Kleinere Brötchen backen

Das letzte Jahr war kein schlechtes für die Transportbranche, zumindest von der Auftragslage her. Immerhin um 1,7 Prozent sind die Güterverkehrsleistungen hierzulande gestiegen. Das laufende Jahr soll noch besser verlaufen: Eine Zunahme auf 2,0 Prozent sagt die neue Prognose voraus, die das Bundesverkehrsministerium bei der TCI Röhling Transport Consulting International in Auftrag gegeben hat. Doch ab dem nächsten Jahr müssen sich die Unternehmen im Transportgewerbe auf eine Abschwächung der Konjunktur in ihrem Bereich gefasst machen. Denn für 2017 prognostizieren die Verkehrsexperten nur noch ein Plus von 1,6 Prozent bei der Verkehrsleistung. 2018 soll das Wachstum mit 1,0 Prozent dann nur noch halb so groß ausfallen wie im laufenden Jahr. Das wäre die geringste Zunahme seit 2012, als die Güterverkehrsleistung in Deutschland letztmalig gesunken ist. Es sieht also danach aus, als ob die Akteure im Markt für Gütertransporte künftig kleinere Brötchen backen müssten. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer der wichtigsten Einflussfaktoren der Transportnachfrage ist die konjunkturelle Entwicklung: Denn wird viel produziert und konsumiert, muss dafür auch viel transportiert werden. Für Deutschland wird mit einer leichten Abschwächung der Konjunktur gerechnet: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legt 2015/16 mit jährlich 1,7 Prozent zu, in den zwei Jahren darauf jedoch nur um jeweils 1,5 Prozent. Ölpreise sollen wieder steigen Als stark exportorientiertes Land spielt für Deutschland aber auch die Entwicklung auf den ausländischen Märkten eine wichtige Rolle: Hier stagniert das Wachstum in den meisten Staaten bis 2018. In China ist das BIP-Wachstum weiter rückläufig, von 6,9 Prozent (2015) auf 6,0 Prozent 2018. Ein weiterer Bremser der wirtschaftlichen Entwicklung und damit der Transportnachfrage ist der Ölpreis. Der ist laut TCI-Prognose nach einem Tiefstand zu Beginn des Jahres 2016 um 80 Prozent gestiegen, liegt aber immer noch unter dem Durchschnittspreis aus dem Jahr 2015. Doch die Experten gehen davon aus, dass der Barrel Brent sich mittelfristig bei 50 bis 70 US-Dollar einpendelt (Anfang September 2016: 47,2 US-Dollar). Je nach Verkehrsträger entwickelt sich die Güterverkehrsleistung in den kommenden Jahren unterschiedlich (siehe linke Grafik Seite 51). Der Straßengüterverkehr soll unter den Landverkehrsträgern zwischen 2016 und 2018 die höchsten Wachstumsraten erzielen. Die Eisenbahn hingegen stagniert über die drei Jahre bei 0,6 Prozent. Noch schlechter sieht es bei der Binnenschifffahrt aus. Nach dem Einbruch im Jahr 2015 aufgrund einer langen Niedrigwasserperiode bleibt eine richtige Aufholjagd aus: 1,1 Prozent mehr im laufenden Jahr, das war es dann aber auch. 2017 und 2018 stagniert die Verkehrsleistung bei 56 Milliarden Tonnenkilometer (tkm). Lkw-Verkehre profitieren vom Bauboom Als wesentlicher Grund, warum Bahn und Binnenschiff nicht mit dem Lkw mithalten können, nennen die Experten eine geringere Nachfrage nach Massengütern. Vor allem der Transport von Kohle und Erzen, aber auch der von Metallen ist rückläufig. Da sowohl über die Schiene wie auch per Wasserstraße überproportional viele Massengüter befördert werden, bekommen die beiden Verkehrsträger die sinkende Nachfrage stärker zu spüren und verlieren im Modal Split Marktanteile. Der Straßengüterverkehr profitiert zudem von der guten Baukonjunktur. Da diese Transporte vor allem über kurze Distanzen abgewickelt werden, kommen die Binnenschifffahrt und die Bahn hier als Verkehrsmittel nicht oder kaum infrage. Aufgrund der kurzen Entfernungen macht sich der Bauboom bei der Verkehrsleistung allerdings nicht so stark bemerkbar wie beim Aufkommen. Zugute kommen den Straßentransporteuren zudem eine hohe Nachfrage nach hochwertigen Gütern sowie Zuwächse beim Im- und Export. Die Dominanz des Straßengüterverkehrs gegenüber den beiden anderen Landverkehrsträgern wird auch an den absoluten Zahlen deutlich. Alleine der Zuwachs der Verkehrsleistung auf der Straße zwischen 2014 und 2018 beträgt mit fast 40 Milliarden tkm ein Drittel dessen, was jährlich auf dem nationalen Schienennetz transportiert wird (118,8 Milliarden tkm) und gar zwei Drittel dessen, was die Binnenschifffahrt in zwölf Monaten befördert (56,0 Milliarden tkm). Ein Wachstumstreiber, der die Verluste im Massengutgeschäft zumindest teilweise kompensieren kann, ist der Kombinierte Verkehr (KV). Der nahm auf der Schiene 2015 um 5,6 Prozent zu und soll 2016/2017 jeweils um 2,4 Prozent steigen und 2018 sogar um 3,0 Prozent. Neben der Luftfracht und den Rohrleitungen ist dies das einzige Segment, das 2018 stärker wächst als im Jahr zuvor. Auch in der Binnenschifffahrt gilt der KV als Wachstumsmarkt. "Insbesondere in der Rheinschifffahrt wird der ... Kombinierte Verkehr im Hinterlandverkehr der niederländischen und belgischen Häfen als Marktsegment eine zunehmend wichtige Rolle spielen", heißt es in der Prognose. Ausländer gewinnen Marktanteile Zwar kann der Straßengüterverkehr mit einer stärkeren Nachfrage rechnen als die anderen Verkehrsträger. Anlass für deutsche Fuhrunternehmen, sich entspannt zurückzulehnen, ist dies jedoch nicht. Denn sie haben nach wie vor mit einem hohen Druck ausländischer Anbieter zu kämpfen. Die Konkurrenz aus dem Ausland wächst in Deutschland weiterhin spürbar stärker als die deutschen Unternehmen (siehe rechte Grafik Seite 51). Allerdings sind die Wachstumsraten der ausländischen Lkw auch nicht mehr so hoch wie in der Vergangenheit und ebenfalls rückläufig, und zwar von 3,6 Prozent (2016) auf 2,6 Prozent (2018). 2014 betrug der Anteil deutscher Lkw an der Transportleistung im Straßengüterverkehr 61,6 Prozent (für 2015 liegen im Straßengüterverkehr noch keine endgültigen Zahlen vor). 2018 sinkt dieser Wert dann auf 59,5 Prozent. Deutsche Unternehmen verlieren also weiterhin Marktanteile. Diese Entwicklung wird dadurch beschleunigt, dass sich das Wachstum in der Baubranche abschwächt, in dem nahezu ausschließlich deutsche Unternehmen tätig sind. Daher müssen Betriebe, die im Nahverkehr (bis 50 Kilometer) Transportleistungen anbieten, sich sogar auf einen Rückgang der Nachfrage (- 1,1 Prozent 2017 und -1,4 Prozent 2018) einstellen. Im Regionalverkehr (51 bis 150 Kilometer) sieht es mit einem Zuwachs von 1,0 Prozent (2017) und 0,7 Prozent (2018) etwas besser aus. Im Fernverkehr (über 150 Kilometer) wird 2017 noch mit einer hohen Zunahme in Höhe von 1,8 Prozent gerechnet. Ein Jahr später nähert sich das Wachstum jedoch bedrohlich der Nulllinie (+ 0,6 Prozent). Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Transportmarkt www.verkehrsrundschau.de/dossiers Prognose für die Schweiz bis 2040: Strasse und Schiene legen zu Schienengüterverkehr gewinnt zwei Prozent Marktanteile Die Schweizer und ihre Bahn: Es gibt kein Land in Europa und vermutlich auch auf der Welt, in dem die Bahn eine so große Rolle spielt im Verkehr wie bei unseren Nachbarn.Da verwundert es nahezu, dass in einer neuen Studie des Schweizer Verkehrsministeriums der Güterverkehr auf der Straße in der Schweiz bis 2040 weiter zunehmen soll - und zwar in absoluten Zahlen sogar stärker als der Schienengüterverkehr. Um 5,5 Milliarden Tonnenkilometer (tkm) soll der Transport per Lkw bis 2040 wachsen. Die Bahnen müssen sich im gleichen Zeitraum mit einem Plus von 4,4 Milliarden tkm zufriedengeben (siehe Grafik rechts).In Prozent ausgedrückt wächst der Schienengüterverkehr allerdings stärker als der Wettbewerber Straße (44,7 Prozent bei den Bahnen versus 32,8 Prozent beim Lkw). Die Folge: Der Marktanteil der Schiene im Modal Split steigt, und zwar von 36,8 Prozent im Jahr 2010 auf 38,8 Prozent im Jahr 2040. Die Straße muss sich mit 61,2 Prozent begnügen nach 63,2 Prozent.Als Grund für das Wachstum bei der Bahn gibt die Studie"steigende Auslastungsgrade im Schienengüterverkehr und weniger stark steigende Kosten als im Straßentransport" an. Für das Bahnland Schweiz hätte man aber womöglich einen stärkeren Zuwachs erwartet. Dass es nicht dazu kommt, liegt an dem "Güterstruktureffekt" (der Transport von leichteren und wertvolleren Gütern gewinnt an Bedeutung und hier hat der Lkw Vorteile) und der verminderten Bedeutung der Energieträgertransporte.Doch zeigen die Zahlen auch: Wenn selbst im Bahnland Schweiz nur eine leichte Verschiebung des Modal Split zugunsten der Schiene möglich ist, dürfte eine solche Entwicklung in Deutschland noch viel schwerer realisierbar sein. cd