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EuGH-Urteil: Kritik von Arbeitgebern – Lob von Gewerkschaftsseite

15.05.2019 10:55 Uhr
Europäischer Gerichtshof, EuGH
Das EuGH-Urteil löste in Deutschland heftige Debatten aus
© Foto: Alexandre Marchi/MAXPPP/dpa/picture-alliance

Der Europäische Gerichtshof fordert, dass die volle Arbeitszeit aller Beschäftigten systematisch erfasst werden muss – die Reaktion in Deutschland fallen unterschiedlich aus.

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Luxemburg/Berlin. Arbeitgeber sollen verpflichtet werden, die volle Arbeitszeit aller Beschäftigten systematisch zu erfassen. Das folgt aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Dienstag, 15. Mai. Die Gewerkschaften begrüßten dies als Schutz vor unbezahlten Überstunden und Verfügbarkeit rund um die Uhr. Arbeitgeber warnen vor neuer Bürokratie. Ob Deutschland nun Gesetze ändern muss, wird nach Angaben von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) erst noch geprüft.

Das EuGH-Urteil (Rechtssache C-55/18) löste in Deutschland heftige Debatten aus, denn es könnte große Auswirkungen auf den Arbeitsalltag haben. Längst nicht in allen Branchen werden Arbeitszeiten systematisch erfasst: Nach Gewerkschaftsangaben sind in Deutschland mindestens 20 Prozent der Arbeitnehmer außen vor, unter anderem im Außendienst oder im Home Office.

EuGH fordert ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“

Auch für sie fordert der EuGH ein „objektives, verlässliches und zugängliches System“ zur Messung der geleisteten täglichen Arbeitszeit. Alle EU-Staaten müssten dies durchsetzen, entschieden die obersten EU-Richter. Denn ohne solche Systeme könnten weder die geleisteten Stunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermittelt werden. Damit sei es für Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen.

In Deutschland sehen die Gewerkschaften das EuGH-Urteil positiv. „Das Gericht schiebt der Flatrate-Arbeit einen Riegel vor – richtig so“, kommentierte Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Die Zahl der unbezahlten Überstunden in Deutschland sei inakzeptabel hoch und komme „einem Lohn- und Zeitdiebstahl gleich“. Auch Heimarbeit oder Außendienst müsste nach dem Urteil künftig registriert werden, etwa über Apps oder am Laptop. Wird abends von zuhause noch dienstlich telefoniert oder werden E-Mails geschrieben, müssten danach elf Stunden Ruhezeit eingehalten werden.

Die Gewerkschaft Verdi sprach von einem wichtigen Schritt zum besseren Schutz von Arbeitnehmern: „Arbeitszeit ist in Europa keine dokumentations- und kontrollfreie Zone mehr.“ Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund forderte, mit Arbeitszeit grundlegend anders umzugehen. Kliniken dürften Höchstarbeitszeitgrenzen nicht länger missachten.

Arbeitgeber bezeichnen das EuGH-Urteil als  „wie aus der Zeit gefallen“

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) übte indes Kritik. Ihrer Ansicht nach sei das Urteil wie aus der Zeit gefallen. „Wir Arbeitgeber sind gegen die generelle Wiedereinführung der Stechuhr im 21. Jahrhundert.“ Die Entscheidung dürfe keine Nachteile für Arbeitnehmer mit sich bringen, die flexibel arbeiteten. Auch künftig kann der Arbeitgeber aus Sicht des Verbands seine Beschäftigten verpflichten, ihre Arbeitszeit selbst aufzuzeichnen.

„Diese Entscheidung geht in die völlig falsche Richtung“, erklärte auch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall. „Insbesondere Start-ups arbeiten nicht nach der Stechuhr wie vor 100 Jahren“, ergänzte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Start-ups, Florian Nöll. „Die Flexibilität, die Arbeitnehmer selbst einfordern, wird durch solche Vorgaben eingeschränkt.“ Die Unternehmen befürchten Bürokratie, aber auch weniger flexiblen Einsatz ihrer Mitarbeiter.

Arbeitsminister Heil will Gespräch mit Arbeitgebern und Gewerkschaften suchen

Schon bisher müssen allerdings Überstunden erfasst werden – was aus Sicht von Experten bedeutet, dass eigentlich auch schon heute die reguläre Arbeitszeit aufgezeichnet werden müsste. Auch Arbeitsminister Heil sagte: „Die Aufzeichnung von Arbeitszeit ist notwendig, um die Rechte der Beschäftigten zu sichern.“ Vor einer möglichen Gesetzesänderung werde er das Gespräch mit Gewerkschaften und Arbeitgebern suchen, „damit wir das Richtige tun und nicht übers Ziel hinausschießen“. (dpa)

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