Die Roboter kommen

Industrieroboter haben in den letzten Jahren einen rasanten Siegeszug hingelegt: So hat sich die Zahl der global installierten Einheiten innerhalb von zehn Jahren bis 2019 auf 381.000 pro Jahr mehr als verdreifacht, meldete unlängst die International Federation of Robotics. Nachdem sich Roboter in der Produktion also schon weitgehend etabliert haben, halten sie zunehmend auch Einzug in die Logistik. "Wir sehen bei AGVs ein Riesenwachstum", so Werner Kraus, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, das Ende Februar zum ganztägigen Online-Seminar "Roboter im Warenlager" lud. Starkes Wachstum bei AGVs Demnach lag die weltweite Anzahl der neu installierten AGVs (Automated Guided Vehicle = Fahrerloses Transportfahrzeug) 2019 bereits bei 75.000 Stück, 42 Prozent mehr als im Vorjahr. Ebenfalls auf dem Vormarsch seien sogenannte Cobots -Roboter, die mit dem Menschen gemeinsam arbeiten - von denen 2019 18.000 (plus elf Prozent) installiert waren. Der Robotik attestiert der Fraunhofer-Experte also großes Potenzial - was macht die Verbreitung im Lager dann noch so schwierig? "Die Hardwarekosten sind eigentlich relativ überschaubar. Der große Schrecken kommt meistens dann, wenn man auf die Inbetriebnahmekosten schaut", so Kraus. Komponenten wie Roboter und Laserscanner machten demnach 55 Prozent des Invests aus - das bedeutet, das fast die Hälfte in die Systemintegration fließt. Dazu gehören unter anderem Programmierung, Auswählen und Überführen von Komponenten mehrerer Hersteller in ein System und die Sicherheitsabnahme. Die Systemintegration verhagele daher regelmäßig ganze Business-Cases. Um dem entgegenzutreten, wurde am Fraunhofer IPO SeRo-Net geschaffen, eine Markt- und Vermittlungsplattform für standardisierte Komponenten. Das funktioniere wie ein Baukastensystem, sagt Kraus: "Statt aufwendiger Programmierung erfolgt eine Komposition und damit bin ich schneller und günstiger unterwegs". Das SeRoNet-Konzept soll über das Start-up Toolify Robotics jetzt in die Kommerzialisierung überführt werden. Das Angebot ist riesig Von den unzähligen Einsatzszenarien im Lager und der entsprechend unübersichtlichen Produktvielfalt kann auch Victor Splittgerber ein Lied singen. Er hat in seiner Zeit als Teamleader Logistics Innovation beim Onlinehändler Zalando eine Menge Erfahrung mit Roboter-Systemen gesammelt und 2019 schließlich Waku Robotics gegründet. Das Dresdner Startup berät Unternehmen herstellerunabhängig zu Automatisierung und Robotik und betreibt mit Lotsofbots.com die nach eigenen Angaben umfangreichste Vergleichsplattform für mobile Roboter. Dort sind mittlerweile bereits über 160 verschiedene Roboter gelistet. Auch die Beschaffung, sei es via Kauf oder Miete, sowie die Integration erfolgt über Waku Robotics. Das Angebot also ist da - am Ende müssen Roboter aber eben sinnvoll und vor allem wirtschaftlich eingesetzt werden. Vor welchen Fragen und auch Grenzen Betreiber von Logistikzentren konkret stehen, die in Automatisierung und Roboter investieren möchten, weiß Friedrich-Wilhelm Düsing von Metroplan. Die aktuelle Ausgangslage sei dabei glasklar: "Lagerlogistik ohne signifikante Automatisierung wird in naher Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein!" Düsing verweist dabei auf den E-Commerce, der durch den Corona-Effekt auch künftig stark wachsen werde. "Für Logistiker bedeutet das: Durch immer kleinere Auftragsstrukturen und eine kleinteiligere Kommissionierung steigen die logistischen Anforderungen". Viele Faktoren in der Kostenrechnung Eine wesentliche Rolle bei der Automatisierung werden mobile Roboter spielen, ist sich auch Düsing sicher. Sowohl klassische AGVs wie auch automatisierte Gabelstapler seien gut für Transportaufgaben über lange Strecken. "Was sich sehr gut automatisieren lässt, sind Schmalganglager. Bei hohen Anforderungen muss man aber im Detail auf die Wirtschaftlichkeit schauen, denn die Leistungsfähigkeit liegt hier nur bei etwa 70 Prozent im Vergleich zu Standardgeräten." Als weitere Faktoren in der Kostenrechnung führt Düsing die höheren Anforderungen an das Lagerlayout und die Sicherheitsanforderungen beim Mischbetrieb mit nicht-automatisierten Fahrzeugen an. Dennoch rechnet er bis 2023 mit einer Vervierfachung der mobilen Ware-zur-Person-Systemen (WZP). Als Erfolgsgeschichte der letzten Jahre führt Düsing WZP-Robotersysteme wie Autostore an. "Das hat den Vorteil der extrem hohen Lagerdichte und einer hohen Skalierbarkeit der Roboter." Die Königsdisziplin seien jedoch Pick-Roboter, erst recht in Kombination mit WZP-Systemen. Königsdisziplin Pick-Roboter Vor welchen Herausforderungen Pick-Roboter aus Bildverarbeitungs- und Greifersicht liegen, bringt Michael Suppa, Geschäftsführer Roboception, auf den Punkt: "Im Gegensatz zur Produktion arbeitet man nicht über einen längeren Zeitraum mit einem Objekt, sondern hat mit einem sich ständig ändernden Warensortiment zu tun". Die DLR-Ausgründung aus München stellt Softwareprodukte im Bereich der Echtzeitwahrnehmung für Robotersysteme her. Bei vielen Kommissionieraufgaben sind die Objekte zwar sortenrein. "Allerdings haben wir häufig mit unbekannten Objekten zu tun, weil keine Objektinformationen vorliegen", so Suppa. Um diese Herausforderungen zu lösen und ein fehlerfreies Picken zu ermöglichen, hat Roboception eine Plug-and-Play Lösung für maschinelles Sehen entwickelt. Gemeinsam mit dem Sauggreifer-Spezialisten Schmalz etwa wurde ein Paket entwickelt, das aus Stereo-Kamera, Greifer und Software besteht und in wenigen Stunden einsatzbereit sein soll. Mehr zum Thema finden Sie unter #Lagertechnik www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Für die gehobene Lagerautomatisierung, sei es mit AGVs, Ware-zur-Person-Systemen oder gar Pick-Robotern, gibt es unzählige Einsatzszenarien. Gleichzeitig stehen automatisierungswillige Anwender vor vielen Herausforderungen, etwa die zahlreichen Faktoren in der Kostenrechnung im Blick zu behalten.

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