Die Europäische Union hat sich auf eine deutlich entschärfte Fassung des Lieferkettengesetzes geeinigt: Ziel des Gesetzes ist es, weltweit Menschenrechte zu schützen und Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen – doch bevor die Regelungen überhaupt in Kraft treten, werden sie erheblich reduziert, vermeldet die dpa.
Weniger Großunternehmen betroffen
Nach der Einigung zwischen Unterhändlern der EU-Staaten und des Europaparlaments sollen die Vorgaben künftig nur für Unternehmen mit mehr als 5000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro gelten. Ursprünglich waren deutlich niedrigere Schwellen vorgesehen: 1000 Mitarbeitende und 450 Millionen Euro Umsatz. Das Parlament und die EU-Mitgliedsländer müssen die Änderung noch genehmigen, normalerweise sei das aber reine Formsache.
Wegfall der zivilrechtlichen Haftung
Ein weiterer zentraler Punkt: Unternehmen, die gegen die Regeln verstoßen, sollen auf EU-Ebene nicht mehr zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Damit entfällt für Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit, vor europäischen Gerichten zu klagen. Bei Verstößen drohen lediglich Bußgelder von maximal drei Prozent des weltweiten Nettoumsatzes. Außerdem wird die Pflicht zur Erstellung von Klimaschutz-Handlungsplänen gestrichen.
Politische Kontroversen und Forderungen
Die Abschwächung des Gesetzes war das Ergebnis intensiver politischer Auseinandersetzungen. Die konservative EVP-Fraktion im Europaparlament, unterstützt von rechten und rechtsextremen Parteien, hatte den Weg für die Änderungen geebnet. Auch die EU-Mitgliedsstaaten sprachen sich für weniger strenge Vorschriften aus.
CDU-Chef Friedrich Merz ging sogar noch weiter und forderte die vollständige Abschaffung der Richtlinie. Als ein erster Kompromiss scheiterte, bezeichnete Merz dies als «inakzeptabel» und verlangte eine Korrektur.
Ziel und Kritik
Das ursprüngliche Ziel des Lieferkettengesetzes war es, Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen wie Kinder- oder Zwangsarbeit entlang ihrer Lieferketten haftbar zu machen. Die Wirtschaft kritisierte das Vorhaben als zu bürokratisch und schwer umsetzbar.
Die Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen reagierten kritisierten die Einigung. Der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken sprach von einem «schwarzen Tag für Europa», da Menschenrechte und Klimaschutz offenkundig nur noch billige Verhandlungsmasse seien: «Ein Kompromiss mit den demokratischen Kräften des Parlaments wäre möglich gewesen, scheiterte aber an der Erpressungstaktik der Konservativen.» Grünen-Politikerin Anna Cavazzini erklärte: «Die Konservativen im Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten haben heute Nacht den letzten Nagel in den Sarg des EU-Lieferkettengesetzes geschlagen.»