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CO2-Ziele für Lkw: Reaktionen aus der Transportbranche

16.02.2023 10:15 Uhr | Lesezeit: 7 min
Börsenkonzept mit Ölindustrie-Icons und High-Low-Grafik im Hintergrund. Blaue Farben
Die EU-Kommission will eine deutliche Reduzierung der CO2-Emissionen beim Lkw bis 2040 durchsetzen, das finden nicht alle Protagonisten aus der Logistk- und Transportbranche gut
© Foto: iStock/ mi-viri

Von „illusorisch“ über „willkommene Abwechslung“ bis zu „gehen nicht weit genug“, reichen die Reaktionen auf die Vorschläge der EU-Kommission zur Reduzierung der CO2-Emissionen für Lkw. Vor allem eine Entscheidung über das Einsetzen und einer Förderung von alternativen Kraftstoffen fehlen den Logistikverbänden. Sie mahnen vor finanziellen Problemen, die jetzt vor allem auf kleinere und mittelständische Speditionen zukämen.

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Nachdem die EU-Kommission am Dienstag, 14. Februar, ihre Vorschläge für die künftigen CO2-Flottengrenzwerte für Lkw und Busse vorgestellt hat, fielen die Reaktionen der Branche sehr unterschiedlich aus. Die CO2-Reduzierungsziele für Lkw, die bis 2030 zu erreichen sind, werden deutlich angehoben. Außerdem will die Kommission eine Reduzierung der CO2-Emissionen von neuen Lkw bis 2040 um 90 Prozent durchsetzen.

Die aktuellen Vorschläge würden eine willkommene Abwechslung zu den derzeitigen Vorschriften und den jüngsten Überlegungen der Kommission in Bezug auf die Dekarbonisierung des gewerblichen Verkehrs darstellen, heißt es seitens der International Road Transport Union (IRU), dem Dachverband der Straßentransportwirtschaft. „Der gewerbliche Schwerlastverkehr unterscheidet sich vom Pkw-Verkehr. Unser Sektor hat sich zwar voll und ganz der Dekarbonisierung verschrieben, aber in diesem neuen Kapitel sollten alle Optionen zur Erreichung der Kohlenstoffneutralität offen bleiben“, sagte Raluca Marian, EU-Direktorin für Interessenvertretung der IRU. Indem die Kommission die Kontinuität des Verbrennungsmotors für schwere Nutzfahrzeuge akzeptiert habe, „hat die Europäische Kommission eine positive Wende vollzogen“, so Marian.

Es müsse jedoch sichergestellt sein, dass „der endgültige Ansatz den kohlenstoffneutralen Kraftstoffen eine echte Chance gibt, auf dem Markt zu bleiben“. Wenn die Branche nur bei einem sehr kleinen Prozentsatz der Neuverkäufe von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor rechnen könne, sei zu bezweifeln, ob „dies eine echte und praktische Option für uns sein wird“, so Marian.

+++ Dieser Artikel wurde am Donnerstag, 16. Februar, aktualisiert +++

"Common Office": Kommissionsvorschlag erfordert ambitionierte Ziele für alternative Kraftstoffe

Das "Common Office", bestehend aus dem Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), der Fédération Nationale des Transports Routiers und der Nordic Logistics Association erkennt die Entscheidungen der EU-Kommission in einem offenen Brief an die Medien an, mahnt jedoch: "Der Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe für schwere Nutzfahrzeuge steht erst ganz am Anfang. Angesichts der sehr ehrgeizigen CO2-Ziele liegt es daher nun am Markt und an den EU-Mitgliedstaaten, gleichermaßen ehrgeizig zu sein beim Sicherstellen einer ausreichenden Infrastruktur zur Verteilung der alternativen Kraftstoffe. Eine genaue Überwachung der Fortschritte beim Umsetzen der ehrgeizigen Ziele wird wichtig sein, um sicherzustellen, dass die Logistikketten nicht unterbrochen werden." Batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Lkw würden in absehbarer Zukunft immer noch das zwei- bis fünffache eines Lkw mit Verbrennungsmotor kosten. Daher sei es wichtig, dass es weiterhin finanzielle Unterstützung für Transportunternehmen gibt, die grüne Umstellung zu vollziehen, bevor die neuen Technologien auch wirtschaftlich umsetzbar sind.

Das "Common Office" fordert seit langem die Anerkennung erneuerbarer und ökologisch nachhaltiger Kraftstoffe neben Batteriestrom und Wasserstoff in der CO2-Verordnung der EU für schwere Nutzfahrzeuge (HDV). "Dies bedeutet, dass die Transportunternehmen die in den kommenden Jahren kurzfristig verfügbaren Optionen - einschließlich erneuerbarer und klimaneutraler Kraftstoffe - nutzen könnten, ohne die Produktivität zu verringern oder die Stabilität der Lieferketten zu gefährden.  Wir bedauern, dass im heutigen Vorschlag weitere klimaneutrale Kraftstoffe keinen angemessenen Platz gefunden haben", heißt es weiter.

Auch der DSLV plädiert zu einer Entscheidung für alternative Kraftstoffe. Hauptgeschäftsführer Frank Huster: „Für die Wende zur CO2-freien Logistik erhöht die Kommission den Druck auf Mitgliedstaaten und Wirtschaft. Mit ihrem ambitionierten Verordnungsvorschlag schafft die Brüsseler Behörde zwar Planungsleitplanken für den Straßengüterverkehrssektor, gleichzeitig verbaut sie aber Alternativen zur Emissionsreduzierung.“ Speditionshäuser und Logistikdienstleister würden durch konstante Prozessoptimierungen und die verkehrsträgerübergreifende Organisation effizienter Lieferketten längst zur Emissionsvermeidung beitragen. Aus der Perspektive der Logistik seien für den Betrieb von Lkw-Flotten neben dem echten Umweltvorteil und den Total Costs of Ownership das Vorhandensein flächendeckender europäischer Auflade- und Betankungsinfrastrukturen für grüne Energie entscheidend – völlig unabhängig von der dahinterstehenden Antriebstechnologie. 

VDA fordert Anreizsysteme für Transportunternehmen

Als „ausgesprochen ambitioniert“, bezeichnete Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) die Vorschläge. Die EU verschärfe die CO2-Grenzwerte deutlich, ohne dabei notwendige flankierende Maßnahmen zu verabschieden und damit einen tatsächlich realisierbaren Hochlauf alternativer Antriebe sicherzustellen. „Ohne Tempo und Entschlossenheit bei den notwendigen Rahmenbedingungen, insbesondere die entsprechenden Investitionen in die Infrastruktur, wird das Ziel kaum erreichbar sein“, sagte Müller.

Notwendig sei „vor allem ein ausreichend dichtes Netz von Elektrolade- und Wasserstofftankstellen für schwere Nutzfahrzeuge in ganz Europa“, dies sei aktuell noch nicht einmal annähernd vorhanden. Umso problematischer nannte es die VDA-Präsidentin daher, dass „die Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) der EU-Kommission viel zu ambitionslos ist. Es ist deshalb zu begrüßen, dass sich das EU-Parlament bereits für ein höheres Ambitionsniveau ausgesprochen hat. Denn solange nicht erkennbar ist, wann für die schweren Fahrzeugklassen im Fernverkehr ein ausreichendes, öffentlich zugängliches Lade- und Betankungsnetz vorhanden ist, haben die angestrebten CO2-Reduktionsziele und Verbrenner-Ausstiegsdaten für schwere Nutzfahrzeuge reinen Symbolcharakter.

Die Flottenerneuerung hin zu CO2-emissionsfreien Fahrzeugen könne flächendeckend nur dann geschehen, wenn genügend Anreize für Speditionen und Verkehrsbetriebe geschaffen werden, betonte Müller: „Anreizsysteme wie Förderungen, Mautbefreiungen und Steuererleichterungen für Null-Emissions-Lkw und -Busse. Nur so wird es gelingen, Speditionen und Verkehrsunternehmen zu ermutigen und zu befähigen, ausreichend in CO2-emissionsfreie Fahrzeuge zu investieren.“

Bisher fehlt die erforderliche Ladeinfrastruktur

Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach sich für technologieoffene Lösungen aus: „Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen wir uns alle Möglichkeiten und Technologien offen halten. Europa hat sich darauf verständigt, dass von 2035 an nur noch klimaneutrale Pkw auf den Markt kommen sollen. Wir dürfen dabei nicht auf E-Fuels verzichten. Sowohl für die Bestandsflotte als auch für neue Fahrzeuge bieten E-Fuels klimaneutrale Mobilität mit Verbrennungsmotoren. Das gilt auch für Lkw und Busse.“

Auch Heike van Hoorn, Geschäftsführerin des Deutschen Verkehrsforums (DVF), sprach das Thema Ladeinfrastruktur für Lkw an. „Ab 2024 werden viele Hersteller große elektrische Lkw anbieten. Das Transportgewerbe steht bereit, um Nutzfahrzeuge mit neuen Antrieben zügig auf die Straße zu bringen. Allerdings fehlt dafür die erforderliche Ladeinfrastruktur. Schwere Lkw stellen enorm hohe Anforderungen an die Fahrzeugleistung und das Ladenetz. Betriebswirtschaftliche Faktoren wie Zuladung, Wartung und Preis sind wichtig. Der Gesetzgeber in Brüssel sollte sich bewusst sein, dass die Voraussetzungen für die Transformation im Nutzfahrzeugsegment jetzt geschaffen werden müssen – und zwar sehr schnell und in ganz Europa.“

Sie forderte, die „Ladeinfrastruktur und Infrastruktur für Wasserstoff/Brennstoffzellen-Lkw mit höchstem Tempo“ aufzubauen. Die Ressourcen müsse man „auf den Umbau der Antriebe und Kraftstoffe konzentrieren“ und daher „Anforderungen für die Neuentwicklung konventioneller Fahrzeugantriebe in Euro 7 auf ein praktikables Niveau begrenzen“.

Zusätzliche Belastungen durch Euro 7

Die Kommission schieße mit ihren Vorschlägen „weit über das Ziel hinaus“, kritisierte Reinhard Zirpel, Präsident des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK): „Sie setzt überehrgeizige Ziele für Null-Emissions-Lkw, bevor auch nur annähernd klar ist, ob die notwendigen Grundlagen für deren Verbreitung in Europa entstehen können.“ Man befürworte einen ganzheitlichen Ansatz zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen des Straßentransports, so Zirpel. Flottengrenzwerte, Ziele für die Tank- und Ladeinfrastruktur und die geplante Abgasvorschrift Euro 7 müssten in Einklang stehen. Zirpel sagte daher weiter: „Die Kommission will nun einerseits den Verbrennungsmotor für schwere Nutzfahrzeuge auslaufen lassen. Andererseits sollen die Hersteller durch scharfe Abgasnormen zu neuen umfangreichen Investitionen in diese Technologie gezwungen werden. Das passt nicht zusammen.“

Die EU-Kommission mache sich auch bei schweren Nutzfahrzeugen „auf den Weg zu einem faktischen Verbrennerverbot“, kritisiere Ralf Diemer, Geschäftsführer der E-Fuel Alliance. Erneuerbare Kraftstoffe wie E-Fuels würden genauso wie direktelektrische Anwendungen über ein erhebliches Klimapotenzial verfügen und könnten den Ausstieg aus fossilen Kraftstoffen im europäischen Verkehr beschleunigen.

„Der Schwerlastverkehr deckt unterschiedlichste Mobilitätsbedürfnisse von Spediteuren, Logistikunternehmen, Kommunen, Handelsketten und Schwertransporten ab. Hier Handlungsoptionen und Flexibilität einzugrenzen, gefährdet einen effizient funktionierenden Binnenmarkt und damit die Resilienz der europäischen Wirtschaft. Zumal es weiterhin keine befriedigenden Antworten auf Probleme wie mangelnder Megawatt-Ladeparks, die fehlende Wasserstoffinfrastruktur oder die zuverlässige Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom gibt“, sagte Diemer und fügte hinzu: „Die Kommission will hier auf einem Fundament aufbauen, das sehr wacklig ist oder zum Teil noch gar nicht besteht.“

Massive Kritik an der EU-Kommission aus Bayern

Harsche Kritik an den Vorschlägen kommt aus Bayern. Als „irreal“ bezeichnete Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die Pläne einer „Halbierung der CO2-Flottenwerte bei Lkw bis 2030“. Solche Ziele seien „nur erreichbar, wenn massiv der Umbau auf Wasserstoff-Lkw gefördert würde. Batterie-Lkw werden die nötigen Langstreckenfahrten nicht so bedienen können. Aber die Bundesregierung wünscht offenbar keinen Wasserstoff-Einsatz in der Mobilität. Das bedeutet dann nicht Verkehrs-Wende, sondern Verkehrs-Ende“, sagte Aiwanger und erklärte abschließend: „Dieser Wahnsinn muss schnellstmöglich korrigiert werden, sonst legen wir das Land lahm. Das scheint die Absicht zu sein.“

Kritik kam auch von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW), die betonte, dass bei der Transformation der Nutzfahrzeugbranche nicht nur die Produkte, sondern auch die Rahmenbedingungen stimmen müssten. Dies sei aber aktuell nicht der Fall. „Insbesondere der Ausbau der Ladeinfrastruktur hält nicht Schritt. Ein ausreichend dichtes Netz von Elektroladesäulen und Wasserstofftankstellen für Lkw ist noch nicht einmal annähernd vorhanden“, kritisierte VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Problematisch sei ferner, dass „die EU einseitig auf Elektroantriebe, die aus Batterien oder Brennstoffzellen gespeist werden, setzt. Auch synthetische Kraftstoffe müssen berücksichtigt werden und sollten ihre Chance bekommen“, sagte Brossardt.

Hinzu kommt aus Sicht des VBW, dass schwere Nutzfahrzeuge laut Vorschlag der EU-Kommission bereits ab 2027 zugleich auch die Euro 7-Norm erfüllen müssten. „Die Vorgaben sind bis dahin technologisch kaum realisierbar. Um die Norm zu erfüllen, müssen Lkw-Hersteller Ressourcen aufbringen, die dann wiederum bei der Weiterentwicklung von Batterie- und Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugen fehlen“, sagte Brossardt abschließend.

Grünen gehen Vorschläge nicht weit genug

Ganz anders bewerte der Europaabgeordnete Michael Bloss (Grüne) die Vorschläge der EU-Kommission. Ihm gehen die Vorschläge der Kommission zu Lkw und Bussen nicht weit genug. Christdemokraten und Liberale hätten offenbar nicht vor, etwas daran zu ändern, dass der Verkehrssektor ein Sorgenkind sei. „Auch hier braucht es jetzt Klarheit für die Industrie und ein Enddatum für den Verbrennungsmotor für Lkw.“

Unterstützt wird seine Position von Transport & Environment (T&E), einer Dachorganisation von europäischen Organisationen, die sich für einen nachhaltigen Verkehr einsetzen. T&E forderte die EU-Abgeordneten und Regierungen auf, „die Frist für emissionsfreie Lkw auf das Jahr 2035 zu legen“.

So sagte Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E in Deutschland: „Deutsche Hersteller sind führend bei emissionsfreien Lkw. Ohne eine klare EU-Frist werden Investitionen nicht schnell genug umgeleitet.“

Ehrgeizige EU-Klimaregelungen seien für Lkw „dringend erforderlich“, sagte Bock. Auf den Straßen Europas werde es noch jahrzehntelang Diesel-Lkw geben, wenn es keine strengeren Vorgaben ab 2030 gibt. „Dies würde auch den Batterieherstellern die notwendige Investitionssicherheit verwehren. In Zeiten, in denen Länder wie die USA mit dem Inflation Reduction Act starke Investitionsanreize schaffen, riskiert Europa so die Verlagerung dieser Schlüsselindustrie”, erklärte Bock. (tb)

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