Gewichtsmanipulation

Gewichtsmanipulation Schwer getäuscht Mit Manipulationen bei den Gewichten ihrer Sendungen hat die österreichische Spedition Gartner jahrelang Rail Cargo Austria betrogen. Die Höhe des Schadens ist unbekannt, aber es handelt sich um eine mindestens sechsstellige Summe. Manipulationen bei den Gewichten einer Sendung: Davon hört und liest man vor allem im Straßengüterverkehr. Doch jetzt ist ein Fall öffentlich geworden, wonach auch auf der Schiene getrickst wurde. In Österreich soll die Spedition Gartner jahrelang zu geringe Gewichte für ihre Sendungen angegeben und so Rail Cargo Austria (RCA) einen beträchtlichen Schaden zugefügt haben. Manipulationen bereits seit 2006/2007 Öffentlich geworden ist der Fall erst, nachdem einer der Kunden von Gartner, der Konsumhersteller Procter & Gamble (P&G), wegen dieser Praktiken Strafanzeige gestellt hat. Ein ehemaliger Prokurist von Gartner, der nach Aussage eines Sprechers der Spedition allein verantwortlich für die Manipulationen war, soll nach seiner Entlassung P&G darauf aufmerksam gemacht haben. Was jedoch hat sich konkret abgespielt? Nach den Informationen, die der VerkehrsRundschau vorliegen, hat der Prokurist bei Gartner seine Mitarbeiter etwa seit 2006/2007 angewiesen, so viel Ladung wie möglich auf die Züge in die Türkei und nach Griechenland zu bekommen. Die legale Vorgabe lautete, dass die Gesamtlänge von 550 Metern und das Gesamtgewicht von 1160 Tonnen nicht überschritten werden durften. Durch die Angabe von zu geringen Gewichten (so wurde mit Zahlendrehern gearbeitet und statt 21 Tonnen 12 Tonnen pro Ladeeinheit angegeben) wurde so lange am Zuggewicht manipuliert, bis der Zug die 1160 Tonnen erreicht hatte. Davon betroffen waren nicht nur P&G, sondern auch Sendungen von anderen Kunden. Schriftliche Anweisungen dazu gab es nicht, doch Mitarbeiter des Prokuristen haben die Vermutung geäußert, dass diese Vorgehensweise nicht nur dem Prokuristen von Gartner bekannt war. 2010 kam dann Bewegung in die Sache: Die Spedition Gartner hatte offenbar Hinweise bekommen, dass die Gewichtsmanipulationen entdeckt wurden. Als Konsequenz wurde der besagte Prokurist aus der dafür zuständigen Abteilung zunächst abgezogen und dann wenige Monate später fristlos entlassen – auch deshalb, weil es offenbar noch andere Unregelmäßigkeiten gegeben hat. Kein sofortiger Stopp Damit war jedoch nicht Schluss mit den Überladungen. Der Nachfolger des Prokuristen bekam zwar die Anweisung von Firmenchef Richard Gartner, dieses Problem zu lösen. Er informierte auch umgehend die Verantwortlichen bei RCA. Doch da eine sofortige Einhaltung der Gewichte zur Folge gehabt hätte, dass die Züge mit weniger Sendungen hätten fahren müssen und sich dies wirtschaftlich nicht mehr gerechnet hätte, wurde zunächst weiterhin überladen – nach Aussagen von Gartner-Mitarbeitern mit Wissen von RCA. Nach und nach wurde das Ausmaß der Manipulation gesenkt und die Zahl der Container pro Zug von 35 auf 32 reduziert. Ab Sommer 2011 fanden dann angeblich keine Überladungen mehr statt. Soweit zum Tathergang. Seitens der Spedition Gartner leugnet man nicht die Manipulationen. Ein Sprecher betonte jedoch gegenüber der VerkehrsRundschau, dass die Unternehmensführung keine Kenntnis davon hatte: „Im Gegenteil. Die Unternehmensführung hat nach Bekanntwerden der Manipulationen den verantwortlichen Prokuristen sofort entlassen und dessen Nachfolger damit beauftragt, für eine korrekte Abwicklung der Griechenlandverkehre zu sorgen.“ Ob RCA-Mitarbeiter in die Manipulationen des Prokuristen eingeweiht gewesen sind, das „entzieht sich unserer Kenntnis“, so der Sprecher. Eine Sprecherin von RCA erwiderte auf die Anfrage der VerkehrsRundschau, ob die Manipulationen zumindest zeitweise unter Mitwissen von Mitarbeitern von RCA passiert sind: „Das aktuelle Management hat sofort nach Bekanntwerden der Überladungen umfassend reagiert. Wir sind in der Sache Geschädigter, nicht Beschuldigter.“ RCA droht mit Schadenersatz Aber auch hier tauchen Ungereimtheiten auf. Denn RCA und Gartner haben einen neuen Vertrag über drei Jahre geschlossen. Der beinhaltet unter anderem, dass Gartner eine Strafe in Höhe von 360.000 Euro zu zahlen hat, wenn die Spedition vorzeitig aus dem Vertrag aussteigt. Aus Sicht von Gartner ist dies eine „aktive Schadens-Wiedergutmachung“ und Ergebnis eines Vergleichs, der zwischen RCA und Gartner geschlossen wurde. Rail Cargo Austria legt hingegen Wert darauf, dass es sich bei dem neuen Vertrag nicht um einen außergerichtlichen Vergleich handelt und belegt dies mit einem Gutachten der konzerninternen Rechtsabteilung. Ein Vergleich beinhalte immer auch ein Nachgeben beider Parteien und die neue Festlegung der strittigen Rechtspositionen. Dies sei in dem neu geschlossenen Rahmenvertrag aber nicht gegeben. Eine Sprecherin der RCA verweist darauf, dass zudem etwaige Schadenersatzansprüche gegen Gartner aufrechterhalten würden. In einem von P&G gegen Gartner angestrengten Ermittlungsverfahren habe sich RCA deshalb als Privatbeteiligter angeschlossen. Die durch die Manipulationen ebenfalls geschädigten fünf Partnerbahnen erhielten bereits eine Entschädigungszahlung im „niedrigen sechsstelligen Bereich“ von RCA, um deren Schaden auszugleichen. Aber hätte RCA nicht viel früher bemerken müssen, dass Züge durch den Kunden Gartner systematisch und über einen langen Zeitraum überladen wurden? Eine stichprobenhafte Untersuchung der Züge fand laut RCA in der Vergangenheit statt. Augenscheinlich überladene Waggons, bei denen der technische Wagendienst Anzeichen einer Überladung feststellt, müssen nach geltenden Vorschriften ausgekoppelt und gewogen werden. Im Rahmen dieser Kontrollen habe es nie Anzeichen einer Überladung gegeben, teilt RCA mit. Deshalb schließe man auch aus, dass es durch die Manipulationen zu einer Gefährdung der Sicherheit gekommen sei. Man habe außerdem Maßnahmen getroffen, um Überladungen künftig auszuschließen – dazu gehöre auch die vermehrte Kontrolle der Wagen. Grundsätzlich obliegt die Überwachung der Zuggewichte und deren Kontrolle der ÖBB Infrastruktur. ❙❚■ Michael Cordes, Dietmar Winkler Boxen in falschen Gewichtsklassen: Bei Gartner wurden die Sendungen in die Türkei leichter gemacht als sie tatsächlich waren Gewichtsmanipulation Wie sicher ist der Schienen-güterverkehr in Deutschland? Der Fall Gartner in Österreich wirft verschiedene Fragen auf: Gefährden Überladungen die Sicherheit der Züge? Handelt es sich um einen Einzelfall oder sind die Kontrollen so nachlässig, dass Überladungen im Schienengüterverkehr an der Tagesordnung sind? Zunächst einmal verneint ein Sprecher von DB Schenker Rail, dass sein Unternehmen von den Gartner-Manipulationen betroffen sein könnte. Denn Gartner hat auch Sendungen im Kombinierten Verkehr (KV) nach Deutschland aufgegeben. „Uns liegen keine Erkenntnisse vor, dass es seitens Gartner Gewichtsmanipulationen auf unseren Produkten gegeben hat“, sagte der DB-Sprecher. Auch seien Gewichtsüberschreitungen nur in Ausnahmen festgestellt worden und daher „als Einzelfälle“ anzusehen. Um solche Manipulation zu Gewichtsangaben durch Spediteure auszuschließen, liefert DB Schenker Rail präventiv Informationen an die Operateure und Spediteure, es werden Stichprobenkontrollen auf den Terminals vorgenommen und im Falle eines Anfangsverdachts alle Sendungen auf den Terminals kontrolliert und es erfolgt die Wiegung der beladenden Wagen. Laut Norbert Rekers, bei der Privatbahn TX Logistik für das Geschäftsfeld Intermodal zuständig, kann es zwar gelegentlich zu leichten Gewichtsüberschreitungen bei Ladeeinheiten kommen. Überschreitungen bei Zügen schließt er hingegen aus, da Ladeeinheiten normalerweise über die im Reachstacker oder am Kran befindlichen Waagen gemessen würden. Und wenn solche Übergewichte festgestellt werden, wird der Kunde informiert und gegebenenfalls eine höhere Fracht berechnet, wenn die Ladeeinheit in eine höhere Gewichtsstaffel fällt. „Wird das Maximalgewicht des Zuges überschritten, wird die Ladeeinheit nicht verladen oder wieder vom Zug genommen“, sagt Rekers. Doch wer kontrolliert die Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)? Dafür ist das Eisenbahnbundesamt (EBA) zuständig. Es führt Stichproben oder anlassbezogene Kontrollen durch. „Das betrifft grundsätzlich auch den Ladezustand von Fahrzeugen“, sagt ein EBA-Sprecher. Insgesamt kontrolliert das EBA pro Jahr durchschnittlich 15.000 Waggons. Wie häufig dabei auch explizit die Gewichte überprüft wurden, konnte der Sprecher nicht sagen. Gewichtsgrenzen für Züge werden aus verschiedenen Gründen festgelegt: So kann laut EBA eine Überschreitung des Gesamtgewichts eines Zuges Auswirkungen auf dessen Fahr- und Bremsverhalten haben. Eine Überschreitung des vorgesehenen Gesamtgewichtes eines Fahrzeuges kann den Verschleiß für Fahrzeug und Oberbau erhöhen. cd Die Bahnen kontrollieren selbst den Zustand der Waggons Gewichtskontrollen Im Deutschen Bahntransport

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