Preiskalkulation im Güterverkehr: Diese Fehler kosten Transportunternehmer Geld

Kaum eine Branche ist wirtschaftlich so herausfordernd wie die Transportwirtschaft: Die Margen liegen im Schnitt zwischen zwei und drei Prozent und sind damit weit von dem entfernt, was in anderen Branchen üblich ist (Softwarefirmen kommen auf bis zu 30 Prozent). Gleichzeitig ist das Insolvenzrisiko höher als in jedem anderen Wirtschaftszweig, zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Genau zu kalkulieren ist für Transportunternehmer deshalb überlebenswichtig. Doch wie genau lässt sich eine Preisuntergrenze ermitteln, die ein auskömmliches Geschäft garantiert? Das absolute Minimum Betriebswirtschaftlich wird zwischen der kurz- und langfristigen Preisuntergrenze unterschieden. Um die kurzfristige Preisuntergrenze zu berechnen, reicht es, die variablen Kosten des jeweiligen Auftrags zu addieren, also zum Beispiel Diesel, Reifenverschleiß und Lkw-Maut. Dieser Wert stellt das absolute Minimum dar - wer für weniger fährt, macht sofort Verluste. "Die kurzfristige Preisuntergrenze sollten Sie nur verwenden, wenn die Alternative eine Leerfahrt ist", betont Andreas Riegel, ein auf Logistik spezialisierter Trainer und Berater aus Neunkirchen. Um langfristig wirtschaftlich zu arbeiten, muss die Preiskalkulation erweitert werden: Es gilt, zu den variablen Kosten die Fixkosten zu addieren, jeweils bezogen auf Ladungsgewicht oder -einheit (siehe www.verkehrsrundschau-plus.de). Die Summe aus variablen und fixen Kosten ergibt die langfristige Preisuntergrenze. Um zu überprüfen, ob der Preis auch gut kalkuliert war, empfiehlt es sich, im Nachhinein den Deckungsbeitrag einer Tour zu berechnen. Er gibt an, welchen Beitrag sie zur Deckung der Fixkosten geleistet hat. Dabei gibt es mehrere Stufen, je nachdem, wie umfassend man die Fixkosten berücksichtigt. "Ermitteln Sie täglich für jede Tour vom Vortag den Deckungsbeitrag", rät Vanessa Freundl, Abteilungsleiterin bei der SVG-Unternehmensberatung in Frankfurt am Main. "Wir kennen unsere Nebenkosten nun deutlich besser" Die Fahrzeugkostenrechnung ist solide, aber wurde seit Längerem nicht überarbeitet - so sah die Situation bei Abele Spedition und Transport vor acht Jahren aus. Das Familienunternehmen aus dem baden-württembergischen Sinsheim ist auf Sonder- und Spezialtransporte spezialisiert. 2017 entschied sich Geschäftsführer Uwe Abele zum ersten Mal, die gesamte Kalkulation von SVG-Beratern unter die Lupe nehmen zu lassen. "Wir wollten einfach genauer wissen, wo wir profitabel fahren und wo nicht", erinnert er sich. Die Analysen zeigten, dass wichtige Parameter nicht mehr stimmten. Der Betrieb hatte zum Beispiel mit 230 Einsatztagen pro Jahr kalkuliert, bedingt durch den Fahrermangel lag der Wert jedoch eher bei 200. "So etwas hat enorme Auswirkungen auf die Tagessätze", betont Abele. Seitdem werden alle Parameter der Preiskalkulation ständig überarbeitet. Generell kalkuliert das Unternehmen detaillierter. Die Zahl der Kostenstellen wurde erhöht, und die Rentabilität wird jetzt für jeden Transport einzeln ermittelt - anstatt über alle hinweg. Als zweite "Baustelle" entpuppten sich in dem Unternehmen die Allgemeinkosten. Früher flossen Posten wie Reinigungskräfte oder Betrieb der eigenen Tankstelle nicht in die Frachtrate ein, was die Angebote letztlich nach unten verzerrte. Heute überprüft die Buchhaltung immer wieder genau, welche Aufwendungen sich über Verteilschlüssel einem Transport zurechnen lassen. "Heute wissen wir deutlich besser, welche ,Nebenkosten' unsere Transporte belasten", resümiert Abele. Außerdem sei man insgesamt deutlich sensibler für Kosten geworden. Touren täglich nachkalkulieren Die nötigen Daten für die Preiskalkulation sind in der Regel vorhanden, ein Blick ins TMS oder die Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) reicht. Wenn dennoch mit einer Tour rote Zahlen geschrieben werden, liegt das laut Freundl oft daran, dass man eine alte Kalkulation verwendet, in der Annahme, die Kosten seien gleich geblieben. "Viele bedenken zum Beispiel nicht, dass die Werkstatt- oder Materialkosten bei einem älteren Fuhrpark steigen", so die SVG-Expertin. Sie empfiehlt Transportunternehmern, die gesamte Kostenrechnung mindestens einmal im Jahr zu aktualisieren und sich monatlich mit der Betriebswirtschaftlichen Auswertung auseinanderzusetzen. In mittleren und großen Transportunternehmen liefert die Buchhaltung die wirtschaftlichen Zahlen, während bei kleinen Betrieben meist der Steuerberater zuständig ist. Freundl rät allen, sich bei unsicheren Fragestellungen Feedback von außen durch einen Fachberater zu holen. "Steuerberater sind keine Transportfachleute und verstehen die branchenspezifischen Details nicht." Ein Preis kann natürlich nur dann wettbewerbsfähig sein, wenn es auch die Kosten sind. Genau das ist aber oft der Knackpunkt, vor allem bei kleinen Anbietern. "Zu hohe Fahrzeug- oder Personalkosten - an diesen Punkten mangelt es am häufigsten", weiß Freundl. "Wenn ich zehn Lkw betreibe, sind drei Leute im Büro einfach zu viel." Solche Probleme können Firmen nur erkennen, wenn sie sich regelmäßig mit dem Wettbewerb vergleichen (Benchmarking - die Redaktion). Anhaltspunkte gibt etwa der Branchenkosten-Modellrechner des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung. Hier lässt sich zum Beispiel ablesen, welchen Anteil die Lohnkosten (21,83 Prozent) oder die Ausgaben für Schmiermittel (0,52 Prozent) im Schnitt haben. Freundl rät zudem, regelmäßig mit Branchenkollegen zu sprechen, etwa in den Erfahrungsaustauschgruppen der SVG, wo sich Geschäftsführer aus nicht-konkurrierenden Unternehmen der Transportwirtschaft treffen. Tipps für die Berechnung von Preisuntergrenzen Auf welche Punkte sollten Transportunternehmer bei der Berechnung der Preisuntergrenze besonders achten? Wichtig ist natürlich, den aktuellen Kraftstoffpreis anzusetzen, wenn Sie keinen Floater verwenden. Hier wird oft mit veralteten Preisen gearbeitet. Außerdem sollten Sie vermeintlich kleine Posten im Blick behalten. Die Ausgaben für AdBlue oder Schmierstoffe zum Beispiel liegen nur im Cent-Bereich, summieren sich aber im Lauf der Zeit auf. Übersehen werden auch leicht Kosten, die nicht jährlich anfallen, etwa eine Versicherung, die auf drei Jahre im Voraus bezahlt wird. Häufig sehe ich zudem, dass man die sogenannten kalkulatorischen Kosten, die in die Preisuntergrenze einfließen, falsch ansetzt. Der Unternehmer nimmt zum Beispiel an, dass er auf dem Kapitalmarkt zwei Prozent Zinsen bekommt, aber realistisch wären sechs Prozent. Das kann teuer werden. Welche Deckungsbeiträge braucht man für die Preisberechnung? Theoretisch kann man mit bis zu neun Deckungsbeiträgen arbeiten, aber das bedeutet sehr viel Aufwand. Ich empfehle, mit wenigen, realistischen Kostengruppen zu arbeiten: variable Kosten, Fahrzeug-Einsatzkosten und Overhead (Gemeinkosten, die nicht einem einzelnen Auftrag zugeordnet werden können - die Red.). Drei Deckungsbeiträge sollten ausreichend sein. Welche Tools braucht man für das Berechnen der Preisuntergrenze? Ein TMS mit Schnittstelle zur Buchhaltung macht natürlich vieles einfach. Aber gerade kleine Betriebe arbeiten oft in Excel. Es ist möglich, alle Daten von Hand zu pflegen und den Preis zum Beispiel über Makros auszurechnen. Fehler bei Preisgesprächen Einen Preis zu berechnen ist eine Sache, ihn in einer Verhandlung durchzusetzen, eine andere. Kornelia Reifenberg ist Partnerin bei der Bonner Unternehmensberatung Simon-Kucher und berät seit über 25 Jahren Unternehmen aus der Logistikbranche. Dabei beobachtet sie immer wieder einen Fehler: "Oft steigt ein Dienstleister sofort mit dem niedrigsten möglichen Preis in die Verhandlung ein, um den Auftrag zu bekommen." Wer so vorgeht, verschenkt nicht nur möglichen Gewinn, sondern schränkt auch seinen Spielraum für Verhandlungen ein. Gegen solche Fehler hilft laut Reifenberg nur eine gründliche Vorbereitung. Heißt: Nicht nur genau analysieren, welche Bedeutung ein Auftrag für den Umsatz hat, sondern auch, wie wichtig guter Service für den Kunden ist. Welche Bedürfnisse und Zahlungsbereitschaften hat er und auf welche Dienstleister kann er realistisch ausweichen (wenn überhaupt)? Daneben sei es wichtig, sich einen Einstiegspreis zurechtzulegen, so Reifenberg. Er sollte dem entsprechen, was man erreichen will (Zielpreis), plus einem Aufschlag von zehn bis 15 Prozent. Optimal ist, mit dieser Zahl die Verhandlung zu eröffnen. "Denn der erste Preis ist der sogenannte Ankerpunkt, an dem sich alles Folgende orientiert", so Reifenberg. Neben Einstiegs- und Zielpreis sollte man vor der Verhandlung auch seinen sogenannten Walk-Away-Preis definieren. Wird er erreicht, empfiehlt sich, die Verhandlung zu unterbrechen, zum Beispiel mit dem Hinweis, man müsse neu kalkulieren oder mit der Geschäftsführung Rücksprache halten. Erst dann sollte entschieden werden, ob man den Preis weiter reduzieren und an den Verhandlungstisch zurückkehren wird. Aber wo liegt nun die absolute Preisuntergrenze? Die Pricing-Expertin Reifenberg stellt klar: "Jeder Kunde sollte gesamtkostendeckend sein." Das entspricht also dem Deckungsbeitrag III (Details dazu unter www.verkehrsrundschau-plus.de). Langfristig profitabel bleiben Nur wenn der Kunde überaus wichtig sei, könne man davon abrücken und sich mit dem Deckungsbeitrag I zufriedengeben (Preis deckt nur die variablen Kosten). In diesem Fall sollte man jedoch eine klare Perspektive haben, wie der Kunde langfristig profitabel werden kann. In der Realität akzeptieren Transportunternehmer indes mitunter einen Preis, der unter den Selbstkosten liegt, nach dem Motto "Bevor ich den Lkw stehenlasse, fahre ich lieber im Minus". SVG-Beraterin Freundl kann davor nur warnen: "Eine einzelne Tour kann mal rote Zahlen schreiben, aber bei mehreren wird es schnell kritisch." Kein Rabatt ohne Gegenleistung Viele Dienstleister kalkulieren ihren Preis zwar vorab sehr bedacht, räumen aber später einen Rabatt ein. "Das ist kritisch, wenn es sich wirklich nur um einen Preisnachlass handelt", warnt Vertriebsexpertin Reifenberg. Dienstleister sollten nach der Regel "kein Rabatt ohne Gegenleistung" verfahren. Will der Kunde die Frachtrate drücken, sollte man ein Zugeständnis von seiner Seite einfordern, etwa garantierte oder aber regelmäßige Transporte oder eine frühzeitige Avisierung. Wichtig: Diese Verpflichtung sollte vertraglich festgehalten und später nachgehalten werden. Reifenberg beobachtet häufig, dass Letzteres ausbleibt. "So erodieren auf Dauer die Preise." Bei allem Feilschen um den Preis heißt es natürlich auch, die Konditionen im Blick zu behalten. Oft werden sie überhaupt nicht thematisiert, oder man übernimmt einfach das, was im Altvertrag steht. Eine verpasste Chance, so Reifenberg. "Sie müssen das Zepter in der Hand behalten!" Ein Beispiel: Will der Verlader seine Rechnungen erst nach 90 Tagen begleichen, kann der Transportunternehmer einen "Gegenanker" und ein Zahlungsziel von 14 Tagen nennen, schließlich muss er so unter Umständen mehr Zinsen für den Kontokorrentkredit zahlen. Lässt er sich dann doch auf die 90 Tage ein, ist dies bereits ein erstes Zugeständnis, das wiederum ein Entgegenkommen des Kunden bei anderen Themen, zum Beispiel Sendungsstrukturen oder -mengen, erfordert. Alles Verhandlungssache eben. "Konditionen unkritisch zu übernehmen ist ein klassischer Verhandlungsfehler." Online Hier gibt's Infos www.verkehrsrundschau.de/plus/deckungsbeiträge Weiterführende Informationen zur Deckungsbeitragsrechnung und zur Ermittlung von Preisuntergrenzen im Teil- und Komplettladungsgeschäft, finden Sie unter VerkehrsRundschau Plus.