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Containerschifffahrt: Charterraten rutschen in den Keller

23.12.2008 13:49 Uhr
Auflieger
Zwangspause: Die Anzahl der Dauerauflieger im Hamburger Hafen nimmt zu (Bild: Arndt)
© Foto: Arndt

In den Häfen warten immer mehr Schiffe auf Beschäftigung / Weltweit über 160 Containerfrachter arbeitslos

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Hamburg. „Vega Dolomit“, „Hansa Marburg“ oder „Santa Arabella“ – drei Schiffsnamen, ein Schicksal: Diese und eine gute Hand voll weiterer Containerfrachter warten im Hamburger Hafen händeringend auf eine Anschlussbeschäftigung. „Solche Tonnage war vor einem Jahr um diese Zeit nicht beschäftigungslos“, berichtet Jörg Pollmann, Hafenkapitän in Hamburg, der VerkehrsRundschau. Für Schiffe wie die zur Hamburger „Vega“-Reederei gehörende „Vega Dolomit“ und ihr Schwesterschiff „Vega Zirkon“ hält der Elbe-Hafen kostengünstige „Parkplätze“ auf dem Strom vor. Die Frachter liegen an den Pfählen, wie es in der Fachsprache heißt. Einer der zentralen „Parkplätze“ für beschäftigungslose Schiffe ist die Norderelbe unmittelbar vor der Norderelbbrücke. Man könnte diesen Standort durchaus als eine Art Spiegelbild für den Zustand der Schifffahrtsmärkte betrachten. Seit Oktober diesen Jahres konzentrieren sich in diesem Teil des Hamburger Hafens immer mehr Frachter. Bemerkenswert: Es sind keine „alten Eimer“ wie der Seemann gerne zu sagen pflegt, sondern es ist moderne, junge Tonnage. Ein Frachter wie die „Vega Dolomit“, die für rund 706 Standardcontainer (TEU) bemessen ist, wurde erst 2007 in Fahrt gebracht. Doch auch die gut 1000 TEU mehr tragende „Hansa Marburg“ erblickte erst im vergangenen Jahr das Licht der Schifffahrtswelt. „Vor einem Jahr war die Welt noch in Ordnung“, sinniert Klaus Bültjer, Geschäftsführer der Vereinigung Hamburger Schiffsmakler und Schiffsagenten (VHSS). In seinem Verband laufen seit einigen Wochen die Sturmmeldungen der Schifffahrtsmärkte ein. Immerhin: Mehr als 50 Prozent der gesamten, weltweiten Tramp-Containerflotte wird von Deutschland aus beziehungsweise von internationalen Gesellschaften mit überwiegend deutscher Beteiligung bereedert. In Hamburg ansässige Befrachtungsmakler sind hier ganz groß im Geschäft. Im Oktober 2007 führte der VHSS den Containermarkt-Index ConTex ein. An ihm lässt sich sehr schnell der Gesundheitszustand der Branche ablesen. Seit mehreren Wochen müsste man allerdings eher vom „Krankheitszustand“ sprechen, denn die Index-Kurven kennen nur eine Bewegung: sie rutschen in den Keller. Das ist auch Hamburgs Hafen- und Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) nicht entgangen: „Lag die Tagescharter für ein 2500 TEU-Schiff im Frühjahr 2008 noch bei 30.000 US-Dollar, sind es derzeit teilweise weniger als 5000 US-Dollar.“ Und dabei dürfte es nicht bleiben. Gedaschko verweist auf die Aussagen verschiedener Containerreedereien, die für 2009 von einem Ladungsmengenrückgang von „zehn Prozent“ gegenüber dem zu Ende gehenden Jahr ausgehen. Als eine Konsequenz aus den weltweit stagnierenden oder gar schrumpfenden Containermengen stellen die großen Linienreedereien ihr Angebot auf den Prüfstand. Liniendienste werde hinsichtlich der Hafenanzahl oder der Anzahl der Abfahrten ausgedünnt. Zudem erfolgt eine Tonnageveränderung. Seit einigen Monaten gibt es einen klaren Trend hin zum Einsatz größerer Tonnage. Das ist mit erheblichen Kosteneinsparungen verbunden, weil die Produktionskosten pro Container verringert werden können. Diese Umstellung löst den Pedaltritt-Mechanismus aus: Es wird von oben nach unten getreten, heißt: kleine und mittelgroße Tonnage, die noch im vergangenen Jahr als besonders beschäftigungssicher angesehen wurde, fällt durch das Rost. Nach aktuellen Erhebungen der britischen Datenbank „AXS-Alphaliner“ liegen derzeit weltweit 165 Containerschiffe beschäftigungslos auf. Sie bringen es auf eine Stellplatzkapazität von zusammengerechnet rund 420.000 TEU. Zur besseren Einordnung: Das entspricht in etwas der Stellplatzkapazität der japanischen Reederei-Gruppe NYK, immerhin Nummer neun auf der Weltrangliste der Containercarrier. Zwar liegt der Schwerpunkt der in den Zwangsruhestand geschickten Schiffe bei kleinen und mittelgroßen Containerschiffen. Doch es trifft auch größere: Der Datenbank zufolge sind derzeit weltweit 24 Postpanmax-Frachter mit 5000 TEU und mehr aufgelegt. Was das Stilllegen als solches angeht, unterscheidet die Branche zwischen der „heißen“ und der „kalten Stilllegung“. Das weiß keiner besser als Carsten Beese, Leiter des Kompetenz-Centers „Fleet Service Management“, beim Germanischen Lloyd (GL). Denn das Außerfahrtsetzen eines Schiffes sei „ein komplexer technischer Vorgang“. Neben den rein „technischen Herausforderungen“ spiele die „Koordination mit örtlichen und nationalen Behörden eine wichtige Rolle“, sagt Beese. Weil das Thema „Auflieger“ inzwischen zu einem Sachverhalt von längerer Dauer zu werden scheint, hat der GL, der weltweit größte Klassifizierer von Containerschiffen, einen „Leitfaden für aufgelegte Schiffe“ herausgebracht. Während bei der „heißen Stilllegung“ ein Schiff nur für „eine begrenzte Anzahl von Wochen“ aus der Fahrt genommen werden soll, geht mit der „kalten Stilllegung“ ein mehrmonatiger Prozess einher. Wichtig: Auch wenn dieser Zeitraum enden sol, vergehen in der Regel noch einmal bis zu drei Monaten, bis der Frachter tatsächlich wieder in See stechen kann. Dass inzwischen auch Investoren in Schiffen angesichts der sich häufenden Unwettermeldungen aus der bislang von der Globalisierung bestens verwöhnten Branche unruhig werden, zeigt auch ein Blick auf den Börsenplatz für Schiffsbeteiligungen. Er wird von der Deutschen Zweitmarkt AG in Hamburg betrieben. Mehr als 25 Containerfrachter-Beteiligungen befinden sich aktuell im Angebot. Dass Schifffahrt ein „volatiler Markt“ ist, scheint sich jetzt bei den Privatanlegern herumzusprechen. Die Nachfrageschwäche in der Schifffahrt – noch massiver als der Containersektor ist der Bulkbereich betroffen – trifft auch die kleineren deutschen Reedereien und Deutschlands Werftindustrie. Denn die Finanzierung Aufträge, von bereits vergeben bis hin zu bereits im Bau befindlich, ist ebenfalls unter Druck geraten. Von rund 60 Schiffsaufträgen – fast ausschließlich im Containersektor – ist allein in Deutschland die Rede. Hamburgs Hafen- und Wirtschaftssenator Gedaschko sah sich daher jetzt zu einer Aussage gezwungen, für die ihn noch zur Jahresmitte alle belächelt hätten: „Wir müssen der Schifffahrt helfen.“ Wie hatte es Detthold Aden, Präsident des Zentralverband der Deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) erst kürzlich gesagt: „Vor einem halben Jahr war die Welt noch in Ordnung.“ (eha)

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