Nach monatelangem Ringen haben sich die Europäische Union und die Vereinigten Staaten auf einen Grundsatzkompromiss zur Beilegung des transatlantischen Zollkonflikts geeinigt. Doch trotz der Vereinbarung bleiben zahlreiche zentrale Fragen unbeantwortet. Besonders die geplanten Energieimporte werfen Zweifel auf. „Ich sehe bei einigen Punkten dieser Einigung noch offene Fragen“, erklärte Deutschlands Vizekanzler Lars Klingbeil im Deutschlandfunk.
750 Milliarden Dollar für US-Energie – aber wer zahlt das?
Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe die EU zugesagt, bis zum Ende der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump amerikanische Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu importieren. Dabei geht es insbesondere um Flüssigerdgas (LNG), Öl und nukleare Brennstoffe. Diese sollen perspektivisch die russischen Energieimporte ablösen, auf die die EU langfristig verzichten will.
Was allerdings fehlt, ist Klarheit über die Finanzierung: Weder ist bekannt, welche Unternehmen konkret kaufen sollen, noch, ob es sich um private Investitionen oder öffentliche Verpflichtungen handelt. Klingbeil verwies darauf, dass viele Details „zwischen Trump und von der Leyen besprochen wurden“ und derzeit in der Klärung seien.
EU-Kommission: Unternehmen treffen Kaufentscheidungen selbst
In einer offiziellen Erklärung betonte die EU-Kommission, dass sie lediglich den Kontakt zwischen Käufern und Verkäufern erleichtern könne. Die eigentlichen Kaufentscheidungen lägen jedoch bei privaten Marktteilnehmern. Gleichzeitig forderte Brüssel von den USA, ungehinderte Marktbedingungen und ausreichende Exportkapazitäten zu gewährleisten.
US-Energieimporte sollen verdoppelt werden
Aktuell belaufen sich die Energieimporte aus den USA in die EU auf rund 100 Milliarden Dollar jährlich. Geplant ist laut EU-Kommission eine Erhöhung auf 250 Milliarden Dollar pro Jahr – eine enorme Steigerung. Dabei stellt sich die Frage, ob diese Dimension überhaupt erreicht werden kann.
2024 wurden laut offiziellen Zahlen noch rund 15 Prozent der LNG-Importe der EU aus Russland gedeckt. Selbst wenn diese Menge vollständig durch US-LNG ersetzt würde, bliebe das Ziel der 250 Milliarden Dollar noch weit entfernt. Hinzu kommt: Laut EU-Plan sollen russische Gasimporte erst ab 2028 vollständig eingestellt werden.
Atomtechnik als dritte Säule der Energiezusage
Neben LNG und Öl soll laut EU-Kommission auch amerikanische Atomtechnik einen erheblichen Anteil zur Erfüllung der Importziele beitragen. Doch auch hier fehlen bislang klare Zahlen. Die Kommission verweist auf Prognosen, betont jedoch, dass die endgültige Verteilung der Importe auf LNG, Öl, Kernbrennstoffe und nukleare Dienstleistungen von vielen Faktoren abhängt.
Zusätzliche Investitionsversprechen der EU
Neben den Energieimporten sieht der Grundsatzdeal auch Investitionen von 600 Milliarden Dollar europäischer Unternehmen in den USA vor. Diese basieren laut Kommission auf „Interessenbekundungen“ aus der Privatwirtschaft. Eine garantierte Umsetzung könne jedoch nicht erfolgen, da die EU als öffentliche Institution keine Zusagen im Namen privater Firmen geben könne. Welche Unternehmen sich beteiligt haben, wurde bisher nicht veröffentlicht.
LNG-Zuflüsse aus den USA: Fakten und Trends
Im Jahr 2024 importierte die EU über 100 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas, davon rund 45 Prozent aus den USA. Laut Daten der US-Energiebehörde gingen mehr als die Hälfte der gesamten US-LNG-Exporte nach Europa – inklusive der Türkei. Die Nachfrage in der EU war jedoch zuletzt rückläufig, was vor allem auf hohe Gasreserven und den milden Winter zurückzuführen ist.