MAN TGX 18.480 im VR-Lkw-Test: Der Löwe schlägt zurück

Test mit Referenz-Lkw Unser Volvo FH 460 I-Save mit Curtainsider von Schmitz Cargobull sorgt für vergleichbare Testergebnisse. Dafür wurde die VR-Testrunde unter guten Bedingungen abgefahren. Liegen die Verbrauchswerte des Referenz-Lkw am Test-Tag über oder unter diesem Wert, ist klar, dass das Testfahrzeug unter schlechteren oder besseren Bedingungen getestet wurde, was sich zurückrechnen lässt. Eine Wunschhochzeit dürfte es für MAN nicht unbedingt gewesen sein. Schließlich wurde der neue Sechszylinder, der diese Testsattelzugmaschine antreibt, ausgerechnet von der VW-Konzernschwester Scania entwickelt, die ihn schon seit drei Jahren in ihren schweren Lastwagen verbaut. Warum es bei MAN deutlich länger dauerte, liegt an den Rahmenträgern des TGX. Deren Design war natürlich auf den bisherigen und hauseigenen D26-Sechszylinder zugeschnitten und bot nicht genügend Platz für den neuen 12,7 Liter großen Konzerndiesel, bei MAN "D30" genannt. Aufwendige Umbaumaßnahmen waren so unvermeidlich, die den MAN um knapp 180 Kilogramm schwerer machen, worüber sich nutzlastsensible Kundschaft keinesfalls freuen dürfte. Zudem sind sie der Grund dafür, warum es den neuen Motor bei MAN bis auf Weiteres nur als 4x2-Sattelzugmaschine in Standardausführung gibt. Wer nun meint, der Löwe würde sich aufgrund dieser Nachteile beleidigt zurückziehen, irrt gewaltig. Stattdessen schalten die MAN-Leute in den Angriffsmodus und versprechen, dass der TGX mehr denn je das Zeug dazu habe, seinen Konkurrenten in Sachen Wirtschaftlichkeit die Rücklichter zu zeigen. Ungewohntes Leerlaufgeräusch An dem ebenfalls gegebenen Versprechen, der TGX sei trotz des "fremden" Triebstangs ein echter MAN geblieben, wachsen allerdings erst mal Zweifel, sobald die Testsattelzugmaschine im Leerlauf die Luftkessel unseres Krone-Aufliegers füllt. Das bassige Verbrennungsgeräusch, bislang typisch für den TGX, ist verschwunden. Das neue, irgendwie heller und metallischer klingende Geräusch schreibt man eher der Marke Scania zu - wenig überraschend. In Fahrt wandelt sich dieser Eindruck allerdings ins Gegenteil. Plötzlich ist die Geräuschkulisse fast wie beim alten Modell und weit weg von der eines Scania - hier haben die Ingenieure ganze Arbeit geleistet. Allerdings mit der Ausnahme, dass der MAN weiterhin nicht zu den Leisetretern seiner Zunft gehört, obwohl der D30 im Motorraum von einer zusätzlichen Dämmmatte komplett eingekapselt ist. Einhergehend mit dem neuen Motor kommt im MAN auch das Scania-Getriebe zum Einsatz, in München "TipMatic 14.33" genannt. Weshalb nun auch der Löwe in den Genuss einer zusätzlichen Fahrstufe in Form der Overdrive-Funktion im zwölften Gang kommt. Von diesem Schongang macht der TGX auf unserer Testrunde fleißig Gebrauch, schließlich liegen bei Tempo 85 dann nur noch 890 Touren an. Neben dem Rollen in der Ebene gilt das vor allem auch bergab, wenn die Steuerungssoftware die geringeren Antriebswiderstände für das Rollen in der Schubabschaltung nutzt, in der bekanntlich kein Tropfen Sprit verbraucht wird. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (MAN D30), Common-Rail-Einspritzung (max. 1800 bar),einstufiger Turbolader; Verdichtung: 23,0:1, Euro 6e mit SCR-Kat., ungekühlte AGR, DPF, Hubraum: 12.900 cm³Leistung: 480 PS (353 kW) bei 1800/min,max. Drehm.: 2450 Nm bei 900–1350/min Kraftübertragung Automatisiertes Schaltgetriebe (TipMatic 14.33), synchronisiertes Dreigang-Grundgetriebe, Range- und Splitgruppe, 12 Vorwärtsgänge + Overdrive im 12. Gang, 1 x Crawler, 4 Rückwärtsgänge,Hinterachsübersetzung: i = 2,38;Einscheiben-Trockenkupplung, 430 mm Fahrwerk HA: gewichtsoptimierte 13,0-t-Hypoid-Achse, Vierbalg-Luftfederung,VA: 8,5-t-Achse, Einblatt-Parabelfederung Bremsen Zweikreis-Druckluft-Bremsanlage,Scheibenbremsen, Motorbremse: 355 kW(483 PS) + Retarder (4700 Nm, Option) Maße und Gewichte Radstand: 3600 mm; L x B x H: 6007 x 2500x 3963 mm; Leergewicht: 7314 kg (ohne Fahrer), inkl. 400 l Diesel, 60 l AdBlue Effizientes Eco-Fahrprogramm Für den überwiegenden Teil unserer Teststrecke wählt die Elektronik aber den direkten Gang, in dem in Verbindung mit der 2,53er-Hinterachsübersetzung exakt 1155/min anliegen. Die Wahl macht sich der MAN allerdings nicht leicht. Dafür sorgt die individuelle Drehmomentanpassung von MAN, die in den Fahrprogrammen "Efficiency" und "Efficiency+" aktiv ist. Dabei wird für jede Steigung aufs Neue berechnet, wie viel Moment benötigt wird, um den Berg verbrauchsgünstig, aber trotzdem ausreichend schnell zu überwinden. Das ist so weit nichts Besonderes. Was das MAN-System allerdings von anderen unterscheidet, ist, wie es das hinterlegte Verbrauchskennfeld des Motors nutzt. So berechnet und vergleicht die Software ständig bis zu acht verschiedene Fahrzustände. Wie wäre der Verbrauch ganz ohne Drehmomentanpassung? Oder mit zwei oder einem km/h weniger oder mehr? Oder in Gang 11 anstatt 12? Die Variante, bei der der D30 am längsten im optimalen Verbrauchskennfeld arbeitet, kommt dann zur Anwendung. So kann es durchaus passieren, dass das System entscheidet, bereits am Fuße der Steigung zurückzuschalten und die Drehzahl so in einen gefühlt unnötig hohen Bereich zu bringen. Der Kollege Computer hat aber errechnet, dass es günstiger ist, hier mit höherer Drehzahl zu arbeiten, dafür aber das Drehmoment um einen Faktor "X" zu beschränken. Optionen, die Elektronik in ihrem Tun zu beeinflussen, hat man hinter dem Lenkrad wenig, denn ein beherzter Tritt aufs Gas hat keinerlei Wirkung. So bliebe nur, über einen Dreh am Rädelschalter des rechten Lenkstockhebels umständlich in das Performance-Fahrprogramm zu wechseln. Wir empfehlen allerdings, die Elektronik einfach ihre Arbeit machen zu lassen, denn die Leistungsreduzierung findet unserer Erfahrung nach in einem kaum merklichen Bereich statt. Verbräuche und Geschwindigkeiten:342,8-km-Teststrecke l/100 km km/h Autobahn medium (32 t)A 9 Allershausen – A 93 Regensburg 23,72 84,19 Autobahn hügelig (32 t)A 3 Regensburg – Nürnberg 23,17 84,27 Autobahn Rolletappe (32 t)A 9 Nürnberg – Langenbruck 20,59 84,24 Landstraße (32 t)Langenbruck – Dasing 19,87 62,24 Autobahn leicht (32 t)A 8 Dasing – A 99 Unterschleißheim 21,68 84,19 Durchschnitt: 21,83 80,06 Verbrauch Adblue: 2,07 l/100 km (10,50 % vom Dieselverbrauch); AdBlue anteilig mit 44 % ins Verbrauchsergebnis eingerechnet Sehr niedriger Testverbrauch Ganz anders an der Zapfsäule: Der TGX 18.480 kam im Durchschnitt mit 21,83 l/100 km auf der Testfahrt aus, bei der wie immer unser hauseigenes Referenzfahrzeug für eine Vergleichbarkeit der Verbrauchswerte sorgte. Inkludiert ist hier bereits der AdBlue-Konsum, den man ähnlich wie beim Scania höher kalkulieren muss. Grund ist die heiße Verbrennung des D30-Motors, wegen der man das Thema Stickoxide nur mittels einer doppelten Harnstoffeinspritzung in Euro-6-konforme Zonen bekommt. Trotzdem reiht sich der TGX weit vorne in unserem Verbrauchsranking ein. Was die MAN-Verantwortlichen dabei besonders freuen dürfte: Er lässt auch den hausinternen Rivalen Scania klar hinter sich. Gut möglich, dass die Münchener damit eine offene Rechnung mit den Kollegen aus Södertälje begleichen? Bewertung MAN TGX 18.480 GX Motor/Antrieb (max. 140) Getriebe/Kupplung (max. 140) Bremsen (max. 120) Lenkung (max. 40) Pedale (max. 20) Fahrverhalten (max. 60) Sicht (max. 50) Klima/Lüftung (max. 50) Sitze (max. 40) Armaturen/Instrumente (max. 50) Scheibenwischer (max. 30) 24Fahrerhaus (max. 240) 205 1241261043316544543344624205 Gesamtwertung (max. 980 854 Testurteil + Sehr sparsamer und kraftvoller Sechszylinder, akkurat arbeitendesGetriebe mit Overdrive-Funktion im zwölften Gang, viel Platz in derKabine, gutes Bedienkonzept ohne Touchscreen - Auch mit dem neuen Motor vergleichsweise laute Geräuschkulisse im Innenraum, erhöhter AdBlue-Verbrauch, im Vergleich erhöhtes Leergewicht Fazit Wirklich gut gebrüllt, Löwe Die Transplantation des neuen Motors ist MAN gelungen, ohne dass der TGX seinen Charakter eingebüßt hätte. Für den Käufer/die Käuferin wichtiger: Auf der VR-Testrunde gibt der Löwe den meisten Wettbewerbern in Sachen Verbrauch ein dickes Brett zu bohren. Das überrascht umso mehr, da sich der MAN bis auf Weiteres noch ohne eine aerodynamisch vorgezogene Front gegen den Fahrtwind stemmt.