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Bringt die S21-Volksabstimmung Frieden in Stuttgart?

23.11.2011 11:51 Uhr
Bringt die S21-Volksabstimmung Frieden in Stuttgart?
So soll der neue Tiefbahnhof in Stuttgart aussehen
© Foto: Deutsche Bahn

Nach einer Umfrage wollen 95 Prozent der Bürger das Ergebnis akzeptieren / Aber nur 81 Prozent glauben, dass der Konflikt beigelegt werden kann

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Stuttgart. Am Sonntag (27.11.) sind 7,6 Millionen Baden-Württemberger zur Volksabstimmung über Stuttgart 21 aufgerufen. Die Bahn, die Politik und die Bürger hoffen, den jahrelangen Streit damit beenden zu können. Doch wie auch immer das Referendum ausgeht: Manche Fragen rund um das Milliarden-Bahnprojekt bleiben noch offen.

Auf wessen Initiative geht die Volksabstimmung zurück?

Im September 2010 überraschte der Landeschef der S21-freundlichen SPD, Nils Schmid, mit dem Vorschlag eines Volksentscheids. Die Anregung kam von drei SPD-Granden, dem ehemaligen Bundesminister Erhard Eppler, dem Ex-Bundestagsabgeordneten Ernst-Ulrich von Weizsäcker und Baden-Württembergs Ex-Wirtschaftsminister Dieter Spöri mit dem Ziel, "den inneren Frieden" in Stuttgart wiederherzustellen.

Schmid handelte sich den Vorwurf ein, die Unterstützung seiner Partei für das Projekt infrage zu stellen. Aber er ebnete damit den Weg für die Regierungskoalition mit den S21-kritischen Grünen und ermöglichte eine echte Bürgerbeteiligung.

Wie hat Grün-Rot die Volksabstimmung eingefädelt?

Mit der Stimme des S21-kritischen SPD-Justizministers Rainer Stickelberger haben die Grünen in der Landesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen, wonach das Land den Finanzierungsvertrag kündigen und aus dem Projekt aussteigen soll. Eine Landtagsmehrheit von SPD, CDU und FDP lehnte das Gesetz ab. Daraufhin beantragten mehr als ein Drittel der Abgeordneten am 28. September eine Volksabstimmung. Trotz heftiger Kritik am Verfahren sahen CDU und FDP von einer Verfassungsklage ab.

Welche Frage müssen die Baden-Württemberger beantworten?

Die Bürger stimmen nicht über das Projekt an sich ab, sondern über den vom Landtag abgelehnten Gesetzentwurf zum Ausstieg. Deshalb müssen die Projektbefürworter mit "Nein" votieren, die Gegner von Stuttgart 21 mit "Ja". Eine Enthaltung ist nicht möglich. Die komplizierte Fragestellung stößt bei vielen auf Kritik.

Unter welchen Bedingungen müsste das Land aus dem Projekt aussteigen?

Erstens muss die Mehrheit der Abstimmenden für den Ausstieg votieren. Und zweitens muss diese Mehrheit laut Landesverfassung mindestens ein Drittel der Wahlberechtigten - das sind  2,5 Millionen Stimmen - ausmachen.

Welches ist das politisch brisanteste Ergebnis?

Wenn die S21-Gegner zwar die Mehrheit der Abstimmenden stellen, aber nicht das Quorum erfüllen, wäre dies ein Resultat mit unabsehbaren politischen Folgen. Denn das Bündnis gegen Stuttgart 21 meint, wichtig sei vor allem die Mehrheit der Abstimmenden, nicht das Erreichen der bundesweit höchsten Hürde für ein Referendum. "Wir haben die klare Erwartung an die Grünen und die SPD, dass sie die Mehrheit akzeptieren und als Chance und Auftrag mitnehmen", sagt Bündnis-Sprecher Hannes Rockenbauch.

Wie sieht Grün-Rot das?

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wird nicht müde, auf die gültige Verfassung zu verweisen: "Daran haben sich alle zu halten." Sein Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sieht das nicht so klar. Er hält den Weiterbau von Stuttgart 21 auch dann für kritisch, wenn das Quorum knapp nicht erreicht wird und die Mehrheit dagegen ist: "Dann wird es nicht sehr ruhig sein. Dann ist das schon für die Bahn ein Problem."

Wie wird die Bahn auf einen Ausstieg des Landes reagieren?

Bei einem Ausstieg des Landes entstünde eine Finanzierungslücke von maximal 930 Millionen Euro für das 4,1 Milliarden Euro teure Vorhaben. Dennoch könnte die Bauherrin Bahn nicht sofort die Baustelle räumen, denn sie sieht sich durch die Finanzierungsverträge nicht nur mit dem Land, sondern auch mit dem Bund, der Stadt Stuttgart und dem Verband Region Stuttgart gebunden. Ein langer Rechtsstreit wäre die Folge. Denn die Bahn verweist darauf, dass der Vertrag keine Kündigungsrechte vorsieht, sondern Gespräche, wenn der 4,5 Milliarden-Euro-Deckel gesprengt wird. Im Fall eines "Vertragsbruchs" durch das Land verlangt der Konzern 1,5 Milliarden Euro Entschädigung. Hermann spricht dagegen nur von 350 Millionen Euro Ausstiegskosten. Wenn während des Rechtsstreits die Bauarbeiten erneut ruhen, will die Bahn weitere Kosten geltend machen.

Wie sieht der reguläre S21-Fahrplan der Bahn aus?

Bei einem Votum gegen den Ausstieg des Landes würde die Bahn den Bau wie geplant fortsetzen. Derzeit schreibt der Konzern die Baumverpflanzungsarbeiten im Schlossgarten aus. Bis Jahresende sollen 50 Prozent der Vergaben erfolgt sein, davon 90 Prozent der preiskritischen Tunnelbauarbeiten. Der Südflügel - für die Gegner wie der bereits im August 2010 abgerissene Nordflügel ein Symbol - soll voraussichtlich im Januar 2012 abgerissen werden. Für Mitte 2012 ist der Start der Tunnelbauarbeiten geplant. (dpa)

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