Bericht aus Brüssel: Ein kleiner Lichtblick

Die International Road Transport Union (IRU) schlägt wieder Alarm: Weltweit, aber besonders in Europa, verschärfe sich das Problem des Fahrermangels massiv. Laut der jährlichen Umfrage des Verbands ist die Zahl der unbesetzten Stellen für Berufskraftfahrer in Europa von 2020 auf 2021 um 42 Prozent gestiegen. In Deutschland blieben nach IRU-Angaben im vergangenen Jahr 80.000 Stellen leer. Immer wieder diskutieren Politik und Unternehmer darüber, mit welchen Maßnahmen mehr Personal hinters Steuer geholt werden kann. So hat Ende Mai der deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ein Papier mit vier Punkten vorgestellt, die aus Sicht des Verbands die Fahrergewinnung erleichtern würden. Ein zentraler Wunsch der Unternehmer: die EU-weit harmonisierte Anerkennung von Führerscheinen von Berufskraftfahrern aus Drittstaaten. In manchen EU-Staaten wie Spanien oder Frankreich würden Führerscheine von Fahrern aus bestimmten Drittstaaten ohne zusätzliche Prüfung umgeschrieben und dann entsprechend mit der Schlüsselzahl 70 gekennzeichnet. In Deutschland sei ein prüfungsfreier Umtausch in eine EU-Fahrerlaubnis hingegen nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Erster Entwurf für Frühjahr 2023 geplant In dieses Thema soll nun zumindest auf EU-Ebene Bewegung kommen. Das teilte Walter Götz, Kabinettschef bei EU-Verkehrskommissarin Adina Valean, in einem vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) organisierten Online-Gespräch mit. Laut Götz arbeite die DG Move, die Generaldirektion der EU-Kommission für die Bereiche Mobilität und Verkehr, an einer Reform der bisherigen Führerschein-Richtlinie, die aus dem Jahr 2006 stammt. Im Spätherbst soll es laut Götz einen ersten Entwurf geben, der dann im Frühjahr kommenden Jahres im Kollegium der Kommissionsmitglieder behandelt werden soll. "Die Richtlinie muss dringend überarbeitet werden", sagte Götz. Vor allem in den Bereichen Digitalisierung und Straßenverkehrssicherheit bestünde erheblicher Reformbedarf. Im Zuge dessen soll auch die Anerkennung von Lkw-Führerscheinen aus Drittstaaten novelliert werden. Eine künftige mögliche Änderung sei etwa, "wenn jemand fünf Jahre mit seinem Führerschein aus einem Drittstaat in der EU gefahren ist, dass er dann in allen Mitgliedstaaten diesen auch unkompliziert in einen EU-Führerschein umgeschrieben bekommt", so Götz. Zu bedenken gab er, dass bei diesem Aspekt aber eben auch die nationalen Regelungen der einzelnen Länder mitentscheidend seien. "Die Mitgliedstaaten sind oft sehr empfindlich, wenn wir zu strikte Vorgaben machen." Der EU-Ministerrat, in dem die 27 Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind, muss einer Reform der Führerschein-Richtlinie zustimmen. Insgesamt dauert das Gesetzgebungsverfahren normalerweise ein bis zwei Jahre. Laut Götz könne sich der Prozess aber auch bis zum Jahr 2025 hinziehen. Da es sich um eine Richtlinie handelt, haben die EU-Mitgliedstaaten anschließend 18 Monate Zeit, die Neuerungen umzusetzen. Im Rahmen der Novellierung der Führerschein-Richtlinie zeigte sich Götz auch zuversichtlich, dass angehende Berufskraftfahrer künftig bereits ab 17 Jahren begleitet fahren dürfen: "Ich denke, das wird kommen." Eine Aufweichung der Weiterbildungsverpflichtung kann er sich hingegen aktuell nicht vorstellen. Diese sei zudem "sehr stark" im nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten verankert, so Götz. Gewerbliche Lkw-Fahrer müssen alle fünf Jahre eine Weiterbildung nachweisen. "Man muss ein gutes Maß zwischen Straßenverkehrssicherheit und Flexibilisierung für den Sektor finden", sagte er. BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt hatte zuvor vorgeschlagen, ältere Berufskraftfahrer von der Weiterbildungsverpflichtung eventuell auszunehmen, um in Peak-Zeiten auch auf diese personellen Ressourcen zurückgreifen zu können. Außerdem wollte Engelhardt wissen, ob die Kommission Änderungen bei der Anerkennung der Berufskraftfahrer-Qualifikation von Drittstaatsangehörigen plane. Die in der EU gültige Grundqualifikation können Fahrer aus Drittstaaten in der Regel derzeit nur in einem EU-Staat erwerben, in dem sie einen Wohnsitz haben. Ist dies nicht gegeben, wird die Qualifikation in einem anderen EU-Land häufig nicht anerkannt. Götz entgegnete, dass eine Novelle der sogenannten Berufsqualifikationsrichtlinie auf EU-Ebene derzeit nicht vorgesehen sei, und erwähnte in diesem Zusammenhang auch mögliche Sicherheitsbedenken der EU-Mitgliedstaaten. Ausnahmefall Ukraine Generelle Ausnahmeregelungen gelten in Deutschland derzeit für ukrainische Staatsangehörige: Solange sich Berufskraftfahrer von dort vorübergehend hierzulande aufhalten, dürfen sie mit ihrem Führerschein alle Kraftfahrzeuge führen, für die er ausgestellt ist. Melden sie ihren Wohnsitz in Deutschland an, ist der Führerschein noch für sechs Monate gültig. Danach benötigen sie eine in Deutschland ausgestellte Fahrerlaubnis. Für eine EU-Fahrerbescheinigung müssen sie im Besitz einer Grundqualifikation gemäß Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz sein. Besitzen sie diese bereits, etwa weil sie eine abgeschlossene Ausbildung zum Berufskraftfahrer vorweisen können, genügt für die Bescheinigung die Teilnahme an einer 35-stündigen Weiterbildung. Mehr zum Thema unter #VerkehrspolitikEuropa www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Wie kann der Fahrermangel behoben werden? Diese Frage diskutierten Mitgliedsunternehmen des Verbands BGL in einem Online-Gespräch mit Walter Götz, Kabinettschef bei EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Zur Problemlösung könnte die geplante Reform der EU-Führerschein-Richtlinie beitragen. Brenner Chaos: Weiterhin keine Lösung in Sicht Ein weiteres Thema des Online-Gesprächs war die verfahrenen Situation des Warenverkehrs an der deutsch-österreichischen Grenze. Ein Unternehmer aus Rosenheim, der Italienverkehre durchführt, fand deutliche Worte: "Ich werde seit 40 Jahren von den Tirolern gequält. Wir brauchen die EU-Kommission, die endlich gegen Tirol tätig werden muss!" Eine klare Antwort auf die Frage Engelhardts, weshalb die Kommission bisher kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Tirol eingeleitet habe, konnte aber auch Walter Götz nicht geben. Er verwies unter anderem auf den Brennerbasistunnel, der (nach aktuellem Stand) in zehn Jahren dafür sorgen soll, dass mehr Güter auf die Schiene verlagert werden - gab aber auch zu:"Das Problem muss früher gelöst werden." Man stünde mit den betroffenen EU-Mitgliedstaaten in Kontakt, Lösungen würden diskutiert."Wir hoffen an der Stelle auch auf den guten Willen der Mitgliedstaaten; dass sie bereit sind mit der EU-Kommission zusammenzuarbeiten", so Götz. sn

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