Glück im Unglück

Preisfrage: Wer sind die digitalen Gewinner der Covid-19-Krise? Tagsüber am Heim-Arbeitsplatz Zoom und nach Feierabend Netflix, na klar. Wenn die vergangenen Wochen aber eines gezeigt haben, dann auch dies: Viele Unternehmen konnten reibungslos von jetzt auf gleich auf Home-Office-Modus stellen, weil sie ihre Systeme oder zumindest Teile davon cloudbasiert betreiben. Die Nutzung virtueller Serverräume war freilich schon vor der Corona-Krise salonfähig: Laut Bitkom nutzten schon im Jahr 2018 73 Prozent der Unternehmen in Deutschland Rechenleistungen aus der Cloud, die Hälfte davon Private-Cloud-Anwendungen, gut ein Drittel Public-Cloud-Lösungen (siehe Glossar). Unter dem Einfluss der Corona-Krise dürfte die Nachfrage aber noch einmal einen gehörigen Schub erfahren haben. So stiegen die weltweiten Ausgaben für Cloud-Infrastrukturdienste im ersten Quartal 2020 um 34 Prozent auf 31 Milliarden Dollar, meldeten unlängst die Tech-Analysten von Canalys. Davon profitierten vor allem AWS von Amazon, Azure von Microsoft sowie Google Cloud. Virtuelle Server für TMS & Co. Nun sind die globalen Platzhirsche im Markt der Public-Cloud-Anbieter nicht jedermanns Sache, wenn es um die Verlagerung der Firmendaten aus dem eigenen Serverraum zu Unternehmen mit Firmensitz in den USA geht. "Mir war sehr wichtig, dass die Server in Deutschland gehostet werden", sagt Christof Klar, Geschäftsführer der Transportgesellschaft Papp. Die Spedition mit Sitz in Kehl am Rhein hatte im Februar 2020 nach rund einjährigem Vorlauf ein Digitalisierungsprojekt an den Start gebracht, dessen Früchte sie nur kurze Zeit später ernten sollte: Papp führte mit M3 von Dr. Malek Software nicht nur erstmals eine umfassende Logistiksoftware ein, sondern setzte dabei auch auf eine cloudbasierte IT-Infrastruktur. Bei der ebenfalls im Badischen beheimateten Leitwerk AG wurden fünf virtuelle Server gebucht: der Anwendungsserver für M3, ein SQL-Datenbankserver, zwei Terminalserver, auf denen auch die MS-Office-Anwendungen laufen, sowie ein Mail- und Printserver. So klein wie eine Zigarrenkiste Durch die Einführung von M3 ließ Papp nicht nur die Abbildung der Prozesse mit Excel und veraltetem DOS-Programm hinter sich, sondern konnte im März, als Corona-bedingt viele Mitarbeiter von zu Hause arbeiten mussten, schnell reagieren: Diese müssen lediglich einen Thin Client, eine Art Mini-Computer, der auf den Server zugreift, an die Monitore anschließen. "Die Frage, ob Cloud-Software, auf die sich auch über den Browser zugreifen lässt, oder eine Lösung mit Thin Clients, stand bei unserem Digitalisierungsprojekt nicht an erster Stelle", erklärt Klar. Ihm war vielmehr wichtig, dass sich die Firma nicht mehr um eine eigene IT-Infrastruktur kümmern muss, und dass das Einrichten der Arbeitsplätze unkompliziert ist. Thin Clients sind in etwa so groß wie eine Zigarrenkiste und lassen sich - ob im Büro oder im Home-Office - schnell an die Bildschirme anschließen. Eigene IT war in die Jahre gekommen "Ich muss mich nicht länger um die Administration von Hardware und Software kümmern, die Lizenzen vom Betriebssystem bis hin zu Office-Paketen wurden über den Cloudanbieter eingekauft", freut sich Klar. Bislang hatte ein externer Systemadministrator die lokale Serverlandschaft betreut, die allerdings veraltet und "damit ausfallgefährdet und sicherheitstechnisch riskant war", wie der Papp-Geschäftsführer betont. Zum Jahresende sollen denn auch alle Systeme über die Cloud laufen. Als Nächstes sei die Buchhaltung dran, die cloudbasiert über Datev abgewickelt werden soll. "Mit Ausnahme der gesetzlich vorgeschriebenen Datenvorhaltung fürs Finanzamt werden wir mittelfristig also nichts mehr lokal hosten", kündigt Klar an. Er will den Mitarbeitern übrigens auch nach der Corona-Krise flexibel ermöglichen, von zu Hause aus zu arbeiten. "Sicher nicht alle sind fürs Home Office geschaffen. Gerade für Kolleginnen und Kollegen mit längeren Anfahrtswegen wie etwa unsere Frankreich-Pendler bedeutet die neue IT-Infrastruktur aber eine enorme Erleichterung." Ein zentraler Benefit des Digitalisierungsprojektes ist aber natürlich die Einführung des Transport-Management-Systems (TMS) von Dr. Malek selbst. Papp wickelt an vier Standorten, davon zwei in Spanien, rund 12.000 Transporte im Jahr ab und hat sich dabei vor allem auf europaweite Sondertransporte und Komplettladungen spezialisiert. Dank mehr Transparenz und beschleunigter Prozesse konnte der Personalaufwand in der Administration von sechs auf vier Mitarbeiter reduziert werden, wobei allerdings niemand entlassen wurde. Die ausgeschiedenen Kollegen hatten die Altersgrenze erreicht und wurden pensioniert. Die Anzahl der 16 Disponenten bleibt dagegen unverändert, sie können sich jetzt weiteren Aufgaben widmen: "Die durch den Digitalisierungsschub freigewordenen Ressourcen kann das Team nun auch ins Unternehmenswachstum stecken", sagt Klar. Mehr zum Thema unter #Speditionssoftware www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die IT in die Cloud zu verlegen, hat mehrere Vorteile: Unternehmen müssen sich nicht um die Administration eigener Server kümmern, Mitarbeiter sind nicht an den Bürorechner geknebelt. Davon profitierte auch die Spedition Papp, die dank ihrer neuen IT-Infrastruktur flexible Home-Office-Lösungen gestalten konnte. Glossar Cloud Computing Cloud ist nicht gleich Cloud. Nach Definition der US-Standardisierungsstelle NIST (National Institute of Standards and Technology) umfasst das Modell Cloud Computing vier Bereitstellungsmodelle:- In einer Private Cloud wird die Cloud-Infrastruktur nur für eine Institution betrieben. Sie kann von ihr selbst oder einem Dritten organisiert und geführt werden und kann dabei im eigenen Rechenzentrum oder in dem einer fremden Institution stehen.- In der Public Cloud werden Services von einem Anbieter der Allgemeinheit oder einer Gruppe übers Internet zur Verfügung gestellt.- In einer Community Cloud teilen sich mehrere Betriebe oder Institutionen eine Infrastruktur. Das können Behörden, Forschungsgemeinschaften oder Firmen, die ähnliche Interessen haben, sein.- Die Hybrid Cloud ist eine Mischform aus Public und Private Cloud: Mehrere Cloud-Infrastrukturen, die für sich selbst eigenständig sind, werden über standardisierte Schnittstellen gemeinsam genutzt. mh

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