Logistik im Alpenverkehr: Herausforderungen und Lösungen für den Brenner-Korridor

Die Tiroler geben im Güterverkehr den Takt an; in Bayern führt das zu Frust, zum Beispiel bei Katrin Eissler. Die Geschäftsführerin der Spedition Neuner in Mittenwald bezeichnet sich selbst als leidenschaftliche Logistikerin. "Ich wünsche mir nur, dass der Verkehr rollt - egal ob auf der Straße oder auf der Schiene." Allerdings sei der Arlbergtunnel im Südwesten Österreichs, den die Spedition Neuner regelmäßig für ihre Touren in die Schweiz und nach Liechtenstein nutzt, jetzt schon das dritte Jahr in Folge von November bis April geschlossen gewesen - sowohl für Pkw als auch für Lkw, so die Speditionschefin. Für sie im Güterverkehr heiße das: Die Lkw-Touren verlängern sich durch die Umwegkilometer über den Arlbergpass um mindestens eine Stunde. Im Winter werde die Tour wetterbedingt oft noch länger oder gar nicht möglich. Fast noch schlimmer sei es auf der Inntal-Autobahn: "Denn da gibt es die Blockabfertigung, das Dosierpapier, das sektorale Fahrverbot, um nur einige Beispiele zu nennen, wie Tirol da ausbremst", schilderte es Eissler im April auf dem ersten Logistik-Gipfel Tirol des Vereins Netzwerk Logistik (VNL) in Kooperation mit der LKZ Prien GmbH. "Es gibt Tage, vor allem Montage, da steht das ganze Inntal", berichtete die Speditionschefin. Auch weil nicht unterschieden werde zwischen Transit-Verkehr und nationaler Zustellung. Dabei würde es schon helfen, wenn die österreichische Asfinag eine Fahrbahn als Fast Lane für inner-österreichischen Verkehr öffnen würde. Und beim Fernpass in den Tiroler Alpen munkele man ja schon, so Eissler, dass der Güterverkehr ab 3,5 Tonnen in Zukunft gar nicht mehr willkommen sei. Katastrophe für Transporteure Die Spedition Neuner ist kein Einzelfall. Seit Jahren kämpfen deutsche Transporteure und Spediteure mit massiven Auflagen im Italien-Verkehr: Blockabfertigung in Kufstein, sektorales Fahrverbot auf der A 12 Inntal-Autobahn und Lkw-Nachtfahrverbot in Tirol sind nur wenige Beispiele. Seit Januar 2025 wird überdies die Luegbrücke in Tirol saniert und darf nur noch einspurig von Lkw befahren werden. Eine Katastrophe für Transporteure. Denn jeder, der nach Italien will, muss auf die A 12 oder A 13 und damit über die Luegbrücke. Ausweichstrecken für Lkw aus Deutschland kommend gibt es nicht wirklich. Und die Rollende Landstraße von Wörgl/Tirol über den Brenner fällt laut Unternehmern immer wieder mal aus. Wenn Transporteure die Menschen dies- und jenseits der Alpen versorgen wollen, müssen sie also über die Brenner- und Inntal-Autobahn. Pro Jahr sind das 14,5 Millionen Fahrzeuge, davon 2,4 Millionen Lkw. Der Brenner-Basistunnel soll den Verkehrsinfarkt verhindern. Doch bis dieser kommt, dauert es bis 2032. Und der Brenner-Nordzulauf, der bis 2040 fertig werden sollte, steht laut Medienberichten wegen ungeklärter Finanzierung womöglich vor dem Aus, was die Deutsche Bahn bislang dementiert. "Wir brauchen eine verträgliche Mobilität für Menschen, Umwelt und Infrastruktur", hob der Tiroler Verkehrslandesrat René Zumtobel (SPÖ) in seinem Impulsvortrag auf dem Logistik-Gipfel hervor. Das gehe aber nur gemeinsam, betonte er da. "Solange wir uns kabbeln und gegenseitig ausspielen, wird nichts weiter gehen." Jeder müsse dazu beitragen, forderte Zumtobel, dass einerseits der Verkehr fließe und funktioniere. Andererseits müssten die Menschen, die in Tirol leben, mit diesem auch umgehen können. Das Fahrverbot für Lkw mit über 7,5 Tonnen über den Fernpass will Zumtobel deshalb nicht aufheben. Man versuche aber auch, den Verkehr flüssiger zu machen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, etwa durch eine zweite Röhre beim Lermooser Tunnel oder den Bau eines Tunnels unterhalb des Fernpass-Scheitels, an dem es oft zu Verkehrsbehinderungen kommt. Auch am Lkw-Nachtverbot will der Verkehrslandesrat nicht rütteln: "Ich bin im Moment konfrontiert mit einer Klage von Italien gegen Österreich, dass diese Maßnahmen überbordend seien. Und Sie fordern mich dazu auf", sagte er zu den Logistikern gewandt, "dass ich mal zwei Stunden vom Nachtfahrverbot wegnehmen soll?" Ab und zu wünsche er sich da einen Perspektivenwechsel - einen Blick darauf, wie es zum Beispiel der Tiroler Bevölkerung damit gehe. "Es kocht ein wenig in Tirol. Ich will deshalb eine ganze Lösung für alle - insbesondere für die Bevölkerung - mit der dann jeder weiß, bis wann und wo welcher Lkw fahren darf." Die emissionsfreien Fahrzeuge dürften ja ohnehin in der Nacht fahren. Warum heben Sie das Lkw-Nachtfahrverbot nicht auf? Das Nachtfahrverbot für Lkw in Tirol sorgt für viel Unmut. Trotzdem halten Sie daran fest. Warum? Das Nachtfahrverbot ist eine der wesentlichsten Maßnahmen im Bereich des Schwerverkehrs, um die Luftgüte-Werte einzuhalten, die europaweit gelten. Wir setzen diese Maßnahmen also nicht um, um damit jemanden zu ärgern oder um den Verkehr zu behindern, sondern tun dies im Sinne der Gesundheit der Menschen, die hier leben. Und eine Aufhebung des Nachtverbots würde nur dazu führen, dass wir noch mehr Verkehr anziehen und die Stickoxidwerte (NOx-Werte) in der Luft wieder ansteigen. Sie könnten ja das Nachtfahrverbot auch lockern, zum Beispiel um zwei Stunden verkürzen. Tirol, Bayern und Südtirol vereinbarten schon 2024, das Slotsystem umsetzen zu wollen, um so eine planbare Straße zu schaffen. Denn ein solches Slotsystem bringt den Transportbetrieben Planungssicherheit. Ich will ja auch nicht, dass Lkw-Fahrer an der Landesgrenze in Kufstein stundenlang im Stau stehen. Zudem ist mir natürlich als Landesrat in Tirol auch die Planungssicherheit unserer Wirtschaft ein Anliegen. Am Hamburger Hafen funktioniert ein solches Slotsystem perfekt. Warum soll das nicht auch am Brennerkorridor funktionieren? Ganz einfach, weil Italien bislang beim Slotsystem nicht mitmacht. Dann lassen Sie uns zusammentun! Mein Appell an den italienischen Infrastrukturminister Matteo Salvini wäre, seine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) zurückzunehmen und sich mit uns an den Verhandlungstisch zu setzen. Die Politik muss mehr tun Josef Heiß, Geschäftsführer des Raublinger Transportunternehmens BTK, hilft das nicht wirklich: "Wir investieren viel Geld in einen modernen Fuhrpark, auch in emissionsarme Euro 6- und LNG-Lkw. Wir gehen da also alle Wege mit." Trotzdem habe er den Eindruck: "Im alpenquerenden Verkehr wird es immer schlechter. Und das muss man ändern. Da muss auch die Politik mehr tun", machte der Geschäftsführer unmissverständlich klar. Die Politik müsse länderübergreifend wieder mehr miteinander sprechen. Auch wäre es gut, darüber nachzudenken, in der Zwischenzeit das eine oder andere Thema erneut anzupassen - mit Verweis auf eine mögliche Lockerung des Lkw-Nachtfahrverbots. Zumal ja gerade das deutsche Eck, sprich die Verbindung zwischen Rosenheim, Kiefersfelden, Kufstein und Salzburg ein gutes Beispiel dafür sei, dass die Bahn an vielen Stellen eben nicht die Kapazitäten bereitstelle, die es brauche. "Verlagerung auf die Bahn also ja, aber die Kapazität reicht dafür nicht aus", betonte Heiß. Allerdings habe auch Bayern in puncto Brenner-Nordzulauf einiges nachzuholen. Bis dieser stehe, werde es aber dauern. "Die Frage ist, was machen wir bis dahin?", so der BTK-Chef. Slot-System - die Riesen-Chance? Hilft wirklich ein Slot-System weiter, wie Zumtobel meint? "Eine Riesen-Chance", "ein Leuchtturmprojekt" für den europäischen Verkehr sei dieses, sagt der Verkehrslandesrat. Er sei dafür, Kapazitäten planbar zu machen und Spitzen zu glätten, wenn die Straßen stark frequentiert seien, betonte er auf dem Logistik-Gipfel Tirol. Das sei im Übrigen auch im Sinne der Unternehmen. Sein Ziel sei am Brenner-Korridor ein kostenloses digitales System wie im Hamburger-Hafen, in dem jeder seine Kapazitäten einbuchen könne. "Das wäre ein weiterer Schritt hin zu mehr Verlagerung auf die Schiene", so Zumtobel. Klar sei aber: "Solche Verkehrssysteme lassen sich nur gemeinschaftlich schaffen, weil sie dann effizienter sind. Tirol braucht also Verbündete. Wir brauchen Kooperation. Wir brauchen Deutschland und Italien sowie unsere Nachbarregionen Bayern, Südtirol und Trentino." Das Ganze wird wohl noch viele Jahre dauern. Die ungelöste Alpentransit-Problematik brennt aber jetzt. So gesehen war der erste Logistikgipfel Tirol von VNL und LKZ Prien ein erster wichtiger Aufschlag. Viele Schritte müssen noch folgen. Auch seitens der neuen Bundesregierung.