Alzenau. Der Europäische Ladungsverbund Internationaler Spediteure (ELVIS) fordert im Rahmen eines Musterverfahrens zu viel gezahlte Lkw-Maut in Millionenhöhe vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) zurück. Rund 160 Elvis-Partner hätten sich dem Verfahren bereits angeschlossen, teilte der Verbund am Dienstag mit.
Im maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 27. Oktober 2020 hätten diese Unternehmen insgesamt 380 Millionen Euro Lkw-Maut gezahlt – und damit nach den konservativsten Schätzungen zwischen drei und sieben Prozent zu viel. Das Musterverfahren wurde in diesem Monat eingeleitet. Elvis rechnet mit einer mehrjährigen Verfahrensdauer.
„Dass sich das BAG trotz höchstrichterlich festgestellter Rechtswidrigkeit weigert, zu viel gezahlte Gebühren zu erstatten, grenzt an Wegelagerei und ist nicht hinnehmbar. Deshalb haben wir uns im Sinne unserer Partner entschlossen, die Ansprüche im Rahmen eines Musterverfahrens notfalls auch gerichtlich geltend zu machen“, sagt Nikolja Grabowski, Vorstand von Elvis.
Entscheidung des EuGH als Anlass
Hintergrund ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus Oktober vergangenen Jahres (Urt. v. 28.10.2020, Az. C-321/19). Danach dürfen bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich Infrastrukturkosten berücksichtigt werden, also solche für Bau, Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes. Die Bundesregierung hatte den Transport- und Logistikunternehmen jedoch auch die Kosten für die Verkehrspolizei in Rechnung gestellt. Das ist nach Auffassung des EuGH rechtswidrig. Polizeiliche Tätigkeiten fielen in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübe und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handele. Diese Kosten könnten daher nicht als Aufwendungen für den Betrieb im Sinne der Richtlinie über die Erhebung von Gebühren angesehen werden, urteilte der EuGH.
Zahlreiche Elvis-Partner hatten daraufhin – ebenso wie viele andere Unternehmen – Anträge auf eine anteilige Erstattung der Lkw-Maut gestellt. Wie sich zeigte, sei das BAG jedoch nicht zu einer Erstattung bereit und beruft sich auf Vertrauensschutz, so Elvis: Vor dem Urteil des EuGH habe man nicht wissen können, dass die Maut zu hoch kalkuliert war. Denn die Bundesregierung habe ab einem bestimmten Zeitpunkt die Wegekostengutachten, auf denen die Mautsätze beruhen, stets der Europäischen Kommission übersandt. Von dort seien nie Einwände gekommen.
Antrag eines Unternehmens stellvertretend für die anderen Kläger
„Ein solcher Vertrauensschutz zugunsten eines Mitgliedstaats wird im EU-Recht allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt. Und die liegen hier nicht vor“, sagte dazu Rechtsanwalt Moritz Lorenz, der den Ladungsverbund in dem Verfahren vertritt.
Aus diesem Grund will Elvis die Rechtsauffassung des BAG nun gerichtlich überprüfen lassen. Damit nicht alle Elvis-Partner einzeln gegen das Bundesamt klagen müssen, hat der Verbund ein Musterverfahren initiiert. Stellvertretend wird dabei der Antrag eines Unternehmens herausgegriffen. Über diesen entscheidet zunächst das BAG und bei Ablehnung sodann das Verwaltungsgericht. Das Ergebnis des Gerichtsverfahrens wird kraft einer Musterverfahrensvereinbarung im Weiteren auf alle anderen Beteiligten übertragen. (sn)