausforderung die Verbesserung unseres eigenen Systems ist. Und wir sollten nicht versuchen, den anderen Verkehrsträgern das Leben schwer zu machen.“ Andererseits macht er keinen Hehl daraus, dass das Preisgefüge zwischen LKW und Bahn eine wichtige Rolle spielt. „Ich kann die Ängste in Deutschland sehr gut nachvollziehen“, sagt Hollander. Vor allem, wenn nur einseitig über Entlastungen beim LKW gesprochen werde. Mitte der 90er-Jahre, als in Schweden die Gewichte bei den LKW angehoben wurde, verlor die Bahn kurzfristig auch Marktanteile. Daraufhin hat die Regierung jedoch die Trassengebühren gesenkt. Dass deren geringes Niveau ein Grund für die höchsten Marktanteile einer Bahn in der EU sind, lässt er nicht gelten: „Auch der LKW muss für die Benutzung der Infrastruktur wenig zahlen. “ Die Bahnen in Europa können laut Hollander nur dann so erfolgreich wie Green Cargo sein, wenn sie eine gute Leistungsqualität anbieten (hier sieht er vor allem international Nachholbedarf) und zwischen Bahn und LKW die richtige Preisbalance herrsche. Beides sei derzeit in Schweden der Fall. Deshalb machen ihm Überlegungen der Regierung, die Trassenpreise anzuheben, mehr Kummer als die derzeitigen Längen und Gewichte von LKW in Schweden. cd Trotz Lang-LKW erfolgreich: Die schwedische Bahn Green Cargo Wie Die Eisenbahn in Schweden reagiert Lang-LKW in Schweden Marktanteil der Schiene bei 20 Prozent 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2009 60 50 40 30 20 Anteil der Verkehrsträger an der gesamten Verkehrsleistung in Schweden Die Schiene hat in Schweden immer deutlich mehr als 20 Prozent Marktanteil gehabt. Damit ist Schweden innerhalb Europas führend. „Seefahrt“ bezeichnet die Küstenschifffahrt auf schwedischen Territorium. cd 55,1 22,6 22,3 48,9 43,3 42,5 37,7 38,4 37,4 38,9 38,6 29,2 32,8 32,4 37,7 38,9 40,0 39,1 39,8 21,9 23,7 25,0 24,6 23,3 22,6 22,0 21,6 Kommentar Plädoyer für den bundesweiten Feldversuch Ein Kommentar von VerkehrsRundschau-Redakteur Michael Cordes Dass die Mehrheit der Bundesländer sich gegen einen bundesweiten Feldversuch ausgesprochen hat, ist bedauerlich. Die Erfahrungen in Schweden zeigen, dass es gute Gründe gibt, für einen solchen Test grünes Licht zu geben. An dieser Stelle muss mal ein Lob an die Allianz pro Schiene ausgesprochen werden: Wie sie beim Lang-LKW mit den Emotionen spielt, wie sie intelligent mit Zahlen argumentiert, wie sie eine Homepage auf die Beine stellt, auf der sich die Gegner der „Monster-Trucks“ mit Informationen versorgen können, das verdient Respekt. Etwas Ähnliches sucht man von den Befürwortern vergeblich. Da gibt es im deutschsprachigen Raum nur eine Homepage mit www.euro-combi.de, auf der die neueste Meldung aus dem Jahr 2008 stammt. Ein guter öffentlicher Auftritt heißt aber noch nicht, dass man auch in der Sache richtig liegt. Die zwei wesentlichen Kritikpunkte der Lang-LKW-Gegner entzünden sich an dem Thema Sicherheit sowie an der Verlagerung von Gütern von der Schiene auf die Straße. Was das Thema Sicherheit betrifft, kann man die Bedenken in keiner Weise nachvollziehen, wenn man einen Blick nach Schweden wirft. Zum einen ist das Land weit davon entfernt, den Ruf zu haben, Sicherheitsstandards zu vernachlässigen. Zum anderen fahren dort Tausende von LKW mit 24 oder 25,25 Meter Länge in unterschiedlichsten Kombinationen, mit Gefahrgut und auf Landstraßen. Aus den vorliegenden Statistiken lassen sich jedoch keine Sicherheitsbedenken ablesen. Nach Auskunft des schwedischen Verkehrsministeriums hat es noch keinen Unfall gegeben, der mit der Länge des Fahrzeugs zusammenhängt. Und aus den Zahlen der OECD könnte man sogar den Eindruck gewinnen, dass die Lang-LKW für mehr Sicherheit auf den schwedischen Straßen sorgen. Denn laut OECD ist Schweden ganz knapp hinter Großbritannien das Land mit den weltweit wenigsten Verkehrstoten pro 100.000 Einwohner (3,8 zu 3,9). Gleiches gilt für die Zahl der Verkehrstoten pro Milliarden Fahrzeugkilometer. Nur Island (3,9) schneidet hier besser als Schweden (5,1) ab. Und wenn ein Feldversuch in Deutschland kommt, hat das Bundesverkehrsministerium bereits angekündigt, dass die LKW mit zusätzlichen Sicherheitsausstattungen ausgerüstet sein müssen und damit noch sicherer sind als die schwedischen Trucks. Die Unfallzahlen in Schweden passen somit in die Argumentationskette der Befürworter von Lang-LKW: Längere LKW führen zu weniger Fahrzeugen auf den Straßen, und da für die Sicherheit auf den Straßen deren Anzahl maßgeblich ist, reduziert sich mit Lang-LKW das Unfallrisiko. An dieser Stelle protestieren die Lang-LKW-Gegner: Längere LKW werden dazu führen, dass Frachtraum auf der Straße günstiger wird und daher Transporte von der Schiene auf die Straße verlagert werden. Ein gutes, womöglich das beste Argument der LKW-Gegner. Ob es auch stimmt, diese Frage lässt sich nur äußerst schwer beantworten. Der Blick nach Schweden ist bedingt hilfreich. Zwar ist dort der Anteil der Schiene am Modal Split so hoch wie in keinem anderen Land der EU. Doch gibt es dafür Gründe wie die vergleichsweise niedrigen Trassengebühren oder die Größe des Landes in Verbindung mit der Wirtschaftsstruktur, die den Einsatz der Bahnen im Güterverkehr begünstigen. Es gilt wie beim Thema Sicherheit auch, dass sich die Situation in Schweden nicht eins zu eins auf Deutschland oder Europa übertragen lässt. Ob die langen LKW in Deutschland ein Sicherheitsrisiko sind oder mit ihnen die Zahl der Unfälle sogar verringert werden könnte, ließe sich am besten mit einem möglichst umfangreichen Praxistest nachweisen. Daher ist die Absage an einen solchen Test durch die Mehrheit der Bundesländer nicht nachvollziehbar. Ob eine Verlängerung der Maße im Straßengüterverkehr zu einer Verlagerung von Transporten auf den LKW führt, diese Frage lässt sich mit einem solchen Test nicht beantworten. Hier wäre das Bundesverkehrsministerium gefragt, entsprechende Studien in Auftrag zu geben. Das, was es bislang zu diesem Thema schon an Untersuchungen gibt, ist nicht geeignet, da interessengesteuert (sprich: Auftraggeber sind die Betroffenen) oder veraltet. ❙❚■ Kontakt: michael.cordes@springer.com