Alpentransit-Debakel: Wie lösen?

Der Brennerpass ist die meistbefahrene Nord-Süd-Verbindung Europas. Das Problem: Die Strecke ist ein Nadelöhr. Wer in den Süden will, steht fast immer im Stau. Und seit Anfang 2025 wird noch die Luegbrücke nördlich des Brennerpasses saniert. Sprich: die Einschränkungen werden größer. Der Ton verschärft sich Nach Lösungen suchte nun die Veranstaltung „Alpenquerender Verkehr – Lebensader für die europäische Wirtschaft“ in München des Wirtschaftsbeirats Bayern und des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) – mit Firmenchefs von Transport- und Speditionsbetrieben, Bayerns Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr, dem Tiroler Verkehrs-Landesrat und dem Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) – kompetent moderiert von LBT-Hauptgeschäftsführer Stephan Doppelhammer. Ihr aller Ziel ist es, den Zusammenbruch im alpenquerenden Verkehr verhindern. Doch über den Weg dorthin gibt es nach wie vor Dissens. Von Annäherung keine Spur. Im Gegenteil: der Ton verschärft sich. Gleich zu Beginn der Veranstaltung machte der Verkehrs-Landesrat René Zumtobel, der in Tirol auch für Umwelt und Naturschutz zuständig ist, unmissverständlich klar, was für ihn beim Alpentransit Priorität hat: das ist die Gesundheit der Menschen, sprich die Luft-Güte. So gesehen beantwortete er seine rhetorische Frage „Schaffen wir die Blockabfertigung ab?“ gleich selbst mit den Worten: „Das können wir nur, wenn wir den Menschen eine Alternative anbieten. Und die Alternative aus meiner Sicht ist ein digitales Verkehrsmanagementsystem, besser bekannt unter dem Begriff Slot, um Spitzen abzusenken.“ 200 Stunden Blockabfertigung im Jahr in Tirol An der Blockabfertigung, Zumtobel spricht von „Dosierung“, will er aber nicht rütteln – ebenso wenig wie am Nachtfahrverbot. Handlungsbedarf sieht er ohnehin nicht. Denn emissionsarme Lkw und Fahrzeuge mit verderblicher Ware dürften ja nachts auf der Brenner-Autobahn fahren. Außerdem versuche Tirol frühzeitig, meist schon ein Jahr im Voraus, erklärte er, die jeweiligen Tage festzulegen, an denen Dosierungen stattfinden. Und in der Regel umfasse eine solche Dosierung im Schnitt vier Stunden pro Tag – bei jährlich rund 50 Dosiertagen. „Wir reden hier also über 200 Stunden pro Jahr“, so der SPÖ-Politiker. Tirol treffe diese Maßnahmen nur, um dadurch die Kapazitäten zu steuern und so Planbarkeit zu schaffen. Ohne diese Maßnahmen kollaboriere der Verkehr. „Tirol will Kapazitäten zur Verfügung stellen? Aber genau das passiert in Tirol nicht. Durch die vielen Fahr-, Feiertags- und Nachtfahrverbote wird ja dort Kapazität zurückgenommen“, konterte Thomas Baumgarten, vormaliger CEO der Spedition Fercam und aktuell Vorsitzender des italienischen Verbandes für Gütertransport- und Logistikunternehmen Anita. Der Brenner habe durch diese Verbote sogar 50 Prozent freie Kapazitäten. „Würde man diese Kapazität auf 100 Prozent erhöhen, hätten wir nicht die Notwendigkeit einer Dosierung.“ Zudem kritisierte er, dass auf der Strecke stets nur der Lkw zur Rechnung gezogen werde. Darunter leide die gesamte Transportbranche und verladende Wirtschaft. „Wir machen dadurch diesen Wirtschaftsraum kaputt.“ Straße und Schiene: Nicht gegeneinander ausspielen Was also hilft? In einem Punkt waren sich alle Diskutanten einig: Damit der alpenquerende Güterverkehr funktioniert, braucht es beide Verkehrsträger: die Straße und die Schiene. Schiene und Straße dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wünschenswertes Ziel aus Sicht von Zumtobel: „Im Brenner-Transit hat die Straße im Modal Split einen Anteil von 75 Prozent und die Schiene 25 Prozent. In der Schweiz ist dieses Verhältnis umgekehrt.“ Österreich baue deshalb den Brenner-Basistunnel. Und Deutschland müsse dafür sorgen, dass der Brenner-Nordzulauf endlich geplant und gebaut werde. „Wir haben uns da in Deutschland nicht und auch nicht in Bayern zielführend verhalten“ räumte VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt ein. Schon vor 25 Jahren habe man gesehen, dass es im alpenquerenden Verkehr ein Nadelöhr geben werde und sich daher für den Bau des Brenner-Basistunnels entschieden. „Der Freistaat Bayern steht selbstverständlich zum Brenner-Nordzulauf. Wir fordern auch maximale Anwohner-Freundlichkeit ein“, machte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter unmissverständlich klar. Er glaube aber nicht, dass der Bundestag noch in diesem Jahr über den Brenner-Nordzulauf entscheide. „Nächstes Jahr aber muss die Entscheidung getroffen werden. Die kann man jetzt nicht mehr länger schieben“, drückte auch er aufs Tempo. Dann müsse der Bundestag die Vorzugsvariante festlegen. Und wenn der Bundestag darüber entschieden habe, müsse das Planfeststellungsverfahren angegangen und durchgezogen werden. Da und dort werde es dann vielleicht Klagen geben. „Wenn dann aber Baurecht besteht, muss auch gebaut werden. Gleichzeitig unterstrich der Verkehrsminister: „Bis zum flächendeckenden Ausbau von Tunnel und Zulaufstrecken braucht es realistische und verlässliche Rahmenbedingungen für den Straßentransport.“ Suchten im Alpentransit-Debakel nach Lösungen (v. l. n. r.): Christian Huber (Huber Transport & Logistik), Bertram Brossardt (VBW), Christian Bernreiter (Bayerns Staatsminister für Wohnen, Bau und Verkehr), René Zumtobel (Verkehrs-Landesrat Tirol), Georg Dettendorfer (Dettendorfer Spedition), Thomas Baumgarten (italienischer Frächterverband Anita) Pilotprojekt: E-Lkw über den Brenner Aber auch die Transport- und Speditionsbetriebe müssen ihren Teil zur Lösung des Alpentransit-Problems beitragen: Möglicher Lösungsansatz kann hier das Beispiel der Johann Dettendorfer Spedition sein: So testen derzeit Dettendorfer und MAN Truck & Bus in einem Pilotprojekt, das im Juli und August läuft, wie sich mittels E-Lkw der Verkehr am Brenner auf der Strecke von Raubling bis Bozen entzerren lässt. Denn im Gegensatz zu Diesel-Lkw dürfen E-Lkw nachts auf der Inntal-Autobahn A12 nachts fahren; sprich E-Lkw könnten die Brennerroute dadurch in verkehrsarmen Nachtstunden entlasten. EuGH und Bundestag sind 2026 am Zug Auch Zumtobel zeigte sich am Ende kompromissbereit. Er habe zwar wenig politischen Handlungsspielraum, sagte er da, man werde aber weiterhin an konstruktiven Lösungen arbeiten und wolle kein politisches Spiel „Adler gegen Löwen", also Tirol gegen Bayern spielen. Solange die europäische Rechtslage vor dem EuGH noch ungeklärt sei, könne man aber auch keine grundsätzlichen Änderungen an Blockabfertigung und Nachtfahrverbot angehen. Bleibt schlussendlich nur zweierlei zu hoffen, dass das EuGH sein Urteil tatsächlich im kommenden Jahr fällt, und dass der Bundestag in 2026 in Sachen Brenner-Nordzulauf endlich für Klarheit sorgt.