Die Herausforderungen meistern

Haben Sie Erfahrung als Krisenmanager? Ich hatte in meiner beruflichen Laufbahn viele Probleme zu lösen. Warum fragen sie? Sie haben den BGL in einer schwierigen Lage übernommen - sinkende Mitgliederzahl, Landesverbände drohten mit dem Austritt. Aber wir haben keine Krise. Wir stehen vor Herausforderungen. Alle Verbände kämpfen mit diesen Problemen. Der BGL hat alle Möglichkeiten, und ich bin sicher, dass wir die Herausforderungen meistern. Erste Ansätze sind gemacht, wir werden unser Produktportfolio erweitern und führen Gespräche mit den entsprechenden Landesverbänden. Ich will den BGL neu ausrichten und für die Zukunft fit machen. Dass das nicht leicht wird, ist unumstritten. Wie steht es mit Sachsen? Sachsen hat definitiv davon Abstand genommen auszutreten und bleibt nach jetzigem Kenntnisstand Mitglied im BGL. Und Schleswig-Holstein? Dr. Rackow und ich haben uns zum ersten Mal getroffen. Wir führen weitere Gespräche und werden sehen, wohin sie führen. Ihre Prognose? Wir müssen mit seinem Präsidium die einzelnen Bausteine aufarbeiten. Im nächsten Interview kann ich konkreter werden. Wir dachten, die Wahlprüfsteine machen alle Verbände zusammen? Der Schulterschluss besteht. Aber das Präsidium des DSLV hat sich entschieden, eigene Wahlprüfsteine herauszugeben - mit der Argumentation, die Aspekte Seefracht, Luftfracht, Eisenbahnverkehr stärker aus Spediteurssicht zu beleuchten. Nichtsdestotrotz herrscht mit AMÖ und BWVL Übereinstimmung. Aber ein Dreierpapier herauszugeben wäre unseres Erachtens das falsche Signal gewesen. So kommt bei der Politik an, dass jeder Verband sein eigenes Süppchen kocht. Das mag so ankommen. Auf der anderen Seite haben wir unterschiedliche Interessenslagen. Das heißt nicht, dass wir nicht in zukünftigen Bereichen versuchen einen Konsens herzustellen. Die Entscheidung des DSLV-Präsidiums akzeptieren wir. Wie sieht es mit den Mitgliederzahlen aus? Tatsächlich haben wir neue Mitglieder. Wir sind erst wenige Wochen vertrieblich aktiv. Das sind kleine und mittelständische Transportlogistik-Dienstleister, aber auch große Genossenschaften. Genossenschaften sind doch BWVL-Klientel? In dem Fall nicht. Die betreiben keinen Werkverkehr, sondern setzen Transportdienstleister ein. Da geht es Richtung Speditionssoftware, Telematik, Tankkarten, was wiederum bei der SVG angesiedelt ist, mit denen wir im Schulterschluss agieren. Genossenschaften, die mit Speditionsunternehmern arbeiten? Ja, die sind fest da angedockt - quasi wie ein eigener Fuhrpark. Die möchten im Verband direkt Mitglied werden. Auch da wird es in Zukunft Gespräche mit dem BWVL geben. Wir wollen keine Fronten aufbauen, sondern kooperieren. Wenn das klassische Unternehmen sind, die zum BWVL gehören, werden wir sie auch an den BWVL weiterleiten. Sie wollten Ihr Produktportfolio erweitern. Können Sie konkreter werden? Wir werden zusammen mit der SVG und den Landesverbänden Produkte entwickeln. Da kann es um erweiterte Schulungs- oder Seminarangebote gehen, den Bereich Speditionssoftware, um ECMR, um juristische Dienstleistungen. Sie wollen also stärker mit Partner- und Tochter-Organisationen kooperieren? Wenn man viele Jahre in Wirtschaftsunternehmen gearbeitet hat, geht man Dinge mit einer anderen Sichtweise an. Das heißt aber nicht, dass wir eine Revolution machen. Es wird nichts radikal auf den Kopf gestellt. Wie viele Mitglieder wird der BGL 2020 haben? Das sollte in Richtung 8000 gehen. Ob das alles Transportdienstleister sind, sei dahingestellt. Wir werden den internationalen Austausch mit anderen BGL Schwesterverbänden stärker forcieren. Sie wollen in fremden Gewässern fischen? Nein, wir werden das gemeinsam mit der IRU machen. Die IRU - das wissen Sie - wird ihr Produktportfolio auch erweitern, wegen des aktuell rückläufigen Carnet TIR-Verfahrens. Da gibt es einen engen Austausch in alle Richtungen. Polnische Unternehmen könnten dann Mitglied sein im ZMPD und im BGL? Nein, aber der ZMPD und der BGL können vielleicht gemeinsam Dienstleistungen entwickeln sowie Mehrwert bieten und damit die Verbandswahrnehmung in Summe steigern. Aber bei Themen wie Sozialdumping besteht doch ein Interessenskonflikt. Man muss ja nicht, nur weil man in ein oder zwei Punkten einen Dissens hat, grundsätzlich eine Zusammenarbeit ausschließen. Echte europäische Rundläufe wären eine Möglichkeit, wo der Mindestlohn nicht zur Anwendung kommt. Eine Lösung, mit der alle Parteien leben können, die aber vor allen Dingen praktikabel ist und nicht zu 27 Einzellösungen führt. Das setzt voraus, dass man Partner hat, die genauso denken. Nur weil etwas schwierig ist, darf man es nicht gleich ad acta legen. Dass da viele Projekte sein werden, wo wir nicht zum Erfolg kommen, ist mir bewusst. Aber versuchen werden wir es trotzdem. Thema Lkw-Kartell. Wie viele Unternehmen haben sich Ihrer Klage angeschlossen? Wir sind derzeit jenseits der 14.000 Fahrzeuge, das werden jeden Tag ein paar mehr. Ich hatte am Freitag einen Anruf von der AMÖ, dass sie auch unsere Lösung empfehlen. Ich denke, dass wir auf 20.000 Lkw kommen, vielleicht auch 25.000. Und es können sich auch Nicht-BGL- Mitglieder anschließen. Richtig. Wir haben auch schon neue Mitglieder gewinnen können, weil das die kostengünstigere Variante ist. Wie lange geht dieser juristische Prozess? Das haben wir nicht in der Hand, das wäre ein Blick in die Glaskugel. Ob die Kläger Geld bekommen, ist erst recht nicht absehbar? Denken Sie ans Telekom-Kartell. Professor Schmidt hat immer gesagt, der, der die Klage eingereicht hat, lebt heute nicht mehr. Und wenn am Ende nichts herauskommt? Dem BGL wurde anfangs der Vorwurf gemacht, wir wären nicht aktiv. Der BGL war aktiv und hat darauf hingewiesen, dass die Mitgliedsunternehmen abwarten sollen. Wir suchten nach einer gebührenfreien Lösung, bei der die Unternehmen nicht ins Risiko gehen müssen. Diese Lösung haben wir gefunden. Im schlimmsten Fall hätten die Unternehmen die Fahrzeuge umsonst gemeldet. Also man kann nicht verlieren. ... allenfalls gewinnen! So wird das auch unsererseits kommuniziert. Wir sagen nicht: Sie kriegen bis zu 20 Prozent des Kaufpreises zurück. Wir weisen darauf hin, dass es ein langwieriges Verfahren mit offenem Ausgang ist. Aber es gibt kein Risiko. Streben Sie mit anderen Verkehrsverbänden eine stärkere Zusammenarbeit an? Ganz sicher! Demnächst gibt es einen Termin mit Allianz Pro Schiene zwischen Herrn Flege und mir. Wir brauchen alle Verkehrsmittel, um die prognostizierten Transportmengen bewältigen zu können, und müssen stärker kooperieren. Wenn Sie sich an unser Gespräch nach der wunderschönen VR-Gala erinnern, hatte der Kollege vom Binnenschifffahrtsverband gesagt: Er ist immer betroffen, er braucht den Lkw im Vor- oder Nachlauf. Deswegen brauchen wir gemeinsame Lösungen. Ist man da nicht enttäuscht, wenn Herr Flege, mit dem man bei dem Termin um gemeinsame Ansätze gerungen hat, plötzlich Klage gegen den Lang-Lkw erhebt? Das wird das Gespräch zeigen. Herr Flege und ich haben uns hier bei der Verkehrs-Rundschau kennengelernt und außer einem 'Guten Tag' und 'Wir sollten mal miteinander reden' kaum etwas gesprochen. Aber wir werden sehr offen alle Probleme ansprechen. Es gab vor über 20 Jahren mal die Vorstellung vom gemeinsamen Haus des Güterverkehrs in Berlin. Wie sieht es damit aus? Man soll ja nie nie sagen. Gespräche gibt es, wir sind mit Sicherheit nicht zugeknöpft wenn' s Sinn macht. Aber die Position des BGL darf nicht verwässert werden. Wie stehen Sie zum Thema Verbringung der regelmäßigen Wochenruhezeit im Lkw? Wir sind dann zufrieden, wenn es eine Basis der Kontrolle gibt. So lange das BAG nur 200 Kontrollbeamte hat, können wir viele Gesetze schreiben. Was halten Sie von der Regelung generell? Mit einem Zweiwochen-Turnus ließen sich die meisten Verkehre abbilden. Heute sind doch fast alle bestrebt, ihre Fahrer nach einem gewissen Zeitraum wieder zu Hause zu haben. Sonst hätten sie bald keine Fahrer mehr, weil keiner vier Wochen im Lkw wohnen will. Aber es gibt durchaus deutsche Unternehmen, die ausländische Fahrer einsetzen, die nicht ganz so anspruchsvoll sind. Auch da gibt es eine klare Position des BGL: zwei verkürzte Wochenruhezeiten und dann eine regelmäßige am Heimatstandort - sprich, der Fahrer wäre drei Wochen unterwegs und dann zu Hause bei der Familie. Damit kann man relativ weite Distanzen überbrücken und muss nicht unbedingt aus Spanien zurückfliegen. Ist die EU solchen Forderungen gegenüber offen? Das wird sich zeigen. Die Einladung zum Gespräch vor der EU-Kommission kam am Freitag. Da kann ich Ihnen hoffentlich beim nächsten Interview mehr dazu sagen. Zurück zur Ist-Situation. Wie hoch müsste das BAG die Zahl der Kontrollbeamten aufstocken? So, dass wir in Zukunft eine höhere Kontrollrate hinbekämen. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Jedes EU-Land kocht sein eigenes Süppchen. Wie kann der BGL gegen so einen 'Multi-Kulti-Flickenteppich' ansteuern? Der BGL sucht - und das schon unter Professor Schmidt - den Schulterschluss mit den Ost- wie auch den Westverbänden. Da gab es zum Beispiel ein Gespräch in Prag. Daraus resultierte die Überlegung der europäischen Rundläufe. Vielleicht finden wir eine Zwischenlösung, die verhindert, dass wir 27 Einzellösungen haben. Deswegen auch ganz klar die Forderung des BGL: Weg von diesen Individuallösungen! Heißt das, dass Sie auch in Brüssel stärker aktiv werden? Ich habe nicht das Gefühl, dass mein Vorgänger in Brüssel inaktiv war. Wir werden das weiter forcieren und haben ein Büro in Brüssel - und damit als einer der wenigen Verbände eine ständige Vertretung. Zum Thema Rampe gibt es jetzt einen Arbeitskreis. Tut die verladende Wirtschaft immer noch zu wenig? Es geht nicht nur um die zügige Abfertigung. Wir brauchen einen Mindestsozialstandard, dass ein vernünftiger Umgang mit den Fahrern geregelt ist. Wir wollen dafür eintreten, dass die Abfertigung in einem gewissen zeitlichen Rahmen vonstattengeht. Das eine ist der wirtschaftliche Aspekt, das andere ist der Aspekt, den Beruf des Fahrers ein Stück weit attraktiver zu machen. Welcher dieser beiden Aspekte ist Ihnen letztlich wichtiger? Mir ist beides gleich wichtig. Der Fahrermangel wird jetzt wirklich greifbar. Bei unserem Treffen in Prag haben selbst die Kollegen aus Polen und der Tschechischen Republik berichtet, dass sie keine Fahrer mehr haben. Wir kommen gar nicht umhin, über Fahrer nachzudenken und dort in kleinen Schritten zu versuchen, das Berufsbild zu stärken. Autonomes Fahren und Platooning werden uns nicht retten. Kann die Politik da etwas machen? Was die Situation an der Rampe angeht, kann die Politik klare Regelungen erlassen. Etwa eine gesetzlich geregelte Möglichkeit zum Zugang zu sanitären Anlagen. Ist das nicht naiv? Da machen doch die Aldis und Lidls dieser Welt die Regeln. Natürlich weiß ich, dass das auch ein Kampf gegen Windmühlen werden kann. Aber man muss es immer wieder probieren. Mittlerweile hat auch bei den großen Unternehmen der verladenden Wirtschaft ein Umdenken eingesetzt. Fahrermangel und Versorgungssicherheit muss man irgendwie zusammenbringen. Welche Folgen hätte die Sperrung der Innenstädte denn für Ihre Mitgliedsunternehmen? Das hätte natürlich Auswirkungen, aber wir sehen uns da nicht als Betroffener. Da hätten die Städte das Problem. Wir sind nicht gegen Lastenfahrrad, Elektro-Transporter oder Gas-Lkw. Ich bin davon überzeugt, dass wir zukünftig andere Konzepte für die Innenstadt-Belieferung haben werden. Aber Lastenfahrräder allein werden das Problem nicht lösen. Die deutsche Transportwirtschaft verschließt sich nicht alternativen Antrieben. Wir hängen nicht am Diesel. Aber das Ganze muss wirtschaftlich darstellbar sein. Gibt es eine Technik, die Sie derzeit präferieren würden? Nein, denn es wird ein Technologie-Mix sein. Am Ende des Tages werden der Markt und der Druck der Verbraucher das regeln. Das heißt ja nicht, dass wir tatenlos zusehen. Hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt mit seinem Investitionshochlauf genug getan? Wir begrüßen den Investitionshochlauf. Natürlich wollen wir Zweckbindung der entsprechenden Mittel an die Straße. Und wir müssen weiter investieren, um die Infrastruktur weiter aufrechtzuerhalten. Es gibt Prognosen der Weltbank, die einen sehr starken Zuwachs bei den Asien- und Europaverkehren prognostizieren. Wir brauchen also Lösungen für eine funktionierende Infrastruktur. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Straße bei rund 70 Prozent Anteil bleiben wird. Ist die zentrale Autobahngesellschaft der richtige Schritt? Das wird sich zeigen. Der BGL begrüßt die Infrastruktur-Gesellschaft grundsätzlich - wenn sie so ausgestaltet ist, dass sie wirtschaftlich agieren kann und die Planungskapazitäten auch wirklich hochgefahren werden können. Was hält der BGL von der angedachten Staffelung der Bundestraßenmaut? Da hat der BGL klar Stellung bezogen: Wir brauchen einheitliche Mautsätze, sonst kann es sein, dass strukturschwache Regionen noch stärker benachteiligt werden. Adalbert Wandt will bei den anstehenden Präsidialwahlen wieder antreten. Sind Sie beide ein Erfolgs-Duo für die Zukunft? Ganz klare Antwort: Ich arbeite sehr freundschaftlich und vertrauensvoll mit Adalbert Wandt und dem gesamten Präsidium zusammen! Von meiner Seite gibt es überhaupt keine Anforderungen, dass sich im Präsidium irgendetwas ändert. Welcher Job ist anspruchsvoller - Ihr alter oder der neue? Ich glaube - und das soll keine schwammige Antwort sein - beide Jobs haben ihre Herausforderung. Das Neue ist ganz anders, es ist beides interessant. Ich bereue den Schritt nicht und freue mich über meine Arbeit beim BGL. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier BGL www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita Dirk Engelhardt Dirk Engelhardt (44) ist seit 1. Januar 2017 Hauptgeschäftsführer des BGL. Schon während Schul- und Studienzeit fuhr er Lkw und Stapler. Nach dem Studium an der Justus-Liebig-Universität Gießen zum Diplom-Agraringenieur baute er zunächst ein Fuhrparkmanagement-System auf. Seine Tätigkeit für ein genossenschaftliches Unternehmen führte ihn an die Spitze des Geschäftsbereichs Logistik/Fuhrpark. Im Jahr 2000 promovierte er zum Doktor der Agrarwissenschaften, drei Jahre später habilitierte er sich ebenfalls an der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dr. habil. der Agrarwissenschaften. Seine Berufung als Professor für Logistik an der Steinbeis-Hochschule in Berlin erfolgte im Jahr 2009.gg Daten & Fakten Der BGL Hervorgegangen aus der Arbeitsgemeinschaft Fernverkehr (AGF, später BDF) und nach Fusion mit dem Nahverkehrsverband (BDN) gibt der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) dem Straßengüterverkehr eine Stimme. Mit starkem Bezug zum Mittelstand vertritt er die Interessen der Mitglieder gegenüber der Politik. Aktuell hat der Verband rund 7000 Mitglieder, organisiert in Landesverbänden sowie mehrere hundert Unternehmer in Ausschüssen, Arbeitskreisen und den Gewerbegremien. gg

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