Eine Frage des Paletten-Rechts

Eigentlich ist der Palettentausch gar nicht der Job von Spediteuren oder Frachtführern. Nach dem Gesetz hat Letzterer nur palettierte Ware zu befördern und beim Empfänger abzuliefern. Der Spediteur hat den Transport zu organisieren. "Vom rechtlichen Standpunkt aus ist der Palettentausch erst einmal gar nicht vorgesehen", sagt Rechtsanwalt Hubert Valder vom Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV). 1 Wann besteht überhaupt eine Tauschverpflichtung? Sollen Paletten getauscht werden, bedarf es dazu einer vertraglichen Vereinbarung sowohl auf der Lieferebene (Kaufvertrag) als auch auf der Transportebene (Fracht- oder Speditionsvertrag). Ganz wichtig: Beide Vereinbarungen müssen denselben Inhalt haben. Juristen nennen das: kongruent sein. Auf der Transportebene kann aber auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eine Tauschverpflichtung entstehen: wenn dem Empfänger palettierte Ware übergeben und dafür dem Fahrer ein Palettenschein oder entsprechender Frachtbriefeintrag zurückgegeben wird. Allerdings steht an der Rampe der Fahrer - gewerbliches, nicht kaufmännisches Personal. Der darf keine Verträge abschließen und hat in der Regel auch keine Vollmacht dazu. Wenn der Frachtführer den Fahrer aber gewähren lässt und weiß, dass der so etwas unterschreibt liegt eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht vor und die Vereinbarung über den Palettentausch gilt. Besser: den Tausch ausdrücklich vereinbaren. 2 Welchen Inhalt muss eine Tauschvereinbarung haben? "Paletten sind zu tauschen" als Vermerk auf dem Tranportauftrag, ist aus juristischer Sicht etwas dürftig, "weil die Leistungspflichten nicht ausreichend beschrieben sind", erklärt Valder. Es wird nicht klar, was der Fahrer an der Be- und Entladestelle tun soll. Auf der Kaufvertragsebene ist das noch vergleichsweise einfach: Der Käufer erhält Ware auf Paletten und muss am Ablieferort leere Paletten zurückgeben. Was an der Endladestelle passiert, ist daher bei allen gängigen Tauschverfahren gleich: Es soll Zug um Zug getauscht werden. Was sich an der Beladestelle abspielt, ist in der Praxis dagegen sehr unterschiedlich. Das reicht vom Mitbringen von Leerpaletten zum Beladetermin bis hin zu einer Vorleistungspflicht, bei der vorab vom Spediteur Leerpaletten gestellt werden müssen. Ebenfalls regelungsbedürftig ist der Palettentausch mit Rückführungsverpflichtung oder die Übernahme des Tauschrisikos durch den Spediteur. 3 Wie ist der Palettentausch rechtlich einzuordnen? "Herrschende Auffassung ist, dass es sich um einen Sachdarlehensvertrag handelt", ordnet Valder ein. Beim klassischen Tausch bringt der Frachtführer Leerpaletten mit zum Auftraggeber und gewährt ihm damit ein Darlehen über diese Anzahl von Leerpaletten. Der Warenempfänger ist, wenn er die Leerpaletten an den Frachtführer zurückgibt, Erfüllungsgehilfe des Verladers für den Ausgleich des Darlehens. Somit bildet das Sachdarlehensrecht die Grundlage für Paletten-Fragen. 4 Was passiert, wenn der Empfänger keine Tauschpaletten stellt? Zwischen Empfänger und Spediteur beziehungsweise Frachtführer gibt es keine vertraglichen Beziehungen. Der Frachtvertrag ist ein Vertrag zugunsten eines Dritten, des Empfängers, aber nicht zu dessen Lasten: Darin kann kein Dritter, der Empfänger, zum Überlassen von Leerpaletten verpflichtet werden. Soll der Empfänger verpflichtet werden, muss dies über den Kaufvertrag erfolgen. Im Kleingedruckten festgelegte Palettenklausen, so Valder, unterliegen der AGB-Kontrolle. Die untersagt, dass dem Frachtführer ohne nachweislich angemessene Vergütung im Kleingedruckten das Risiko aufgebürdet wird, überhaupt Paletten zu bekommen (Tauschrisiko). So eine Klausel ist unwirksam. 5 Was passiert, wenn die Tauschqualität nicht eingehalten wird? Wenn es zur Palettenqualität keine vertraglichen Regelungen gibt, greift das Gesetz. Danach wird eine Palette mittlerer Art und Güte geschuldet (Paragraf 243 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Das ist eine Palette, die als Mehrwegtransportverpackung eingesetzt werden kann, also gebrauchsfähig ist. Das ist nach den Kriterien der Standardisierungsorganisation GS1-Germany die Qualitätsklasse C. Diese Qualität reicht auch dann, wenn der Verlader neue oder neuwertige Paletten in Umlauf bringt. 6 Was ändert der Einsatz von Palettendienstleistern? Mit dem Einsatz von Palettendienstleistern ändert sich häufig der Ort des Palettentauschs, weg von der Be- oder Entladestelle. Der Dienstleister ist dabei Erfüllungsgehilfe des Empfängers. Ist nichts anderes vertraglich vereinbart, schuldet der Empfänger die Palettenrückgabe am Ablieferungsort und nicht ein paar Kilometer weiter am Firmensitz des Dienstleisters. Weicht der Empfänger davon ab, verletzt er den Vertrag und könnte grundsätzlich mit den daraus entstehenden Mehrkosten belastet werden, so DSLV-Experte Valder. Zudem gebe es keine Anspruchsgrundlage für den Dienstleister, für eine gebündelte Bereitstellung oder Verladung eine Gebühr zu erheben. Allerdings schuldet auch der Dienstleister nur gebrauchsfähige C-Paletten. Wird eine bessere Qualität verlangt, sei dafür eine Vergütung in Ordnung. 7 Wie steht es um die Vergütung des Palettentauschs? Wenn der Palettentausch im Frachtvertrag vereinbart ist, dann ist er in der Regel auch mit der Fracht abgegolten. Wird aber zum Beispiel auf einen Palettendienstleister umgestellt, dann gibt es eine gesetzliche Grundlage (Paragraf 354 Handelsgesetzbuch (HGB)), eventuelle Mehrkosten dem Auftraggeber in Rechnung zu stellen, denn er ist der Vertragspartner und nicht der Empfänger. 8 Wie lange lassen sich Paletten-Forderungen durchsetzen? "Das ist in der Rechtsprechung bis heute nicht geklärt", so Valder. Der Jurist sieht die frachtrechtliche Verjährungsfrist von einem Jahr als maßgeblich an. Valder begründet dies mit der engen Verknüpfung von Frachtgeschäft und Palettentausch. Er sei sich aber nicht sicher, ob der Bundesgerichtshof das genauso sehe. Dieser könnte das auch als selbstständige Nebenleistung mit dann dreijähriger Verjährungsfrist sehen. 9 Lassen sich Paletten- mit Frachtforderungen verrechnen? Eine alltägliche Praxis, die Valder auch "kaufmännisch nachvollziehen" kann, "rechtlich geht das nicht ohne Weiteres". Der Grund: Die Frachtforderung ist eine Geldschuld, die Palettenschuld eine Sachschuld, denn es werden die Paletten und kein Geldbetrag geschuldet. Für die Aufrechnung der Schulden muss die Sachschuld in eine Geldschuld verwandelt werden. Dazu muss der Gläubiger eine Frist setzen, bis wann die Paletten zurückgeliefert sein müssen. Wenn die abläuft, entsteht ein Schadensersatzanspruch wegen Nicht-Rückgabe - eine Geldforderung, die verrechnet werden kann. Diese besondere Fristsetzung kann nicht pauschal in das Kleingedruckte des Transportauftrages aufgenommen werden. Die andere Möglichkeit, zu einer solchen Aufrechnungslage zu kommen, ist, gleich vorab zu vereinbaren, dass alles in Geld ausgeglichen wird. 10 In welcher Höhe kann die Palettenforderung beziffert werden? Geschuldet wird die Rückgabe einer gebrauchsfähigen Palette. Bei der Berechnung von beispielsweise Schadensersatz kann daher nicht der Neuwert, sondern nur der Zeitwert in Rechnung gestellt werden. Ist der Auslöser eine Vertragsverletzung, können eventuelle Mahnkosten zusätzlich berücksichtigt werden.