Die Bahn schöpft ihr Potenzial nicht aus

Das vergangene Jahr war für die Transport- und Logistikbranche ein gutes Jahr, für die meisten Unternehmen sogar ein ausgezeichnetes. Die Auftragsbücher voll wie nie, dazu wenn auch nur langsam steigende Frachtraten: Da kann man sich nicht beklagen. "2017 war ein Jahr mit vielen Herausforderungen. Anders ausgedrückt: Für die Papiertransporte war es eine Katastrophe." Diese Aussage von Stephan Sulser, Leiter Vertrieb Consumer Goods, Pulp & Paper bei der DB Cargo, ist bezeichnend für den Schienengüterverkehr. Trotz guter Rahmenbedingungen läuft es bei DB Cargo nicht rund. Wobei die Aussage Sulsers durchaus nachvollziehbar ist. DB schießt ein Eigentor Denn von einer guten Nachfrage und Frachtraumengpässe beim Konkurrenten Lkw hat die Bahn nicht profitieren können. Mit der Unterbrechung der Bahnlinie bei Rastatt hat sie sogar ein Eigentor geschossen, dass vor allem Sulser und seinem Geschäft so richtig wehgetan hat. Denn viele seiner Kunden sitzen in Baden-Württemberg und waren daher stark betroffen. "Rastatt hätte überall passieren dürfen - nur nicht in Rastatt", sagte er. Doch trotz aller Probleme auf dem Schienennetz, trotz vieler Sperrungen wegen Stürmen: Der Wunsch, Transporte per Bahn zu befördern, ist nach wie vor groß. Das wurde auf dem 11. Forum Schienengüterverkehr deutlich, das der Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) in der vergangenen Woche ausgerichtet haben. Viele Verlader wünschen sich eine leistungsfähige Bahn und würden gerne ihre Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern, wie das Beispiel der Papierfabrik Rosenthal (siehe Kasten Seite 23) zeigt. Das Unternehmen ist nicht das einzige mit einer Vorliebe für die Bahn. So will der Hafen Antwerpen den Anteil am Modal Split von derzeit acht Prozent auf 20 Prozent im Jahr 2030 anheben, wie Elmar Ockenfels, Repräsentant des Hafens Antwerpen, verkündete. Joachim Thonagel, Director Distribution bei der Papierfabrik UPM Sales, sieht ebenfalls ein größeres Potenzial für die Schiene in der Papierindustrie. Dazu müsste es jedoch mehr Inlandslager mit Schienenanbindung geben, wo man die Ware umschlagen könnte, da viele Abnehmer der Papierhersteller über keinen Gleisanschluss verfügen würden und Direktverkehre daher nicht möglich seien. Und auch Bert Kloppert, Leiter Transport/Logistik bei Thyssenkrupp Steel Europe, gab ein klares Bekenntnis für den Schienengüterverkehr ab: "Bei der Belieferung unserer Produktionsstandorte ist die Bahn der wichtigste Verkehrsträger. Ohne das Gleisnetz wären wir nicht in der Lage, Stahl so zu produzieren, wie wir es tun." "Papier ist geduldig - wir nicht" Deutliche Bekenntnisse pro Bahn, und dennoch hat der Verkehrsträger allergrößte Mühe, mit dem Lkw Schritt zu halten - von einer Verlagerung gar nicht zu reden. Die Kunden aus der Papierindustrie machten deutlich, was nicht passieren darf: "Papier ist geduldig. Wir als Ihre Bahnkunden sind es nicht", lautete die Botschaft Thonagels gerichtet an die im Saal zahlreich vertretenen Bahnmanager. Sein dringendster Appell neben einer entsprechenden Infrastruktur: eine bessere Kommunikation. "Wir brauchen die ETA", lautete seine Forderung, also die Estimated Time of Arrival (verbindliche Ankunftszeit) der Züge. Nur so könne in den Werken besser geplant und Stillstandzeiten vermieden und damit die begehrten Waggonkapazitäten besser genutzt werden. "Dazu muss das Track and Tracing verbessert werden", lautet seine Forderung. Kloppert sieht auch die Politik gefordert: "Immer wieder eine Verlagerung des Schienengüterverkehrs zu fordern, aber dann nicht entsprechende Rahmenbedingungen zu gestalten, das funktioniert nicht", sagte Kloppert. So lautet eine permanente Forderung ein Gleisanschluss für Industrie- und Handelsunternehmen. Der scheitert jedoch häufig an der Finanzierung, weshalb hier die öffentliche Hand unterstützend wirken könnte. Wobei es auch nicht so ist, dass der Staat völlig tatenlos dasitzt und zuguckt. So hat der ehemalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt 2017 versprochen, mit dem nächsten Haushalt 2018 350 Millionen Euro für die Senkung der Trassenpreise zur Verfügung zu stellen. "Das ist Fluch und Segen zugleich, wenn man Geld bekommt", sagte Thomas Schaffer, Vorstand Vertrieb und Fahrplan bei DB Netz. Denn jetzt müssten alle Beteiligten auch zeigen, dass eine solche Unterstützung wirkt, mahnte er. Ansonsten werde dieses Geld schnell wieder einkassiert. Als eine Maßnahme mit einem hohen Wirkungsgrad sieht er die Ausrichtung des Netzes auf 740 Meter lange Güterzüge an. Damit könne man mit verhältnismäßig wenig Geld viele neue Kapazitäten schaffen. Auf die Frage, wann denn die dafür notwendigen Baumaßnahmen (Verlängerung der Abstellgleise etc.) abgeschlossen seien, legte er sich nicht genau fest: "Mitte der 20er-Jahre könnte es so weit sein." Schaffer beklagte zwei Nachteile, die generell mit Bautätigkeiten im Bahnnetz verbunden sind. "Die Umsetzung der Projekte dauert viel zu lange", sprach er den meisten Zuhörern aus der Seele. Die Planung der Bauvorhaben müsse deutlich beschleunigt werden. Das zweite Manko: "Wir bauen immer im Bestandsnetz. Wir reduzieren damit die Kapazitäten genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich unbedingt benötigt werden", sagte Schaffer - sicher auch deshalb, um Kapazitätsengpässe und daraus resultierende Verspätungen zu erklären. Gefragt wurde Schaffer auch, wie es um den dreigleisigen Ausbau der Schienenstrecke zwischen Oberhausen und Emmerich stehe, an dem bereits mehrere Jahre herumgedoktert wird und der als Anbindung für die Betuwe-Linie und damit für den Hafen Rotterdam von großer Bedeutung ist. "Das ist schwer zu sagen", antwortete er. Aber: Den ursprünglichen Zeitplan werde man nicht einhalten können. Derzeit sei man mit der Feuerwehr in der Diskussion, wie man den Zugang zur Strecke gewährleisten kann. Da fühlt man sich an die Debatte um den neuen Flughafen Berlin (BER) erinnert, dessen Eröffnung nicht zuletzt aufgrund von Brandschutzmaßnahmen immer wieder verschoben wurde. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier "Rail Cargo" www.verkehrsrundschau.de/dossiers Güterverkehr der Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal "Wir brauchen beides: leistungsfähige Bahn und Lkw" Leonhard Nossol ist Geschäftsführer der Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal in Blankenstein. Das Unternehmen befördert schienenaffine Güter, weshalb seine erste Frage an Neukunden immer lautet:"Wie ist die Transportanbindung?"Nossol hat in den letzten Jahren die Verkehrsströme stark auf die Bahn ausgerichtet. "Der Anteil der Bahn beim Zellstofftransport bezogen auf die Tonnage ist ex Blankenstein von 19,2 Prozent im Jahr 2000 auf 86,8 Prozent im Jahr 2016 gestiegen", konnte Nossol aufzeigen, dass eine Verlagerung gelingen kann.Chancen sieht er derzeit für die Bahn aufgrund der Probleme im Lkw-Transport wie Fahrermangel, zunehmende Regulierung und die Ausweitung der Maut auf Bundesstraßen."Aber als Verlader brauche ich beides: eine leistungsfähige Bahn und einen leistungsfähigen Lkw", zeigt er sich über diesen Trend nur bedingt glücklich.Seit Jahren kämpft er für den Bau einer sechs Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Blankenstein und Marxgrün. Doch die Verbindung fehlt, sodass der kürzeste Weg per Bahn zwischen der Holzfabrik im tschechischen As bis nach Blankenstein 276 km beträgt. Deshalb wird das Holz per Lkw auf der 64 km langen Strecke transportiert. Gäbe es die sechs Kilometer Gleis, würde die Zugstrecke nur noch 62 km betragen."Dann würden wir die Schiene nutzen", sagt Nossol. Doch die Chancen dafür sind gering. Die Strecke zählt nicht zum vordringlichen Bedarf im Bundeverkehrswegeplan. cd

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